Die diesjährigen Pastoraltagungen in Spectrum Kirche Passau-Mariahilf war mit rund 130 Teilnehmenden gut besucht. Die beiden Tage am 18./19. Oktober standen ganz im Zeichen der „Synodalität“. Zentrale Programmpunkte waren die Vorträge der beiden Theologieprofessoren Prof. Jan-Heiner Tück und Prof. Katharina Karl.
Synodalität ist ein hochaktuelles kirchenpolitisches und viel diskutiertes Thema. Seine Bedeutung zeigt sich nicht zuletzt an der aktuellen Weltbischofssynode in Rom, die Papst Franziskus einberufen hat. So verwundert es nicht, dass Synodalität das übergeordnete Thema der diesjährigen Pastoraltagungen an den beiden Tagen vom 18./19. Oktober in Spectrum Kirche Passau-Mariahilf war. Denn allein schon bei der Begrifflichkeit würden die Meinungen auseinandergehen, betonte Bischof Stefan Oster SDB im Einladungsschreiben zur Tagung. Es sei von „mehr Demokratie“ die Rede, einem „Mehr“ an Hören auf den Heiligen Geist, einer „Methode“. Schließlich waren rund 130 in der Pastoral tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums Passau der Einladung des Referats für Theologische Bildung und Leitungskultur gefolgt, um genau solchen Fragestellungen rund um das Thema Synodalität auf den Grund zu gehen.
Erneuerung aus dem Ursprung
Auftakt am ersten Fortbildungstag waren die beiden Vorträge von Prof. Jan-Heiner Tück zum Thema „Dem Evangelium ein Gesicht geben. Spirituelle Ressourcen einer synodalen Kirche“. In seinem ersten ging der Professor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien auf den mehrstufigen und von Papst Franziskus angestoßenen Synodal-Prozess der Weltkirche ein, welcher jetzt in die entscheidende Phase kommt. Für den Vortragstitel hatte er nicht umsonst „Erneuerung aus dem Ursprung“ gewählt. Wenn wir wissen wollten, betonte Tück, wohin es mit der Kirche gehen soll, müssten wir zuerst einmal einen Blick auf ihren Ursprung werfen. So habe das II. Vatikanische Konzil erste Elemente einer synodalen Kirche entwickelt und die Kirche als wanderndes Gottesvolk beschrieben. Es machte Gottesdämmerung, Christusdemenz und Geistvergessenheit als Symptome einer Kirchenkrise aus, so Tück. „Kirche droht in einen ekklesiologischen Narzissmus abzugleiten, wenn sie nur um sich kreist und ihre Ausrichtung auf die trinitarisch-christologische Mitte vergisst.“ Demgegenüber entfalte das II. Vatikanische Konzil eine dynamisch geschichtliche Sicht von Kirche als wanderndem Volk Gottes und Communio, das die Gläubigen als aktive Träger der Evangelisierung einbeziehe, erklärte Tück, was den missionarischen Grundauftrag klar definiere.
Im Hinblick auf den Synodalen Prozess als die zweite große Reformbewegung nach dem II. Vatikanischen Konzil, betonte Tück das große Anliegen von Papst Franziskus, alle Glieder der Kirche, und damit alle Gläubigen in den Prozess einzubeziehen. „Und das ist substantiell neu“, so der Theologieprofessor. Nichtsdestotrotz sei hier die besondere Verantwortung der Bischöfe angezeigt; „Synodus Episcoporum“ laute schließlich die Überschrift des Prozesses. Die Synode sei, das habe Papst Franziskus betont, kein Parlament. „Franziskus hat für die synodale Kirche eine Kultur des Zuhörens angemahnt und das Bild einer umgekehrten Pyramide verwendet“ erklärte Tück. „Der Dienst des obersten Hirten besteht darin, dass er sein Ohr bei der Herde hat. Er soll auch einmal hinterhergehen.“ Maßgeblich für den Synodalen Prozess seien drei Begriffe: „Gemeinschaft“, „Gemeinsame Verantwortung in der Sendung“ und „Teilhabe, Leitungsaufgaben und Autorität“.
Zu den von Papst Franziskus ausgemachten Risiken, die der Synodale Prozess in sich birgt, zählten laut Tück Formalismus (die Reduktion der Synode auf ein äußerliches Ereignis ohne substantielle Umkehr), Intellektualismus (die Synode als Studiengruppe von Experten, die lediglich Papiere produziert, sich aber von der Wirklichkeit des Volkes Gottes löst) und Immobilität („So hat man es schon immer gemacht“). Demgegenüber stünden zentral drei große Chancen, erläuterte Tück. Man mache sich schließlich gemeinsam auf den Weg zu einer synodalen Kirche, einem offenen Ort, wo sich alle zuhause fühlen. Zudem würde man eine hörende Kirche, was einhergehe mit einer neuen Kultur der Anbetung. Und: eine synodale Kirche bedeute auch eine Kirche der Nähe mit einem Mitgefühl für Verwundete und Arme, ganz im Sinne Gottes. Probleme, die all dies und den Prozess insgesamt gefährden könnten, bestünden laut Tück durchaus einige. „Eine Gefahr des Misslingens des Synodalen Prozesses sind Traditionalisten, die auf Kontinuität beharren und Avantgardisten“, so Tück. Hinzukäme das Problem der Fülle an Themen sowie das der Beratungs- und Entscheidungsprozesse, zuvorderst ob auch Nichtbischöfe (darunter auch Frauen) Teil des Entscheidungsgremiums sein werden.
Dem Evangelium ein Gesicht geben
In seinem zweiten Vortrag erörterte er mögliche Antworten auf die Frage, wie Gläubige dem Evangelium in unserer heutigen beschleunigten Lebenswelt ein Gesicht geben können. Grundsätzlich, so Tück, sei er für ein komplementäres Verhältnis zwischen Laien und Priestern. „Priester können uns etwas geben, was wir uns selbst nicht geben können, wie beispielsweise in der Eucharistie. Umgekehrt können Laien, bedingt durch die pluralen Lebensbereiche, in denen sie im Gegensatz zu Priestern unterwegs sind, die Evangelisierung auch bereichern.“ Er führte hierfür ein paar ganz konkrete Beispiele an und betonte: „Die Kirche hat ein ganzes Set an Angeboten, um einen gläubigen Lebensstil auszubilden.“ Und weiter: „Das sind ganz einfache Praktiken, die zur Tradierung des Glaubens wichtig sind. Die Psalmen zu beten, den Gottesdienst aufzusuchen, mit der nachfolgenden Generation über die Bibel im Gespräch zu bleiben, sprich Katechese.“ Dadurch, so seine Hoffnung, könne es gelingen, das Christsein in der heutigen Welt wieder entschiedener und mündiger zu leben.
Synodalität erfahren und ermöglichen
Am zweiten Tag der Pastoraltagungen am 19. Oktober war Prof. Dr. Katharina Karl, Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik an der KU Eichstätt-Ingolstadt, eingeladen. Sie referierte zum Thema „Synodalität zwischen Respekt und religiöser Selbstbestimmung“. Den ersten Vortrag fasste sie unter den Titel „Synodalität – Gemeinsam unterwegs? Verantwortung und Beteiligung in der Kirche heute“. Sie leitete mit einer Frage ein: „Wie gestaltet man auf den verschiedenen Ebenen (von der lokalen zur universalen) jenes gemeinsame Gehen?“ Hier warf sie zuerst einen Blick auf die Jugendsynode in Rom im Jahr 2018, anhand derer sie die Beteiligung verschiedener Gruppen im Prozess aufzeigte. „Damals war die große Revolution, dass eine erstmals internationale Synode die Beratungen der Kirche auf eine größere Gruppe – in diesem Fall der Jugendlichen – ausgeweitet wurden, um sie zu beteiligen“, so Karl. „Das entscheidende Wort hier ist eine hörende Kirche.“ Als theologische Wegmarker der Jugendsynode führte Karl an: Jugend als theologischer Ort, Jugend als „Lernort für die Kirche“, missionarische Synodalität, gemeinsam Hören und gemeinsam Entscheiden.
Beim jetzigen weltsynodalen Prozess habe Papst Franziskus ganz bewusst Autorität und Beteiligung als zwei der Schlüsselthemen definiert. „Wir haben seit dem II. Vatikanischen Konzil wiederentdeckt, dass das gemeinsame Priestertum aller Getauften wesentlich für die Kirche ist“, betonte sie, und weiter: „Der Papst hat einmal gesagt, Beteiligung zu steigern, ist die Erwartung Gottes an die Gläubigen dieses Jahrtausends. Das ist eine hohe Latte.“ Konkret bedeute „Gottes Erwartung“ das gemeinsame Priestertum der Gläubigen, die religiöse Selbstermächtigung des Subjekts (nach Gebhardt, Soziologe) und die Communio als „Kirche teilen“. Die Selbstermächtigung des Subjekts erklärte sie folgendermaßen: „Gebhardt beschreibt den Trend hin zur Professionalisierung in allen Lebensbereichen, mit Ausnahme des religiösen Bereichs, wo es sich genau umgekehrt verhält. Hier war früher der Pfarrer der Experte, heute sind es – für ihr religiöses Leben – die Gläubigen selbst.“ Das „gemeinsame Gehen“, führte die Pastoraltheologin aus, erfordere nun ein inklusives Kirchenbild, Offenheit für Andere, Entgrenzung und Verwundbarkeit. Und auf die Frage, wie Synodalität in der Pastoral vor Ort erfahren und ermöglicht werden kann, antwortete sie: „Bei uns in Deutschland gibt es bereits viele Strukturen, wo genau das schon passiert.“ Bestes Beispiel hierfür seien die Gremien in den Pfarreien, wie beispielsweise die Pfarrgemeinderäte, die das große Bewusstsein der Laien vor Ort zeigten, so Karl. “Es ist noch nötiger, dass all das auch in Entscheidungsprozesse auf höherer Ebene miteinfließt. Hier braucht es noch mehr Durchlässigkeit.“
Pastoraltagungen im Dezember
Abschluss der diesjährigen Pastoraltagung wird am 1. Dezember im Haus der Begegnung „Heilig Geist“ in Burghausen mit Bischof Stefan Oster SDB sein. Hier ist Prof. Thomas Söding, Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum, als Referent eingeladen zum Thema „Hören auf das, was der Geist der Gemeinde sagt. Synodalität — im Neuen Testament und heute“.