34 Kilometer, rund 45.000 Schritte und 8 Stunden Fußweg: Als Bischof Stefan Oster am Montag um elf Uhr mit einer Gruppe junger Menschen bei der Wallfahrtskirche Sammarei eintraf, ließ der Mesner die Kirchenglocken läuten – klatschte in die Hände und rief: „Willkommen! Ihr habt es geschafft!“
Um drei Uhr morgens waren die Pilger, die sich aus der studentischen Jugendinitiative des Bischofs „Believe and Pray“ zusammengefunden hatten, vom Passauer Domplatz aus gestartet. „Die Frage war, was machen wir in der Sommerpause?“, erklärt der 22-jährige Áttila, „Schnell kam die Idee: eine Wallfahrt! Ort und Uhrzeit waren dann auch bald festgelegt. Auch wenn uns einige, als wir für den Termin warben, für verrückt erklärten und ungläubig den Kopf schüttelten: Wir waren sehr zuversichtlich, auf Google-Maps war der Fußweg mit etwa 5,5 Stunden veranschlagt.“
Los ging es unter klarem Himmel, vor den Toren der Kirche in Passau-Neustift setzte dann der erste Regen ein. Áttila hatte nachdenkliche Impulse geschrieben, die er an drei Stationen vortrug und denen dann jeweils ein gemeinsam gebeteter Rosenkranz folgte. Neben einem Schweigeabschnitt gab es auch viel Zeit für lockeres Kennenlernen, tiefsinnige Gespräche und sogar das ein oder andere Lied.
Die Gemeinschaft sei so schön, sagt Ngan, 36: „Das macht die nassen Füße und schmerzenden Waden wieder wett.“ Aus 5 Stunden wurden jedenfalls mehr, insgesamt gut acht Stunden wanderte die Gruppe auf Feldwegen, durch den Wald und entlang der Landstraße, wo ihnen berufstätige Frühaufsteher entgegenfuhren und erstaunt guckten. Mit zunehmender Helligkeit genossen die Wallfahrer die Natur, sprachen über das frische Grün zwischen den Bäumen, atmeten den Duft von geschnittenem Holz ein, sahen einem flüchtenden Reh hinterher oder bemerkten auch das tropfenbehangene Spinnennetz am Wegrand.
Ab Ortenburg wurden die ersten Teilnehmer müde, aber kleine Pausen, Scherze und Süßigkeiten belebten wieder die Geister und ließen regennasse Socken vergessen. Und als dann von Ferne endlich der Kirchturm von Sammarei aus den Feldern stach, beteten sie beschwingt den dritten Rosenkranz. „Wenn man zusammen während dem Gehen betet, vergeht die Zeit viel schneller“, sagte Stefan, 29, erstaunt nach dem letzten Amen. Er sei wegen der Gemeinschaft und wegen des Gebets mit auf die Wallfahrt gekommen. „Beides ist für mich Ausdruck meiner Freundschaft zu den Menschen hier und zu Jesus“, sagt er und lacht.
Auch Annika, 28, lächelt. „Ich wollte schon lange einmal nach Santiago oder Altötting pilgern“, sagt sie. „Beides hat nicht geklappt.“ Der Weg nach Sammarei sei ihre erste richtige Fußwallfahrt.
„Wallfahrt: Warum tun wir uns das an? Wir sind früh aufgestanden und durch den Regen gelaufen, haben schmerzende Füße und sind – am Ende unserer Kräfte – trotzdem erfüllt von Freude. Singend und dankbar sind wir in die Wallfahrtskirche eingezogen“, sagte Bischof Oster in einer kurzen Predigt, als die Gruppe umgeben von vielen Votivtafeln in der Holzkapelle innerhalb der Wallfahrtskirche unter dem Gnadenbild die Heilige Messe feierte. „Wir vertrauen, dass wir am Ziel ankommen – auch wenn es schwierig ist. Wir haben eine Richtung und ein Ziel, das im Gehen schon dabei ist und uns zieht“, fuhr er fort. Heutzutage seien nicht wenige der Meinung, dass sie erst nach der Leistung eine Belohnung, oder erst nach dem Schmerz Trost erhalten. „Als Christen dürfen wir aber die Erfahrung machen, dass sich schon mitten auf dem Weg, auch mitten in Mühsal, Leid und Plackerei, die Freude und der Trost einstellen können.“ Mit der Wallfahrt sei es demnach wie mit dem Leben: „Wir wissen uns unterwegs schon geheimnisvoll zuhause. Das heißt, unser Ziel ist schon Teil des Weges, den wir gehen – und zwar dadurch, dass wir Jesus Christus mit uns und in uns glauben können – und zugleich auf Ihn als unserem Ziel zugehen.“
Bilder und Text: Anna Hofmeister