Der Jugendhilfetag 2019 der Caritas Passau stand ganz im Zeichen des Phänomens „Systemsprenger“ – Nach der Präsentation des aktuellen Kinofilms „Systemsprenger“ im ProLi Kino Passau hat Pater Franz-Ulrich Otto SDB von seiner Arbeit mit „Systemsprenger“ berichtet.
„Systemsprenger“ sind ein Zeichen unserer heutigen Gesellschaft. So bezeichnet werden „haltlose“ Kinder und Jugendliche, die auf der Suche nach Liebe, Anerkennung und Geborgenheit ein äußerst auffälliges Verhalten aufweisen, oft mit Wutanfällen und Aggressionen. Dieser hochaktuellen Problematik hat der Diözesan-Caritasverband Passau seinen Jugendhilfetag 2019 gewidmet. Organisiert wurde er von der AGkE Passau (Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen), allen voran Vorstandsvorsitzender Johannes Erbertseder, Aloisia Rothenwührer, Tanja Stich und Geschäftsführerin Erika Paul.
Tatsächlich könnte das Thema „Systemsprenger“ nicht aktueller sein. Seit 19. September läuft der Film von Nora Fingscheidt mit eben diesem Titel in den deutschen Kinos, der das Leben der „Systemsprengerin“ Benni darstellt. Im ProLi Kino Passau wurde dieser Film im Rahmen des Jugendhilfetags am 16. Oktober gezeigt, als Arbeits‑, Diskussions- und Vortragsgrundlage. Als Referent eingeladen war der Salesianerpater Franz-Ulrich Otto SDB. Er arbeitet seit Jahren im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf im Don Bosco Zentrum in der Jugendsozialarbeit. In seinem Vortrag hat er von seiner Arbeit mit „Systemsprenger“ berichtet. Seine zentrale Botschaft: Nicht die Kinder/Jugendlichen sind es, die sich ändern müssen, sondern das gesellschaftliche System. Der „Fehler im System“ sei Ursache dieses Phänomens.
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Bischof Stefan Oster SDB zeigte sich beeindruckt von dem Erfahrungsbericht seines Mitbruders Pater Otto. Als Jugendbischof in Deutschland kommt er oft mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Die jungen Gläubigen liegen ihm sehr am Herzen. Er betonte: „Es ist tatsächlich auch eine Systemfragen an die Gesellschaft, auch an uns als Kirche: Wie gehen wir mit solchen jungen Menschen um und wie helfen wir ihnen, im guten Sinn Mensch zu werden?“
Über „Systemsprenger“ im Bistum Passau berichten konnte Johannes Erbertseder vom Seraphischen Liebeswerk (SLW) Altötting. Das Kinderhilfswerk der Kapuziner kümmert sich um junge Menschen, die eine besondere Betreuung und Förderung, aus welchen Ursachen auch immer, brauchen. Der Schwerpunkt liegt in der Jugendhilfe. „Systemsprenger“, eigentlich ein Großstadt-Phänomen, sind inzwischen auch in ländlichen Regionen gar nicht so selten, erklärt er: „Dieses Phänomen wird sich zeitverzögert auch in der Diözese Passau, so ist leider zu befürchten, ausbreiten.“
Zum Film „Systemsprenger“
SYSTEMSPRENGER lief im Wettbewerb der 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin und wurde dort mit dem Silbernen Bären / Alfred‐Bauer‐Preis ausgezeichnet. Zudem erhielt das Drama vier Preise beim 29. Filmkunstfest Mecklenburg‐Vorpommern, darunter den Hauptpreis „Fliegender Ochse“. Nora Fingscheidt schrieb nach langer, sorgfältiger Recherche über einen Zeitraum von vier Jahren das Drehbuch zu SYSTEMSPRENGER und wurde dafür mit dem Emder Drehbuchpreis 2016, dem Berlinale Kompagnon‐Förderpreis und dem Thomas‐ Strittmatter‐Drehbuchpreis 2017 ausgezeichnet. Sie ist Absolventin der Filmakademie Baden‐Württemberg. In ihrem ersten Kinospielfilm erzählt die Regisseurin die Geschichte der neunjährigen Benni, die auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit ihre Mitmenschen zur Verzweiflung treibt. Helena Zengel überzeugt als Benni – zusammen mit einem großartigen Ensemble, darunter Albrecht Schuch, Lisa Hagmeister und Gabriela Maria Schmeide.
Kurzinhalt
Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal, wo Benni hinkommt, sie fliegt sofort wieder raus. Die wilde Neunjährige ist das, was man im Jugendamt einen „Systemsprenger“ nennt. Dabei will Benni nur eines: Liebe, Geborgenheit und wieder bei ihrer Mutter wohnen! Doch Bianca hat Angst vor ihrer unberechenbaren Tochter. Als es keinen Platz mehr für Benni zu geben scheint und keine Lösung mehr in Sicht ist, versucht der Anti‐Gewalttrainer Micha, sie aus der Spirale von Wut und Aggression zu befreien.