Kirche und Missbrauch: Seit zwölf Jahren beschwören die Verantwortlichen, den Opfern nicht nur zuzuhören, sondern ihnen nach Kräften zu helfen, die Folgen des Leids zu verarbeiten – auch durch finanzielle Entschädigungen. Für Rolf Fahnenbruck, ein Missbrauchsopfer, sind das vielfach nur blumige Worte.
Rolf Fahnenbruck ist reich, denn: er empfindet weder Hass, Wut noch Zorn auf seinen Peiniger, einen katholischen Priester, der ihn im Kindesalter im Bistum Essen übelst missbrauchte. Siehe gegenüberliegende Seite „Ich wurde zum Spielzeug!“.
Und weil er sich durch all das Geschehene nicht aus dem inneren Gleichgewicht bringen lasse, habe der Täter heute keine Macht mehr über ihn. Es dauerte lange, sehr lange, um über das Unsagbare zu reden. 46 Jahre konnte Rolf Fahnenbruck nicht darüber sprechen, nicht einmal mit seiner Ehefrau. Jetzt kann er es. „Wenn man das nicht macht, bleibt man ein Leben lang mit dem Täter verheiratet.“
Glasklar seine Einstellung: „Ich kann nicht vergeben. Vergeben muss Gott.“ Aber: „Ich kann verstehen, und weil ich verstehe, verspüre ich keine Rachegedanken.“ Die würden eh nicht mehr helfen, weil der Verbrecher bereits unter der Erde liege. Wie er denn, sollte tatsächlich so eine Frage auftauchen, antworten würde, ob der Täter ausgegraben und an einem unbekannten Platz verscharrt werden solle? „Nein, auf so etwas lege ich keinen Wert. Der Unmensch, der mich über Jahre vergewaltigt hat, muss sich vor dem obersten Richter verantworten.“
Auch wenn es nachvollziehbar wäre: Gott und der Kirche hat Rolf Fahnenbruck nicht den Rücken gekehrt: „Meinen Glauben an Gott habe ich nie verloren. Die Kirche und die in ihr lebenden, glaubenden Menschen waren mir immer eine Stütze.“
Unheil statt Heil. Das hatte Rolf Fahnenbruck durch einen grausamen Menschen über Jahre erlitten, Folter an Körper und Seele. Außer Frage steht: Wenn im Rahmen der Institution Kirche Verbrechen passieren, die das Leben von Menschen zerstören, dann wird mit Füßen getreten, wofür sie eigentlich steht. Einen tieferen Widerspruch kann man sich nicht vorstellen. Rolf Fahnenbruck äußert sich über das Thema „Kirche und Missbrauch“ in dieser Ausgabe des Bistumsblattes nicht als Sprecher des Betroffenenbeirates der Diözese Passau, sondern als Missbrauchsopfer während der Zeit seiner Kindheit im Ruhrgebiet.