Am Karfreitag versammelten sich zahlreiche Gläubige um 15 Uhr im Dom, um dem Leiden und Sterben Jesu zu gedenken. Gemeinsam wurde zuerst ein Wortgottesdienst gefeiert, und im Anschluss daran wurde die Passionsgeschichte gehört, ehe das Kreuz enthüllt wurde und die Gläubigen das Kreuz verehrten.
Der Mensch hat von Gott Freiheit geschenkt bekommen, auch „in diesem paradiesischen Garten zu wirken. Der Mensch ist frei, und an dieser Freiheit setzt das große Problem an“, so Oster. Denn es gibt diese „eigenartige, geistige Wesenheit“, die in der Schöpfungsgeschichte als Schlange dargestellt wird oder in der Schrift immer wieder als „der Durcheinanderwerfer, der Satan, der Ankläger oder auch der Lügner“ auftaucht. Dieses Wesen kommt den Menschen des Paradieses nahe und führt sie in Versuchung, die Grenzen dieser Freiheit zu überschreiten. „Ist Gott so gut, wenn er dir das Eigentliche nicht gönnt, dass du selbst über Gut und Böse für dich entscheiden darfst?“, fragt die Schlange. Der Mensch lässt sich verführen und die Schrift erzählt, dass der Mensch von da an ein ganz anderer ist. „Mit allen Ambivalenzen, die wir kennen. Wunderbar geschaffen und auf das Große ausgerichtet auf der einen Seite. Und gleichzeitig schafft er überall auf der Welt Elend, Leid, Lüge, Hass und Mord und Totschlag, Krieg, Bitterkeit und Eifersucht.
„Der Mensch ist eine Tragödie.”
Bischof Stefan nannte den Gläubigen Beispiele, wie die von Gott geschenkte Freiheit verstanden werden kann. „Liebe und dann tu, was du willst“, sagte der Heilige Augustinus 400 Jahre nach Christus quasi „als ein Grundgesetz christlichen Handelns.“ Als Bischof sei er selbst jemand, der Menschen im Beruf gerne Verantwortung übergibt und lässt. Weil er auf seine Mitarbeitenden vertraue. „Wenn die Atmosphäre in einem Team, das beruflich miteinander unterwegs ist, stimmt, dann geht man gerne hin und man tut in Freiheit und guter Qualität seine Arbeit.“ Wenn jedoch jemand dabei ist, der diese Freiheit für sich ausnutzt, sich da und dort Vorteile herausnimmt oder die anderen seine Arbeit tun lässt, dann entstehen Misstrauen und Missgunst. „Dann bin ich als Leiter verpflichtet, zu handeln und zu sanktionieren.“ Man fällt aus der Freiheit des guten Miteinanders heraus, und der, der leitet, wird wahrgenommen als jemand, der kontrolliert oder womöglich sogar bestraft. So sei auch der Mensch aus der ursprünglichen Vertrauensbeziehung zu Gott herausgefallen, „mit der dramatischen Konsequenz, dass er sich vom geistigen Leben abgeschnitten hat und jetzt nur noch sein biologisches Leben hat und er totgeweiht ist“.
Die Sucht nach Macht, nach Anerkennung, nach egozentrischem Festhalten an dieser Welt, nach Glück, das bringe uns alles nicht nach Hause. „Jesus will uns zu verstehen geben, dass der, der uns geschaffen hat, wirklich ein Vater ist. Und dass er – Jesus — uns nach Hause führen will.“ Er hat alles auf sich genommen, verschlungen und verwandelt, damit alles, was uns versklaven, uns mit Schmerz und Leid bedrohen will und was uns hindert zu lieben, nie mehr das letzte Wort hat, betonte Bischof Stefan. Die Schrift und die Zeugnisse der großen Glaubenden zeigen: wenn wir immer wieder aufstehen und bei ihm bleiben, dann werde „der andere und das andere in uns nie gewinnen. Dann leben wir mit ihm immer im Sieg. Wir müssen die Karfreitage unseres Lebens aushalten, und wir gehen dem ganz großen Frieden entgegen.“
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst und insbesondere der Vortrag der Passionsgeschichte vom Vokalensemble Cappella Cathedralis unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Unterguggenberger.