Foto: Wolfgang Krinninger / PBB
Die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus gilt als epochales Werk. Sie beschreibt, wie es um unsere Welt bestellt ist und was wir tun können, um sie zu retten. Doch die Frage ist: Was hat dieses Schreiben in den zehn Jahren seit seinem Erscheinen bewirkt? Der Diözesanrat suchte in seiner Vollversammlung nach Antworten, u.a. beim Kamingespräch am ersten Tag.
„Drill, Baby, drill!“ – laut und nachdrücklich rief Donald Trump diese Worte in seiner Antrittsrede als US-Präsident. Einen deutlicheren Kontrapunkt zu Laudato si hätte es kaum geben können. Darauf wies Domdekan Dr. Hans Bauernfeind im Gottesdienst zur Vollversammlung im Haus Spectrum Kirche hin. Mehr fossile Brennstoffe zu fördern – Erdöl, Kohle, Gas – und mehr Fracking zu betreiben, habe Trumps Botschaft gelautet. „Dennoch hallen solche Worte verstörend nach“, so Bauernfeind. Der Wiener Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Brand bringe solche Haltungen mit dem Begriff der Petro-Maskulinität in Verbindung: Tatkräftig, mitreißend und männlich sei, wer wirtschaftlichen Gewinn um jeden Preis wolle. Laudato si dagegen zeige auf, wie eine Wegwerfkultur die Umwelt verschmutzt, das Klima verschlechtert – und dennoch viele so leben, als geschehe das nicht.
Warum die Enzyklika so bedeutsam ist, machte Verena Holzbauer, Leiterin der Stabsstelle Umwelt und Gemeinwohlorientierung, im anschließenden Kamingespräch deutlich. Aufgrund einer Corona-Erkrankung war sie per Videostream zugeschaltet. Aus dem Grundsatz „Alles ist mit allem verbunden“ folge die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, sagte sie. „Es geht um unser gemeinsames Haus.“ Ziel sei ein gutes Leben für alle – auch für kommende Generationen.
Wie das praktisch aussehen kann, zeigte Ferdinand Wagner, Geschäftsführer einer komplett biozertifizierten Bäckerei. Nach dem besten Geschäftsjahr 2006 wagte der Familienbetrieb den Umstieg auf Bio – ein mutiger Schritt: „Uns gingen zunächst viele Kunden verloren“, gibt Wagner zu. Doch es kamen weit mehr neue hinzu. Seit 2007 habe die Biobäckerei ihre Mitarbeiterzahl vervierfacht und den Umsatz verfünffacht. „Wir wollten unsere Firma nachhaltig aufstellen. Und mich wundert, warum uns niemand folgt.“ Regionalität und faire Kooperation mit ausländischen Produzenten seien für ihn kein Widerspruch: „Wenn die Menschen dort fair bezahlt und die Produkte biologisch hergestellt werden, spricht nichts dagegen.“ Sein Fazit: „Wir gehen diesen Weg weiter – weil er funktioniert.“
Der frühere CSU-Vorsitzende und Finanzminister Erwin Huber, einst als „scharfer Hund“ bekannt, zeigte sich im Gespräch nachdenklich. Nach seinem Rückzug aus der „großen“ Politik studierte der Volkswirt Philosophie an der Hochschule der Jesuiten in München. Das blieb nicht ohne Folgen. „Ich sehe die Welt heute mit anderen Augen“, gab er unumwunden zu. Er habe viele neue Einsichten gewonnen und die Scheuklappen abgeworfen. Laudato si bezeichnete er als „epochales Werk“, das einen neuen Zugang zur Schöpfung eröffnet habe. „Laudato si hat in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft große Beachtung gefunden“, so Huber. „Umso enttäuschender ist, wie wenig wir Christen daraus gemacht haben.“ Christen müssten an der Spitze der ökologischen Bewegung stehen, forderte er.
Gleichzeitig betonte Huber, der ländliche Raum habe sich stark entwickelt. Die Lebensqualität in Niederbayern sei heute vielfach höher als in der Großstadt. „In München haben 29 Prozent der Bevölkerung eine eigene Wohnung, in Niederbayern 70 Prozent“, verdeutlichte er. „Wir dürfen unsere eigene Entwicklung nicht schlechtreden.“
Der Passauer Stadtrat und ÖDP-Politiker Urban Mangold nannte Laudato si „einen der wichtigsten Texte unserer Zeit“. Er sehe darin eine Bestätigung seines inneren Kompasses für Schöpfungsverantwortung. „Die Kirchen müssen Laudato si in der gesellschaftlichen Debatte verstetigen“, sagte er. Auch die Politik sei gefordert. Gerade bürgerlich-konservative Kräfte müssten sich an die Spitze stellen und ihrer Verantwortung gerecht werden – auch durch klare Regeln, die den Kapitalismus zähmen. „So übernehmen sie Führungsverantwortung und grenzen sich vom populistischen Geschrei ab.“
Huber stimmte zu: „Der Beifall der Bierzelte ist nicht der Gradmesser fürs Gemeinwohl.“ Politik brauche klare Ziele, die wirtschaftliche Interessen mit ökologischen verbinden – „konsequent, mutig und geradlinig umgesetzt“. Mangold konterte mit einem Augenzwinkern: „Sie müssen den Söder anrufen, damit er endlich mit seinem Slalom aufhört.“
In der anschließenden Diskussion betonten mehrere Teilnehmer die Verantwortung der Christen. Helmut Degenhart forderte, sie müssten sich als Speerspitze von Laudato si’ verstehen. Franz Böhmisch sah den Staat stärker als Hüter des Gemeinwohls in der Pflicht. Helga Grömer erinnerte daran, dass der Club of Rome die heutige Entwicklung schon vor 50 Jahren vorhergesagt habe: „Wir kommen viel zu langsam voran.“ Barbara Schmidt mahnte den spirituellen Aspekt an: „Schaffen wir es als Kirche, eine Kultur der Achtsamkeit zu leben, in der wir das Leid der anderen an uns heranlassen?“
Urban Mangold zeigte am eigenen Beispiel, dass jeder etwas tun kann: Er sei noch nie geflogen – und wolle das auch bis zum Lebensende so halten. Maßvoller Konsum, so sein Appell, beginne im Alltag.
Askese sei nicht der richtige Weg, hielt Huber entgegen. Wer auf den breiten Verzicht auf Wohlstand setze, werde scheitern. „Wenn wir uns selbst arm machen, ist niemandem geholfen.“ Stattdessen müsse man die innovativen Kräfte der Wirtschaft stärken, um Umweltziele zu erreichen, „ohne arm zu werden“. Hoffnung gebe es: Die Zahl der Wärmepumpen steige, und bei BMW in Dingolfing seien bereits 500.000 E‑Autos vom Band gelaufen. „Ich würde mich freuen, wenn wir Katholiken als spirituelle Elite Verantwortung übernähmen, damit diese wunderschöne Schöpfung in ihrer Vielfalt erhalten bleibt.“
Ferdinand Wagner stimmte zu: „Niemand würde meine Backwaren kaufen, wenn sie nicht schmecken würden.“ Lieber weniger konsumieren, aber besser – das sei sein Ansatz. Gesunde Lebensmittel seien nicht zwangsläufig teurer, auch wenn die Werbung das suggeriere. „Ich fliege schon lange nicht mehr in Urlaub.“
Am Ende brachte Moderatorin Angelika Görmiller die Haltung vieler auf den Punkt: „Bauen wir gemeinsam an diesem Haus, gehen wir den Weg konsequent weiter, damit wir eine gute Zukunft haben.“
In seiner Predigt hatte Hans Bauernfeind denselben Gedanken formuliert: „Die Zeichen der Zeit zu erkennen, sie als Herausforderung im besten Sinne anzunehmen, bedeutet, mit Jesus zu handeln und mit seinem Heiligen Geist verbunden zu sein – sowie zugleich den Menschen und kommenden Generationen zu dienen.“
Text + Foto: Wolfgang Krinninger / PBB




