Bischof

HIRTENBRIEF zum 1. Fastensonntag 2019

Sarah Joas am 09.03.2019

2019_03_03_Hirtenbrief

Mit Christus zum Grund unserer Seele gehen

Lie­be Schwes­tern und Brü­der im Glauben!

Von dem däni­schen Phi­lo­so­phen Sören Kier­ke­gaard stammt ein tie­fes Wort, gleich­zei­tig ein Wort­spiel. Er schreibt über sich selbst: Ich wäre zugrun­de gegan­gen, wäre ich nicht zu Grun­de gegan­gen“. Das ers­te zugrun­de gehen“ meint Ster­ben, Ver­ge­hen, das zwei­te meint: zum eige­nen Grund gehen, in die Tie­fe gehen, in die Tie­fe des eige­nen Her­zens­grun­des. Also über­setzt etwa so: Ich hät­te ein elen­des Ende gehabt, wäre ich nicht mir selbst auf den Grund gegangen.

Vie­le von uns spü­ren viel­leicht ähn­lich wie Kier­ke­gaard: Wir alle haben eine inne­re Tie­fe – aber wir hal­ten uns oft an der inne­ren Ober­flä­che und mit ober­fläch­li­chen Din­gen auf. Wer von uns wäre nicht in der Ver­su­chung, sich täg­lich mit Medi­en­kon­sum zu bene­beln oder zum Bei­spiel mit ober­fläch­li­chem Gere­de. Oder gibt es nicht die Ver­su­chung zur Eitel­keit, zur Selbst­dar­stel­lung nach außen, auch wenn wir ahnen, dass es innen nicht immer so groß­ar­tig aus­sieht. Oder ver­fol­gen wir nicht manch­mal auch Zie­le, von denen wir ahnen, dass sie uns viel­leicht ober­fläch­lich befrie­di­gen, aber doch nicht in der Tie­fe des Her­zens. Das Stre­ben nach Macht, Reich­tum, Sicher­heit oder kör­per­li­chem Genuss kann einen sehr beschäf­ti­gen – bis dahin, dass wir Getrie­be­ne wer­den – ohne uns je wirk­lich auf den Grund zu kommen.

Am heu­ti­gen Evan­ge­li­um sehen wir auch, dass auf dem Weg zum eige­nen Grund nicht immer nur der Frie­den war­tet: Jesus fas­tet 40 Tage in der Wüs­te. Und die­se 40 Tage Jesu las­sen uns gleich an meh­re­re bibli­sche Ereig­nis­se erin­nern: Das Volk Isra­el etwa ist 40 Jah­re durch die Wüs­te gewan­dert – ehe es von Gott erzo­gen war, ehe es die Rei­fe und Tie­fe hat­te, ins gelob­te Land ein­zu­zie­hen. Oder Eli­jah, der Pro­phet, durch­wan­dert 40 Tage und Näch­te die Wüs­te, ehe er Got­tes Gegen­wart im lei­sen Wind­hauch wahr­neh­men kann. Auch Mose erlebt auf dem Berg Sinai eine Art Wüs­ten­zeit, ehe ihm Gott nach 40 Tagen die Zehn Gebo­te offen­bart. Vier­zig Tage Wüs­te ste­hen für Zei­ten der Rei­fung, der Erpro­bung, des inne­ren Rin­gens. Auch für mich: Glau­be ich, dass es auch in mir selbst den Schatz im Acker zu fin­den gibt, den inne­ren Reich­tum, die Begeg­nung mit dem leben­di­gen Gott – eine Begeg­nung, die in mir wirk­lich den Frie­den, die Freu­de, die Zufrie­den­heit her­vor­brin­gen kann? Eine Berüh­rung, die mein Leben dann auch zu einem Zeug­nis von Got­tes Gegen­wart wer­den lässt? Wir ahnen, dass auch wir in die­sen Zustand nicht ohne Kampf fin­den, nicht ohne die Übung des Ver­zichts, nicht ohne das Rin­gen um wirk­li­che inne­re Frei­heit und nicht ohne das Über­win­den von schlech­ten Abhängigkeiten.

Und das Schö­ne ist: Das Evan­ge­li­um von heu­te zeigt uns, dass Jesus selbst für uns und an unse­rer Sei­te die abgrün­digs­ten Ver­su­chun­gen durch­lebt hat. Der Teu­fel per­sön­lich stellt ihm in dra­ma­ti­scher Wei­se das ver­meint­lich Gro­ße vor Augen, dass Jesus selbst voll­brin­gen könn­te. Sich selbst den Hun­ger stil­len durch das eige­ne Wun­der und die eige­nen Kräf­te; sich selbst zum Mäch­tigs­ten machen, wenn ich die fal­sche Macht anbe­te; sich selbst in spek­ta­ku­lä­rer Show vom Tem­pel in Jeru­sa­lem zu stür­zen, um end­lich die Aner­ken­nung von sei­nem Volk zu bekom­men, die ihm zusteht. Alles aus eige­ner Macht tun, selbst­herr­lich, und dabei heim­lich dem Selbst­herr­lichs­ten von allen, dem größ­ten Blen­der von allen auf den Leim gehen – dem Teu­fel. Und wer von uns wäre je schon frei, sol­chen Ver­su­chun­gen zu widerstehen.

Aber Jesus geht vol­ler Sou­ve­rä­ni­tät den ande­ren Weg. Er geht den Weg, den Gott, der Vater ihm weist; den Weg des Ver­trau­ens auf das Wir­ken des Vaters auch in der aller­tiefs­ten Nacht bis ans Kreuz. Jesus ist daheim, inner­lich immer daheim beim Vater. Es gibt kei­nen Moment, in dem er nicht aus die­sem inne­ren Grund leben wür­de; aus der Gemein­schaft mit dem Vater, der ihm alles gibt; der ihm Leben schenkt, und Frei­heit, und Frie­den – und zuletzt den Sieg über den Tod. Jesus geht die­sen Weg für uns, damit auch wir kei­ne Angst haben müs­sen vor den Wüs­ten­zei­ten unse­res Lebens. Wir dür­fen ler­nen, mit ihm voll Ver­trau­en hin­durch­zu­ge­hen, mit ihm zu kämp­fen, mit ihm den klei­ne­ren und grö­ße­ren Ver­su­chun­gen zu wider­ste­hen, die uns an der Ober­flä­che gefan­gen halten.

Lie­be Schwes­tern und Brüder,

wir leben in einer Zeit der gro­ßen Ver­än­de­run­gen in der Gesell­schaft und in der Kir­che. Ich glau­be, es sind Wüs­ten­zei­ten, also auch Zei­ten der Ver­su­chung, aber auch Zei­ten, die uns zugleich in mehr Tie­fe und grö­ße­res Ver­trau­en auf den Herrn füh­ren kön­nen. Wir begeg­nen als Ein­zel­ne und als Gemein­schaft immer wie­der den gro­ßen Fra­gen: Was ist uns wirk­lich wich­tig? Was macht den ech­ten Sinn mei­nes Lebens aus? Wovon las­se ich mich gefan­gen neh­men – und an der Ober­flä­che hal­ten? Was ist uns heu­te als Kir­che, als Pfar­rei oder kirch­li­che Gemein­schaft wirk­lich wich­tig? War­um tun wir uns oft schwer, mit Jesus zum Grund unse­res Lebens zu gehen, den inne­ren Kampf auf­zu­neh­men, gegen Abhän­gig­kei­ten, schlech­te Ange­wohn­hei­ten, gegen Sün­de und all­zu ober­fläch­li­ches Leben? Und war­um schüt­zen wir uns oft so sehr vor wirk­li­cher Hin­ga­be, wirk­li­chem Dienst am ande­ren? Sicher auch, weil unse­re Zeit so voll ist von schil­lern­den Mög­lich­kei­ten, von Ver­hei­ßun­gen und Ver­spre­chen, die so oft nicht hal­ten, was sie uns vor­gau­keln. Sicher auch, weil eben vie­le der Kir­che und dem Glau­ben schon den Rücken gekehrt haben, weil sie uns nicht mehr glau­ben – oft aus gutem Grund.

Aber ich möch­te Ihnen heu­te aus vol­ler Über­zeu­gung ver­si­chern: Der Herr ist da – wir gehen durch die Prü­fungs­zei­ten und Wüs­ten unse­res Lebens und unse­rer Kir­che nicht allei­ne. Wir sind und blei­ben beglei­tet von dem, der das Uni­ver­sum in der Hand hält, der die Kir­che in der Hand hält – und jeden ein­zel­nen von uns. Aber er wohnt am Grund unse­res Her­zens und auch wir gehen zugrun­de, wenn wir nicht immer wie­der zu die­sem Grund gehen.

Ich möch­te Sie ein­la­den, in den kom­men­den Wochen des Zuge­hens auf Ostern, bewusst Wüs­ten­zei­ten ein­zu­le­gen; Zei­ten, Tage, die Sie sich mit Jesus neh­men und für ihn, mit ehr­li­chem Gebet, mit Stil­le, mit dem Lesen der Schrift. Und Zei­ten und Tage, in denen Sie auf Nah­rung ver­zich­ten, um zu spü­ren, dass sie nicht vom Brot allein leben, son­dern von sei­ner Gegen­wart. Und Zei­ten, in denen Sie sich bewusst in den Dienst stel­len – am armen Men­schen, oder in den Dienst an unse­rer kran­ken Schöp­fung. Scheu­en Sie sich nicht, auch ein­mal einen durch­aus radi­ka­le­ren, ernst­haf­ten Schritt zu machen. Einen Schritt des bewuss­ten Ver­zichts, und nicht einen Selbst­be­trug in der Art, zwar kein Fleisch, dafür aber den bes­se­ren Fisch zu essen. Viel­leicht machen Sie mal eine Spen­de, die Ihnen wirk­lich weh tut – um des Herrn wil­len. Oder viel­leicht ver­brin­gen Sie Zeit mit einem ein­sa­men Men­schen, der Sie aber eigent­lich nervt – aber Sie tun es um Jesu wil­len. Und schau­en Sie ehr­lich in Ihr Leben, was Sie hin­dert, wirk­lich auf Gott zu ver­trau­en, schau­en Sie auf Ihre Ver­su­chun­gen und brin­gen Sie sie wie­der ein­mal in die Beich­te, das Sakra­ment unse­rer Rück­kehr zum Gott des Lebens. Len­ken Sie Ihren Blick aber auch auf dar­auf, wo Sie schon gut unter­wegs sind – auf Gott hin; auf all das, wofür Sie dank­bar sein dür­fen, beson­ders für Ihren Glau­ben, Ihre Lie­be und Ihre Sehn­sucht. Unse­re geist­li­che Tra­di­ti­on hat immer gewusst, dass wir beson­de­re Zei­ten brau­chen, auch Zei­ten des Ver­zichts, um in die Tie­fe zu fin­den – damit die Gna­de, die uns an Ostern geschenkt wird – auch spür­bar wird. Als Freu­de an der Auf­er­ste­hung des­sen, der gesiegt hat über jede Ver­su­chung und über den Tod – und der uns teil­ha­ben las­sen will an sei­ner Freu­de und sei­nem Frie­den. Gott seg­ne Sie alle auf die­sem Weg.

Pas­sau, 1. Fas­ten­sonn­tag 2019
Dr. Ste­fan Oster SDB
Bischof von Passau

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