Nationalismus im Alltag – zu diesem Thema im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wozu Demokratie?“ sind im Pfarrsaal St. Michael in Passau-Grubweg vier Expertinnen und Experten zu einer Diskussionsrunde zusammengekommen. Organisiert hat die Veranstaltung der Diözesanrat des Bistums gemeinsam mit der Initiative „Wochen zur Demokratie“ und Bayern 2.
Die Gäste Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehem. Justizministerin und Antisemitismus-Beauftragte von Nordrhein-Westfalen, Journalistin und Soziologin Dr. Carolin Wiedemann, Prof. Dr. Christian Geulen, Historiker und Hochschullehrer an der Universität Koblenz, sowie Prof. Dr. Lars Rensmann vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Universität Passau tauschten sich eine Stunde lang über die Gefahren des Nationalismus und dessen Ausprägung in Deutschland aus. Im Anschluss stellten sie sich Fragen und Erfahrungsberichten aus dem Publikum. Durch den Abend führte Jutta Prediger vom Bayerischen Rundfunk. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Christiane Öttl am Klavier.
Als Eingangsbeispiel dienten der Runde die Deutschland-Fähnchen, die überall während einer Fußball-EM von Fans geschwenkt werden. Vollkommen in Ordnung seien solche Symbole in diesen Kontexten, findet Prof. Dr. Lars Rensmann. Ihn sehe man gelegentlich auch mit dem Vereinsemblem von Borussia Dortmund am Inn entlang spazieren. Anders sieht dies Dr. Carolin Wiedemann, die die Frage, ob Symbole Zusammenhalt schaffen können, eher kritisch betrachtete und damit bereits die Diskussion darüber eröffnete, wo Nationalismus anfängt.
„Es ist schon deswegen nicht möglich, einen normalen Nationalismus zu haben, weil wir keine normale Geschichte haben.”
Nationalismus entstehe dann, wenn ein Zusammengehörigkeitsgefühl in einem „bestimmten Menschenschlag“ gebildet werde, so versuchte Prof. Dr. Christian Geulen den umfassenden Begriff zu erklären. Eine Gruppe von Menschen, die in einer Nation zusammenlebe, definiere sich dann als etwas ganz Besonderes. Resultat sei häufig Ausgrenzung. Auf diese Weise arbeite auch die AfD, die sich Grundbegriffe wie bspw. „Nation“ zu eigen mache und dafür nutze, einfache Lösungen für schwierige Probleme zu versprechen. Diesen „Vereinfachern“ gelte es entgegenzutreten, so die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. „Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, wie gefährlich Nationalismus ist“, ergänzte auch Dr. Carolin Wiedmann. Es solle keine Kollektivität geben, die sich aus natürlichen Eigenschaften ergebe, sondern aus dem Tun. Denn: „Kollektive Identitäten können auch integrative Kraft haben“, betonte Prof. Dr. Rensmann.
Im Anschluss an die Diskussion, konnte sich auch das Publikum am Gespräch beteiligen. Einige brachten Erfahrungsberichte ein, auf deren Basis über die Bekämpfung von Nationalismus im alltäglich Leben beraten und diskutiert wurde. Prof. Dr. Lars Rensmann nannte hier als entscheidendes Stichwort die Grenzziehung, sowohl im persönlichen Gespräch, als auch in den sozialen Medien und auf der Ebene der Politik. So sei es notwendig, Bildungsarbeit zu leisten, aufzuklären, zu sensibilisieren und nationalistischen Stimmen entgegenzutreten. Oftmals sei es mittlerweile schwierig, argumentativ gegen derartige Aussagen anzukommen. Umso wichtiger sei es, dass – etwa von Seiten der Politik – Engagement angeregt werde, auch um einer populistische Abwehrhaltung gegenüber Institutionen entgegenzuhalten.
Eine Aufzeichnung der Veranstaltung hören Sie heute ab 10:05 Uhr bei Bayern 2.