Jugend

Mehr Medienkompetenz für Kinder und Jugendliche

Yvonne Haderer am 04.11.2019

News_2019_Diözesanrat_Digitalisierung-_-Müller-und-Wenzl Foto: Anton Gschrei

Der Sachausschuss Bildung und Erziehung des Diözesanrats im Bistum Passau hat die Thematik „Digitalisierung“ als eines seiner Schwerpunkte in der aktuellen Amtsperiode gewählt. In mehreren Veranstaltungen setzten sich die Teilnehmer des Sachausschusses mit der Situation und den Auswirkungen der Digitalisierung in Erziehung und Bildung auseinander. „Digitalisierung ist ein Faktum. Sie verändert unser Leben und das unserer Kinder und durchdringt auch die Schule“, stellte der Vorsitzende des Sachausschusses Anton Gschrei fest. Notwendig sei es daher, unsere Kinder und Jugendlichen bestmöglich zu begleiten.

Der ärzt­li­che Direk­tor der Kin­der­kli­nik in Pas­sau Prof. Dr. Mat­thi­as Kel­ler beschäf­tig­te sich in sei­nen Aus­füh­run­gen vor dem Sach­aus­schuss Bil­dung und Erzie­hung vor allem mit dem Ein­satz von digi­ta­len Medi­en bei Kin­dern unter 5 Jah­ren und wel­che Aus­wir­kun­gen ein sol­cher Ein­satz hat. Kel­ler beton­te, es sei wich­tig, erst ein­mal die Grund­satz­fra­ge zu stel­len: Wo wol­len wir hin? Was wol­len wir mit dem Ein­satz von Tablets und Smart­phones errei­chen? Was braucht die Gesell­schaft? Wel­che Per­sön­lich­keits­struk­tu­ren, die jetzt in unse­ren Kin­dern grund­ge­legt wer­den müs­sen, braucht unse­re Gesell­schaft zukünf­tig – für Kom­pe­tenz, Fach­lich­keit, Selbst­re­fle­xi­on, Ent­wick­lung von Pro­blem­lö­sungs­stra­te­gien, Demut, Nach­hal­tig­keit, Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz, Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit, Verantwortungsbewusstsein? 

Kel­ler warn­te vor dem Trug­schluss: Wenn wir spä­ter Men­schen brau­chen, die mit Ver­ant­wor­tung Medi­en steu­ern, brau­chen wir heu­te digi­ta­li­sier­te Kin­der.“ For­schun­gen und Beob­ach­tun­gen beleg­ten das Gegen­teil: Kin­der mit hoher Medi­en­nut­zung beweg­ten sich weni­ger, wer­den eher fett­lei­big, sind weni­ger kon­zen­triert. Es gebe kei­nen wis­sen­schaft­li­chen Grund für die Medi­en­nut­zung bei Klein­kin­dern. Tablets im Kin­der­gar­ten sei­en Blöd­sinn. Im Alter von 35 Jah­ren wer­den die Grund­la­gen im Gehirn gelegt für Denk­pro­zes­se, Wis­sens­er­werb, Asso­zia­ti­on, Sprach­ent­wick­lung, Abs­trak­ti­ons­ver­mö­gen. Kin­der müss­ten Erfah­run­gen machen. Begrif­fe wie spitz, scharf, heiß, kalt, …“ sei­en zunächst abs­trakt und müss­ten mit Erfah­run­gen ver­bun­den wer­den. Das was ich asso­zi­ie­re, muss vor­her erfah­ren und erlernt wer­den. Moto­risch gute Kin­der sind in der Schu­le bes­ser. Kin­der lern­ten durch Erfah­rung und Imi­ta­ti­on. Ler­nen brau­che Emo­ti­on und ein mensch­li­ches Gegen­über. Die frü­he und vor allem über­mä­ßi­ge Nut­zung von Medi­en bis zum Alter von 5 Jah­ren sei da kon­tra­pro­duk­tiv. Medi­en dürf­ten nie zur Beru­hi­gung von Kin­dern ein­ge­setzt werden. 

Auf­ga­be und obers­ter Auf­trag der Kita und des Kin­der­gar­tens sei es den Kin­dern Zuwen­dung zu geben und nicht die Medi­en­nut­zung. Wich­tig sei­en Für­sor­ge, Spie­len mit den Kin­dern, Umgang mit Emo­tio­nen ler­nen, Empa­thie zei­gen, Sozi­al­kom­pe­tenz ent­wi­ckeln. Die­ser Auf­trag ist für die Kita ähn­lich wie für das Eltern­haus. Nicht das Wischen auf dem Tablett för­de­re die Kin­der, son­dern das Schrei­ben mit der Hand. Kin­der brau­chen moto­ri­sche Schlei­fen, beton­te der Ärzt­li­che Direk­tor der Kin­der­kli­nik Prof. Mat­thi­as Kel­ler. Digi­ta­li­sie­rung sei nicht zu ler­nen, es müs­se gelernt wer­den mit der Digi­ta­li­sie­rung umzu­ge­hen. Die jet­zi­ge Eltern­ge­nera­ti­on sei mit der Situa­ti­on einer zuneh­mend digi­ta­li­sier­ten Welt kon­fron­tiert wor­den und habe es in der Mehr­heit nicht gelernt ver­ant­wor­tungs­voll damit umzu­ge­hen. Kin­der lern­ten am Bei­spiel und das, was sie bei ihren eige­nen Eltern erle­ben wür­den, sei oft­mals nicht hilf­reich zur Ent­wick­lung einer Medienkompetenz. 

Kin­der und Leh­rer müs­sen auch in der digi­ta­len Schu­le im Mit­tel­punkt stehen

KEG-Vor­sit­zen­der Erwin Mül­ler und BLLV-Vor­sit­zen­de Judith Wenzl setz­ten sich in einer wei­te­ren Ver­an­stal­tung kri­tisch mit der Ent­wick­lung der digi­ta­len Schu­le aus­ein­an­der. Digi­ta­li­sie­rung müs­se dem Men­schen die­nen, waren sich Wenzl und Mül­ler einig. Nach Ansicht des KEG-Vor­sit­zen­den Erwin Mül­ler ste­he für Chris­ten das Kind im Mit­tel­punkt. Es müs­se daher die Fra­ge lau­ten: Was braucht das Kind?“ Und aus christ­li­cher und päd­ago­gi­scher Sicht ist die Ant­wort klar. Kin­der brau­chen Ver­bun­den­heit und Sicher­heit. Kin­der wol­len Men­schen als Beglei­tung und kei­ne Tablets. Kei­ne App kön­ne den Men­schen erset­zen, stell­te Mül­ler fest. Eine Ant­wort auf die Digi­ta­li­sie­rung kön­ne die gel­be Schu­le“ sein, die an der Schu­le in Platt­ling umge­setzt wer­de. Dabei kom­me es vor allem auf die Hal­tung der Leh­rer an. Damit bei­spiels­wei­se digi­ta­le Medi­en posi­tiv wir­ken könn­ten, müss­ten die­se von per­sön­lich­keits­bil­den­den Maß­nah­men bei den Leh­rern beglei­tet sein. Eine gute digi­ta­le Aus­stat­tung von Schu­len sei wich­tig, aber die digi­ta­len Medi­en dürf­ten kei­nen Selbst­zweck haben, son­dern müss­ten den Erzie­hungs- und Bil­dungs­pro­zess unter­stüt­zen. Mül­ler beton­te auch die Bedeu­tung der Eltern für die Medienerziehung.

Die BLLV-Vor­sit­zen­de Judith Wenzl stell­te fest, dass die Digi­ta­li­sie­rung mitt­ler­wei­le alle Lebens­be­rei­che von der Tech­nik, der Wirt­schaft, der Kom­mu­ni­ka­ti­on und auch die Schu­le durch­drin­ge. Digi­ta­li­sie­rung sei grund­sätz­lich wert­frei, es kom­me aller­dings auf ihre Anwen­dung an. Die bis­he­ri­ge For­schung wei­se dar­auf hin, dass die digi­ta­len Pro­gram­me nicht per se eine höhe­re Bil­dungs­qua­li­tät bewirk­ten. Des­halb müss­ten die tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten dem päd­ago­gi­schen Kon­zept unter­ge­ord­net wer­den. Die der­zei­ti­gen digi­ta­len Lern­pro­gram­me sei­en von sehr unter­schied­li­cher Qua­li­tät. Es müs­se von Exper­ten ein Güte­sie­gel erar­bei­tet wer­den. Not­wen­dig sei eine ent­spre­chen­de Ein­bet­tung in ein päd­ago­gi­sches Kon­zept, for­der­te Judith Wenzl. Auch die Aus­bil­dung der Leh­rer sei in die­sem Bereich noch rudi­men­tär. Es rei­che nicht, Gerä­te und Soft­ware zur Ver­fü­gung zu stel­len, die Leh­rer müss­ten auch damit umge­hen kön­nen. In der beschleu­nig­ten digi­ta­len Zeit brau­che es eine Bil­dung für Herz, Kopf und Hand. Schon Kin­der­gar­ten­kin­der beherrsch­ten das Wischen am Han­dy, könn­ten aber nicht mit einer Sche­re umge­hen. Der BLLV lege daher gro­ßen Wert auf das Schrei­ben mit der Hand. Schrei­ben mit Hand, Stift und Papier för­de­re die kogni­ti­ve Ent­wick­lung des Kin­des. Ein wei­te­rer Aspekt, so Wenzl, sei die Medi­en- und Wer­te­er­zie­hung. Die meis­ten Kin­der und Jugend­li­chen beweg­ten sich bereits in der digi­ta­len Welt. Und die­se Welt ist nicht nur mit Chan­cen, son­dern auch mit Gefah­ren ver­bun­den. Es sei daher auch Auf­ga­be der Schu­le, sich mit den Jugend­li­chen über den ethi­schen Aspekt der Digi­ta­li­sie­rung aus­ein­an­der­zu­set­zen, stell­te die BLLV-Vor­sit­zen­de fest. Wich­tig sei hier eine enge Zusam­men­ar­beit mit den Eltern. 

In der Dis­kus­si­on zeig­te sich Über­ein­stim­mung, dass die För­de­rung der digi­ta­len Kom­pe­tenz wich­tig sei, aber vor allem die Per­sön­lich­keit des Kin­des im Mit­tel­punkt ste­hen müs­se. Der lei­ten­de Arzt des Sozi­al­päd­ia­tri­schen Zen­trums Dr. Chris­ti­an Schropp berich­te­te, dass der Medi­en­kon­sum, vor allem durch das Smart­phone zu Schlaf­man­gel, Kopf­schmer­zen und Auf­merk­sam­keits­stö­run­gen bei Kin­dern füh­re. Das Han­dy soll­te daher auf kei­nen Fall am Bett sein. Kin­der- und Jugend­arzt Dr. Peter Seidl stell­te fest, dass vie­le Eltern ver­un­si­chert sei­en. Vie­le Eltern haben kaum Medi­en­er­zie­hungs­kom­pe­tenz. Not­wen­dig sei daher eine Eltern­bil­dung. Die Fra­ge sei aller­dings, wie errei­che man sie? 

Rudi Lent­ner vom Reli­gi­ons­päd­ago­gi­schen Semi­nar erläu­ter­te, dass in der Leh­rer­aus­bil­dung der gute Unter­richt im Vor­der­grund ste­he. Das The­ma Kri­ti­scher Umgang mit den neu­en digi­ta­len Medi­en“ sei aller­dings noch aus­bau­fä­hig. Vie­le Semi­nar­lei­ter müss­ten sich selbst erst in die The­ma­tik ein­ar­bei­ten. Eine wich­ti­ge Säu­le in der Leh­rer­aus­bil­dung sei aller­dings die Leh­rer­per­sön­lich­keit. Für ihn sei es ein Ziel in der Leh­rer­aus­bil­dung dem Strom der Zer­streu­ung etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Dazu gehö­re, so Lent­ner, eine Spi­ri­tua­li­täts­di­dak­tik, die Acht­sam­keit schu­le und Stil­le ermög­li­che. Nach Ansicht von Erd­mu­te Fischer könn­te gera­de die Schul­pas­to­ral durch ver­schie­de­ne Gesprächs­an­ge­bo­te für Schü­ler eine ana­lo­ge Ergän­zung zu den digi­ta­len Medi­en dar­stel­len. Das anspruchs­vol­le Gespräch und der Aus­tausch über exis­ten­ti­el­le Lebens­fra­gen kön­ne auch der bes­te Com­pu­ter nicht erset­zen, sag­te die Refe­ren­tin für Schul­pas­to­ral Erd­mu­te Fischer. 

BLLV-Vor­sit­zen­de Judith Wenzl und KEG-Vor­sit­zen­der Erwin Mül­ler spra­chen sich über­ein­stim­mend gegen eine Ver­wei­ge­rung von Digi­ta­li­sie­rung aus. Aller­dings dür­fe es auch kei­ne unkri­ti­sche Über­nah­me jeder Neue­rung geben. Im Mit­tel­punkt müs­se die Per­son ste­hen, die Per­son des Schü­lers und die Per­son des Leh­rers. Wenzl und Mül­ler wünsch­ten eine enge­re gesell­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit von Kir­che, Eltern, Päd­ago­gen, Kin­der- und Jugend­ärz­ten, damit unse­re Kin­der nicht nur in künst­li­chen, vir­tu­el­len Wel­ten auf­wach­sen, son­dern zu sta­bi­len Per­sön­lich­kei­ten her­an­wach­sen können.

Text und Foto: Anton Gschrei

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