2019 Dom Passau Architektur Gewoelbe Malerei Foto: Dionys Asenkerschbaumer

Architektur des Doms

Außen

Wäh­rend die Ost­par­tie, der Vie­rungs­turm und das Quer­schiff in ihrer spät­go­ti­schen äuße­ren Bau­ge­stalt wei­test­ge­hend erhal­ten blie­ben, wur­de die breit gela­ger­te West­fas­sa­de mit den zwei Tür­men kom­plett neu errich­tet. Die leicht vor­ge­zo­ge­ne und ange­schweif­te Gie­bel­fas­sa­de lässt den basi­li­ka­len Auf­bau des Lang­hau­ses von außen erah­nen. Die in wei­ßem Kalk lasier­te Fas­sa­de des Domes ist geprägt von zurück­hal­ten­dem Dekor aus Fest­ons, Blü­ten­schnü­ren, Engels­köp­fen und Masken.

1895 – 98 wur­den die bei­den West­tür­me unter der Lei­tung von Dom­bau­meis­ter Hein­rich von Schmidt erhöht. Die Tür­me, deren Abschluss fla­che Walm­dä­cher bil­de­ten, wur­den ergänzt mit kup­pel­ge­krön­ten okto­go­na­len Auf­bau­ten und Balustraden.

Innenraum

Im Gegen­satz zum Äuße­ren ist das Inne­re des Doms voll­stän­dig barockisiert.

Das hohe drei­schif­fi­ge Lang­haus zu sechs Jochen führt über die kur­zen Quer­ar­me des Kir­chen­baus hin zu einem poly­go­nal geschlos­se­nen Chor. Die bei­den nied­ri­ge­ren Sei­ten­schif­fe sind geprägt von den vier fla­chen Sei­ten­ka­pel­len zwi­schen ein­ge­zo­ge­nen Wand­pfei­lern. Je vier gro­ße baro­cke Altä­re sowie ein Sei­ten­por­tal befin­den sich im nörd­li­chen und im süd­li­chen Sei­ten­schiff. Ein Altar ist jeweils in den Querarmen.

Stuck

Der ers­te Ein­druck, den ein Besu­cher die­ser Kathe­dra­le erhält, ist maß­geb­lich von der rei­chen Stuck­de­ko­ra­ti­on geprägt. 

Das plas­ti­sche Volu­men und der über­stei­ger­te Aus­druck der Figu­ren fügen sich zusam­men mit den Fres­ken ein­drucks­voll in das Gesamt­ensem­ble der Archi­tek­tur ein und ant­wor­ten auf ihren gewal­ti­gen Maß­stab. Die Stuckie­rung bleibt dabei nicht nur Deko­ra­ti­on, son­dern ist Teil des iko­no­lo­gi­schen Pro­gramms – neben Laub- und Blü­ten­krän­zen, erblickt man skulp­tu­ral aus­ge­ar­bei­te­te Pro­phe­ten, wel­che mit Schrift­ta­feln auf die Inhal­te der Fres­ken ver­wei­sen, Engels­fi­gu­ren neh­men mit Spruch­bän­dern dar­auf Bezug.

Die Stuck­ar­beit im Dom St. Ste­phan ist wesent­li­cher Bestand­teil sei­ner baro­cken Neu­ge­stal­tung und zeugt von einem hohen künst­le­ri­schen Rang, der nur auf­grund der engen Zusam­men­ar­beit von Bau­meis­ter und Stu­cka­teur mög­lich war. Wäh­rend Car­lo Lura­go der bedeu­tends­te Ver­tre­ter der im 17. Jh. meist­be­schäf­tig­ten Comas­ken­fa­mi­lie in Böh­men war, war Gio­van­ni Bat­tis­ta Car­lo­ne Haupt eines Stu­cka­to­ren­krei­ses, der in Pas­sau zum ers­ten Mal kunst­his­to­risch greif­bar wur­de. Nach Voll­endung der Arbei­ten am Pas­sau­er Dom ent­fal­te­te die­ser Kreis eine rei­che Tätig­keit in Ost­bay­ern und Österreich.

Dass der Bau­herr Fürst­bi­schof Wen­zes­laus von Thun die­se bei­den gro­ßen Werk­statt-Gemein­schaf­ten zusam­men­führ­te, zeugt von Weit­blick. Denn die übli­che Pra­xis war es, dass der Bau­meis­ter auch die Hand­wer­ker bestimm­te oder mit­brach­te. Lura­go war jedoch nur für die Bau­aus­füh­rung beauf­tragt. Für die Aus­ge­stal­tung der Kathe­dra­le konn­te der Fürst­bi­schof — und sei­ne Nach­fol­ger- nach eige­ner Wahl Meis­ter verpflichten.

2019 Dom Passau Architektur Gewoelbe Malerei Foto: Dionys Asenkerschbaumer

Fresken

Car­po­fo­ro Ten­cal­la, der Schöp­fer der Fres­ken im Chor und im Mit­tel­schiff, genoss zu Leb­zei­ten bereits hohes Anse­hen. Rück­bli­ckend wird er sogar als Erneue­rer der Fres­ko­ma­le­rei nörd­lich der Alpen bezeich­net. Sti­lis­tisch ist Ten­cal­la in die küh­le aka­de­mi­sche Male­rei Ober­ita­li­ens ein­zu­ord­nen, Vor­bil­der sind aber auch in Rom und im Werk von Rubens zu suchen. Ein volks­tüm­li­cher Ein­schlag ist zudem unübersehbar.

Das Fres­ko im Chor zeigt das Mar­ty­ri­um des hei­li­gen Ste­pha­nus. Über der Stei­ni­gungs­sze­ne erstreckt sich die Visi­on des Hei­li­gen – ein sich öff­nen­der Him­mel mit Chris­tus und dem Hl. Geist.

Gott­va­ter wird im Bild der Vie­rungs­kup­pel dar­ge­stellt. Bei­de Fres­ken ste­hen in kom­po­si­to­ri­schem und inhalt­li­chem Zusam­men­hang. Es ermög­licht eine Zusam­men­schau bei­der Bil­der, die mit der archi­tek­to­ni­schen Raum­re­gie Lura­gos har­mo­niert und als ein Vor­stoß in Rich­tung des Baro­ck­il­lu­sio­nis­mus zu wer­ten ist.

Im Mit­tel­schiff zei­gen die Fres­ken in den fünf Jochen von West nach Ost den Tri­umph der Eucha­ris­tie, die Ver­trei­bung der Händ­ler aus dem Tem­pel, die Ablö­sung des alt­tes­ta­ment­li­chen Opfer­diens­tes durch die Eucha­ris­tie, eine Engels­glo­rie und schließ­lich den Tri­umph der katho­li­schen Kir­che sowie des Glau­bens. In den Zwi­ckel­bil­dern sind Kir­chen­vä­ter und Sibyl­len dargestellt.

Das iko­no­lo­gi­sche Pro­gramm der ein­zel­nen Joche erschließt sich in der ver­ti­ka­len Gesamt­schau von Haupt­fres­ko, Zwi­ckel­bil­der und Stuckfiguren.

Die vie­len klei­ne­ren Fres­ken­fel­der der bei­den Quer­ar­me und der Sei­ten­schif­fe sind inhalt­lich auf die jewei­li­gen Altä­re bezogen.

2019 Dom Passau Hochaltar Domkonzert Foto: Kehl / pbp

Hochaltar

1947 – 53 schuf der Münch­ner Aka­de­mie­pro­fes­sor Josef Hen­sel­mann einen neu­en Hoch­al­tar für den Dom St. Ste­phan. Er stellt, wie das Decken­fres­ko, die Stei­ni­gung und die Visi­on des hl. Ste­pha­nus dar. Auf einem hohen Sockel steht eine monu­men­ta­le Figu­ren­grup­pe aus Pap­pel­holz mit auf­ge­häm­mer­ten Sil­ber­belch. In der Mit­te ist der nach oben bli­cken­de Ste­pha­nus zu sehen, umringt von zwei Män­nern, die im Begriff sind, gro­ße Stei­ne zu wer­fen. Links davon steht als Zeu­ge des Gesche­hens Sau­lus, rechts ein Pha­ri­sä­er. Die Rea­lis­tik der Figu­ren ist durch eine unbe­stimmt-archai­sche Sti­li­sie­rung mit einer Ten­denz zur Ver­blo­ckung zurückgenommen.

Über die­ser Sze­ne­rie erhebt sich ein Kreuz mit Gott Vater, Sohn und Hl. Geist sowie als lie­gen­de Figu­ren Eccle­sia“ und Syn­ago­ge“.

Der von Hen­sel­mann geschaf­fe­ne Hoch­al­tar zählt zu den bedeu­tends­ten Wer­ken der deut­schen christ­li­chen Kunst des 20. Jahrhunderts.

Eben­falls ein Werk Hen­sel­manns ist der Zele­bra­ti­ons­al­tar aus Ruh­pol­din­ger Mar­mor. Er stammt aus dem Jahr 1961.

Altäre im Querschiff

Die bei­den Altä­re im Quer­schiff aus den Jah­ren 1684 – 1688 stam­men von Gio­van­ni Bat­tis­ta Car­lo­ne. Sie sind in Stuc­co­lus­tro aus­ge­führt und zei­gen als Altar­ge­mäl­de auf der Nord­sei­te die Him­mel­fahrt Mari­ens, wel­che Fran­ces­co Inno­zen­zo Tur­ria­ni zuge­schrie­ben wird, sowie auf der Süd­sei­te den hl. Valen­tin und das Mar­ty­ri­um des hl. Maxi­mi­li­an, geschaf­fen von dem Fla­men Frans de Neve.

Altäre in den Seitenschiffen

Die jeweils vier Altä­re in den Sei­ten­schif­fen stam­men wie­der­um von Gio­van­ni Bat­tis­ta Car­lo­ne und sei­ner Werk­statt. Die Auf­bau­ten bestehen aus Mar­mor bzw. Stoc­co­lus­tro, die Antepen­di­en wur­den in Sca­glio­la-Tech­nik hergestellt.

Die Gemäl­de der Sei­ten­al­tä­re neh­men im baro­cken Wie­der­auf­bau des Doms eine Son­der­stel­lung ein, da sie nicht von ita­lie­ni­schen, son­dern von deut­schen Künst­lers erschaf­fen wor­den. Sie geben Zeug­nis von der beacht­li­chen Qua­li­tät der deut­schen Male­rei des 17. Jahrhundets.

Im Nord­sei­ten­schiff zeigt – im Osten begin­nend – das ers­te Altar­bild die Bekeh­rung des Sau­lus und das Ober­bild den hei­li­gen Petrus als Büßer. Johann Micha­el Rott­mayr hat die­se Bil­der im Jahr 1693 erschaffen.

Das Altar­blatt des zwei­ten nörd­li­chen Sei­ten­al­tars, eben­so aus dem Jahr 1693, stammt von Johann Karl Res­ler von Resl­feld und stellt den hl. Mar­tin dar, als Almo­sen aus­tei­len­der Bischof. Das drit­te Altar­bild hat das The­ma der Anbe­tung der Hir­ten. Johann Andre­as Wolff hat es 1698 gemalt. Das aus dem Jahr 1695 stam­men­de vier­te Altar­bild im nörd­li­chen Sei­ten­schiff ist eben­falls Johann Micha­el Rott­mayr zuzu­schrei­ben und zeigt die Auf­fin­dung des hl. Sebas­ti­an durch die hl. Ire­ne nach sei­nem Martyrium.

Das süd­li­che Sei­ten­schiff beginnt im öst­li­chen Altar mit einem wei­te­ren Werk von Johann Micha­el Rott­mayr aus dem Jahr 1693​.Es stellt die Ent­haup­tung des hl. Johan­nes des Täu­fers dar. Auch im Ober­bild ist die­ser Hei­li­ge zu sehen. Der zwei­te süd­li­che Sei­ten­al­tar zeigt die mys­ti­sche Ver­lo­bung der hl. Katha­ri­na von Alex­an­dria im Bei­sein der hl. Mar­ga­re­ta. Das Gemäl­de wird Johann Karl Res­ler von Resl­feld zugeschrieben.

Johann Cas­par Sing erschuf 1697 das Altar­blatt des drit­ten Altars mit der Anbe­tung der Hei­li­gen Drei Köni­ge. Das letz­te Altar­bild im süd­li­chen Sei­ten­schiff aus dem Jahr 1694 stammt wie­der­um von Johann Micha­el Rott­mayr und ist dem Mar­ty­ri­um der hei­li­gen Agnes gewid­met. Das Ober­bild zeigt die hei­li­gen Doro­thea, Crys­ta und Callista.

In die Rei­he der Sei­ten­al­tä­re fügen sich beid­sei­tig jeweils im mitt­le­ren Joch die Sei­ten­por­ta­le ein. Sie neh­men die Glie­de­rungs- und Deko­ra­ti­ons­ele­men­te der Sei­ten­al­tä­re in einer neu­en Kom­po­si­ti­on auf. Die Por­ta­le sind Wer­ke des aus Como stam­men­den Meis­ters Andrea Sola­ri und wur­den 1692/93 erstellt.

2019 Dom Passau Geschichte Kanzel Detail Foto: Dionys Asenkerschbaumer

Kanzel

Die glanz- und matt­ver­gol­de­te Kan­zel der Pas­sau­er Kathe­dra­le ist um 1726 in Wien ent­stan­den und wur­de vom Tisch­ler Johann Georg Series auf­ge­stellt. Der Ent­wurf geht zurück auf den Wie­ner Hof­thea­tra­l­inge­nieur Anto­nio Beduz­zi; die Aus­füh­rung lag beim Hof­bild­hau­er Loren­zo Mat­ti­el­li bzw. sei­ner Werk­statt. Die Kan­zel ist ein her­vor­ra­gen­des Zeug­nis der Wie­ner Hofkunst. 

Am Kor­pus der Kan­zel sind die vier Evan­ge­lis­ten und ein Flach­re­li­ef einer thro­nen­den Frau­en­ge­stalt, die mit dem Opfer­lamm Chris­ti als Sinn­bild der sieg­rei­chen Kir­che Jesu Chris­ti ver­stan­den wer­den darf. Das Reli­ef an der Rück­wand zeigt den 12-jäh­ri­gen Jesus leh­rend im Tem­pel, links und rechts davon sind zwei alle­go­ri­sche weib­li­che Figu­ren mit Lei­dens­werk­zeu­gen und Kel­chen. Zwei Engels­fi­gu­ren sit­zen mit Geset­zes­ta­feln und Kreuz – Sym­bo­le für den Alten und den Neu­en Bund – auf dem Schalldeckel.

Neugestaltung des Innenraums durch die Gebrüder Hafner

In den Jah­ren 1972 – 80 erfolg­te eine grund­le­gen­de Reno­vie­rung des Innen­rau­mes mit moder­ner Gestal­tung des Chor­rau­mes. Maß­geb­lich waren in die­sen Pro­zess die Gebrü­der Leo­pold Haf­ner (Bild­hau­er) und Franz Haf­ner (Archi­tekt) invol­viert. Ihnen ist neben der Neu­ge­stal­tung des Chor­ge­stühls, des Chor­or­gel­ge­häu­ses, des Ambos sowie des Bischofs­throns auch die Über­ar­bei­tung der Pries­ter­sit­ze und die Gestal­tung einer Andachts­ecke mit Mari­en­ort unter der Empo­re zu verdanken.

Literatur

  • Möse­ne­der, Karl (Hg.): Der Dom in Pas­sau. Vom Barock zur Gegen­wart. Pas­sau 1995.
  • Dehio, Georg: Hand­buch der deut­schen Kunst­denk­mä­ler. Bay­ern II, Nie­der­bay­ern. Mün­chen 2008.
  • Hauck, Micha­el und Wurs­ter, Her­bert (Hgg.): Der Pas­sau­er Dom des Mit­tel­al­ters. Vor­trä­ge des Sym­po­si­ums Pas­sau, 12. Bis 14. März 2007. Pas­sau 2009.
  • Möse­ne­der, Karl: Der Dom zu Pas­sau. Vom Mit­tel­al­ter bis zur Gegen­wart. Regens­burg 2015.