Das glauben wir

Linzer Bischof über den Märtyrer

Redaktion am 23.05.2022

Franz Jagerstatter wf Foto: Werner Friedenberger / Passauer Bistumsblatt

Franz Jägerstätter lebte Ende des 2. Weltkrieges im oberösterreichischen St. Radegund. Er folgte seinem Gewissen, verweigerte den Kriegsdienst und bezahlte dafür mit seinem Leben. Der Linzer Bischof Dr. Manfred Scheuer war diözesaner Postulator im Seligsprechungsprozess von Franz Jägerstätter. Im Interview erzählt er von dem Märtyrer.

Dem eige­nen Gewis­sen fol­gen
Franz Jäger­stät­ter — ein Glau­bens­zeu­ge für Heu­te? Der Lin­zer Bischof Dr. Man­fred Scheu­er gilt als Exper­te beim The­ma Franz Jäger­stet­ter, er war auch diö­ze­saner Pos­tu­la­tor im Selig­spre­chungs­pro­zess des Mär­ty­rers. Wir hat­ten Gele­gen­heit mit ihm zu spre­chen. (Ein geplan­ter Vor­trag von ihm im Haus der Begeg­nung Hei­lig Geist in Burg­hau­sen am 27. Mai muss­te laut Ver­an­stal­ter abge­sagt werden.)

Franz Jäger­stät­ter sah es als Gna­de an, den Weg des Gewis­sens kon­se­quent gehen zu kön­nen. Sei­ne Ent­schei­dung traf er aus einer inne­ren Bezie­hung zu Gott. 

Sehr geehr­ter Herr Bischof Scheu­er. Wie konn­te Franz Jäger­stät­ter die­sen ent­schie­de­nen Weg gehen?

Der Weg des Glau­bens bzw. der Weg zum Mar­ty­ri­um war bei Jäger­stät­ter nicht die Gera­de einer Auto­bahn. Er hat­te sei­ne Erfah­run­gen in glau­bens­fer­nen Milieus der Arbei­ter­schaft. Da wur­de ihm klar, dass die­se Wege im Hin­blick auf Sinn und Glück zu kurz grei­fen. Das schreibt er einem Paten­sohn 1932. – Eine kla­re Neu­ori­en­tie­rung bracht die Ehe mit Fran­zis­ka Schwa­nin­ger, die sicher zuerst die reli­gi­ös akti­ve­re war. Die Aus­rich­tung an der Hei­li­gen Schrift und das sakra­men­ta­le Leben – Jäger­stät­ter war als Mes­ner täg­lich bei der Mes­se – führ­ten ihm klar vor Augen, dass es einer Ent­schei­dung bedarf: Ent­we­der Katho­lik oder Natio­nal­so­zia­list. Ein Traum im Jah­re 1938 kurz vor dem Ein­marsch der Nazis mach­te ihm noch­mals deut­lich: Die­ser Zug – gemeint waren die Natio­nal­so­zia­lis­ten – fährt in die Höl­le, in den Abgrund.”

Franz Jäger­stät­ter erfuhr viel Anfein­dung und dadurch Ein­sam­keit – wobei er den Leu­ten im Grun­de einen Spie­gel vor­ge­hal­ten hat, oder?

Jäger­stät­ter war kein Bes­ser­wis­ser und auch nicht mora­lisch arro­gant. Er hat sich aus­ein­an­der­ge­setzt mit den Fra­gen der Fami­lie, mit dem Hei­mat­pfar­rer Karo­bath: der mein­te, Jäger­stät­ter hät­te sie immer geschla­gen mit Argu­men­ten aus der Bibel. Und er ist zum Kapi­tel­vi­kar, Weih­bi­schof Flie­ßer gegan­gen. Das Gespräch hat ihn trau­rig hin­ter­las­sen, weil er den Ein­druck hat­te, dass auch der Bischof Angst vor den Nazis hat. Ja: Franz Jäger­stät­ter ist der ein­sa­me Zeu­ge des Gewis­sens. Sei­ne Frau ist zu ihm gestan­den und hat ihn auch noch vor der Hin­rich­tung in Ber­lin Tegel besucht. Sein tie­fer Glau­be hat ihm die Men­schen­furcht genom­men, der Brief­kon­takt mit sei­ner Frau ist ein kost­ba­res Zeug­nis für ehe­li­che Lie­be und Treue.”

Glau­bens­kraft war auch sei­ner Frau gege­ben – sie hielt bestän­dig zu ihrem Mann, wobei ihr Los kein leich­tes war als Mut­ter und dann Wit­we?

Am 7. Hoch­zeits­tag schreibt Franz Jäger­stät­ter rück­bli­ckend aus dem Wehr­machts­un­ter­su­chungs­ge­fäng­nis in Linz an sei­ne Frau Fran­zis­ka über das Glück und die Gna­den, die an ein Wun­der gren­zen. Die Ehe ist für die Jäger­stät­ters ein Beweis der Lie­be Got­tes und auch ein Beweis für die Exis­tenz Got­tes. Bei­de Ehe­leu­te stär­ken sich wech­sel­sei­tig im Glau­ben. – Franz Jäger­stät­ter wur­de mit dem Vor­wurf kon­fron­tiert, dass er mit sei­ner Ent­schei­dung der Wehr­dienst­ver­wei­ge­rung sei­ne Frau ver­ra­ten und sei­ne Kin­der im Stich gelas­sen hat. Und Fran­zis­ka muss sich den Vor­wurf gefal­len las­sen, dass sie ver­ant­wort­lich für den Weg ihres Man­nes ist. Erst nach vie­len Jah­ren bekam sie öffent­li­che Unter­stüt­zung wie es bei den Krie­ger­wit­wen selbst­ver­ständ­lich war. Die Aner­ken­nung für Fran­zis­ka hat noch Jahr­zehn­te gedauert.”

Hier können Sie das Radiointerview in voller Länge anhören:

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Franz Jäger­stät­ter – kann er ein Vor­bild für heu­te sein? Was kann er uns in der heu­ti­gen Zeit sagen?

Jäger­stät­ter kann Weg­be­glei­ter und Ori­en­tie­rungs­hil­fe sein in schwie­ri­ger Zeit. Er ist es als Ver­trau­ter und Freund, als Vor­bild im Glau­ben, als Weg­be­rei­ter der Nach­fol­ge, als Anwalt des Gewis­sens, als Zeu­ge der Wahr­heit, als Gerech­ter in einer unge­rech­ten Zeit, als einer, der sich in die Opfer hin­ein­ge­fühlt hat in einer Gesell­schaft, die den Wil­len zur Macht und die Ver­ach­tung der Schwa­chen ver­götzt hat, als einer, der die Gabe zur Unter­schei­dung der Geis­ter hat­te. Hoff­nungs­trä­ger, Ori­en­tie­rungs­hil­fe, Zeu­ge und Vor­bild ist er in viel­fa­cher Hin­sicht, als gläu­bi­ger Mensch, als Mann des Gewis­sens, als Anwalt des Frie­dens und der Gewalt­frei­heit, als Ehe­mann und Fami­li­en­va­ter, als Zeitdiagnostiker.” 

Wel­che Bot­schaft sol­len die Gäs­te des Vor­trags mit nach Hau­se nehmen?

Zivil­cou­ra­ge ist nicht ange­bo­ren, son­dern muss erlernt wer­den. Und man muss etwas machen, um selbst kei­ne Schuld zu haben. Dazu brau­chen wir einen har­ten Geist und ein wei­ches Herz. Wir haben alle unse­re Maß­stä­be in uns selbst, nur suchen wir sie zu wenig.“ (Sophie Scholl)
Und: Es gibt noch eine ande­re Gerech­tig­keit. Die mensch­li­che Geschich­te ent­wi­ckelt sich nicht von selbst in Rich­tung einer grö­ße­ren Gerech­tig­keit. Die Bot­schaft Jesu vom Gericht Got­tes stellt in Aus­sicht, dass die Sehn­sucht des Men­schen nach einer letz­ten und end­gül­ti­gen Gerech­tig­keit kei­ne lee­re Hoff­nung bleibt. Dies ist eine Froh­bot­schaft ins­be­son­de­re für alle Benach­tei­lig­ten und An-Rand-Gedräng­ten, aber auch für jene, die sich für eine gerech­te­re Welt ein­set­zen und oft auf ver­lo­re­nem Pos­ten kämpfen.

Die Aus­ein­an­der­set­zung mit der NS-Zeit und den vie­len Opfern ist Ihnen ein beson­de­res Anlie­gen. Hier­zu haben Sie auch ein Buch ver­fasst. War­um ist ihnen das The­ma ein Her­zens­an­lie­gen?

Für alle Verges­senen seit Welt­zeit bist du der Geden­ken­de.“ So ist für das Juden­tum das Gedächt­nis zen­tral. Isra­el erfährt: ER, bei dem kei­ne Ver­gan­gen­heit ver­lo­ren ist, kann je gegen­wär­tig ange­ru­fen wer­den, und dies auch von dem­je­ni­gen, dem die eige­ne Ver­gan­gen­heit völ­lig fremd gewor­den ist. In die­sem Begeg­nen und Erin­nern fin­det Isra­el die Kon­ti­nui­tät sei­nes Lebens und die Iden­ti­tät sei­ner Geschich­te. Die Geschich­te des treu­en Got­tes wird in Ps 135,13 ange­spro­chen: Herr, dein Name währt ewig­lich und dein Gedächt­nis von Geschlecht zu Geschlecht.“ Gott – der Geden­ken­de ist der, der die Trüm­mer der Ver­gan­gen­heit zusam­men­fü­gen kann, der die Ver­lo­re­nen heim­holt, die Kaput­ten leben­dig macht, die Trä­nen trock­net, den Toten Hoff­nung gibt, die Lei­den der Geschich­te heilt, die Ver­ges­se­nen, die Opfer aufrichtet.”

Vie­len Dank für das Interview!

(Inter­view­text und Audio mit freund­li­cher Unter­stüt­zung der Pres­se­stel­le der Diö­ze­se Linz)

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