
Schon nach der Weltpremiere im Mai war klar: Der Film „Verteidiger des Glaubens“ wird für Kontroversen sorgen. Nun kommt die Dokumentation über Joseph Ratzinger ins Kino. Der Chefredakteur des Passauer Bistumsblatts Wolfgang Krinninger sprach mit dem Leiter des Papst-Geburtshauses, Dr. Franz Haringer, über den Film.
Der britisch-deutsche Regisseur Christoph Röhl hat einen Dokumentarfilm gedreht über das Leben und Denken des deutschen Theologen Joseph Ratzinger, der als Chef der Glaubenskongregation und später als Papst Benedikt XVI. drei Jahrzehnte lang den Kurs der katholischen Kirche bestimmte. Der Regisseur hat in fünfjähriger Arbeit eine weit ausgreifende Erzählung geschmiedet. Hauptthese: Als eines der letzten absolut monarchisch verfassten organisatorischen Gebilde dieses Planeten ist die katholische Kirche an ihr Ende gekommen, zumindest in ihrer bisherigen Gestalt. Im innerkirchlichen Richtungsstreit ergreift der atheistisch erzogene 52-jährige Regisseur Partei für die Reformer. Sein stärkstes Argument ist der Anspruch der Missbrauchsopfer auf Wahrheit und Gerechtigkeit. Joseph Ratzinger zeichnet Christoph Röhl als tragische Figur.
Das Bistumsblatt sprach mit Pfarrer Dr. Franz Haringer über den Film. Der Leiter des Papstgeburtshauses in Marktl hatte vor dem offiziellen Start Gelegenheit, „Verteidiger des Glaubens“ zu sehen.
Herr Dr. Haringer, wie gut kennen Sie Papst em. Benedikt XVI.?
Haringer: Ich kenne sehr viel von seinen Texten, habe sehr viel von ihm und über ihn gelesen. Ich bilde mir schon ein, dass ich seine Theologie und sein Wirken gut kenne.
Wie haben Sie den Film „Verteidiger des Glaubens“ wahrgenommen?
Haringer: Zwiespältig. Da ist zum einen der lange Mittelteil, wo der Film das Problem Missbrauch aufgreift. Was war in den USA, bei den Domspatzen, bei den Legionären Christi? Das sind bittere Geschichten aus den letzten Jahren und Jahrzehnten. Das wird dargestellt, auch mit Interviews. Das Thema darf man nicht vergessen, das muss man anpacken. Aber was aus meiner Sicht wirklich unfair ist: Das Ganze wird gerahmt mit biographischen Erzählungen über die Kindheit, Jugend und das Wirken Joseph Ratzingers. Und am Schluss kommt dann heraus: Ja, da glaubt halt einer ganz fest und da hat einer im Glauben Geborgenheit gefunden – und so jemand wird automatisch wirklichkeitsfremd; jemand, der einen festen Glauben hat, wird immer den Schutz der Institution Kirche höher halten als den Schutz der Opfer. Und das ist für mich wirklich dreist als Schlussfolgerung. Der Regisseur sagt selber, er sei Atheist. Er sagt selber, er hätte das Thema Missbrauch in der Kirche viel weiter fassen können, aber er hat sich ganz bewusst diesen einen Mann herausgenommen. Der habe die Kirche in die größte Krise geführt. Das ist ein tragischer Held. Mit der Einstellung geht er an das Thema heran. Da merkt man die Absicht.
Benedikt-Biograph Peter Seewald kritisierte, der Film sei „manipulativ“. Haben Sie das auch so empfunden?
Haringer: Da gibt es schon Schnitte, die einfach böse sind. Oder manipulativ.
Ein anderer Kritikpunkt ist, dass die positiven Seiten, die klugen Texte, alles was Ratzinger als Theologe geleistet hat, überhaupt keinen Einzug in den Film gefunden haben?
Haringer: Das stimmt. Es geht überhaupt nicht um das Denken von Joseph Ratzinger, um seine Theologie, um das, was er an wertvollen, bleibenden Sachen hinterlassen hat. Er wird reduziert auf den Unfähigen beim Thema Missbrauch. Es ist keine Biographie eines Theologen oder Papstes. Da wird man der Lebensleistung nicht gerecht.
Hat Ihnen etwas am Film gefallen?
Haringer: Dass das Thema Missbrauch überhaupt behandelt wird und dass Opfer zu Wort kommen. Das ist wichtig und darf nie zu kurz kommen. Auch muss man dem Regisseur zu Gute halten, dass er weltweit recherchiert hat. Der Film vermittelt schon: Glaube stiftet Geborgenheit und Sinn. Aber die Schlussfolgerung ist halt: Wer so im Glauben geborgen ist, ist unfähig die Wirklichkeit zu erkennen. Und das ist unseriös.
Welche Wirkung wird der Film in der Öffentlichkeit haben?
Haringer: Er läuft zunächst vor allem in Programmkinos. Aber nachdem er von ZDF und 3SAT gefördert wurde, wird er auch irgendwann im Fernsehen laufen. Wer sein Bild schon hat, von der Kirche, vom Glauben, von Joseph Ratzinger, der wird bestätigt.
Andererseits: Wer mit offenen Augen hinschaut und eine gewisse journalistische Fairness mitbringt, der wird schon merken, dass hier von Anfang an klar war, dass da einer als Alleinverantwortlicher hingestellt werden sollte. Und so ist es sicher nicht, dass ein einzelner Mensch für den ganzen Schlamassel der Kirche verantwortlich ist. Ich hoffe einfach, dass die Leute beim Anschauen das Denken nicht einstellen.
Das Interview führte Wolfgang Krinninger, Chefredakteur des Passauer Bistumsblatts.