Soziales

Online-Vortrag: „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“

Redaktion am 22.03.2021

März21 altersvorsorge2

Es tut sich was, doch die Mühlen mahlen langsam: In diesem Jahr fand in Deutschland der „Equal Pay Day“, also der Tag, bis zu dem Frauen länger arbeiten müssen, um auf das gleiche Gehalt zu kommen, das Männer bereits am Ende des Vorjahres erhalten, am 10. März und damit eine Woche früher als im vergangenen Jahr statt.

Das ist zwar grund­sätz­lich erfreu­lich – doch trotz­dem skan­da­lös. Frau­en wer­den immer noch unge­recht­fer­tig­ter­wei­se zu gering und gerin­ger als Män­ner bezahlt“, sagt Tan­ja Kem­per, Bil­dungs­re­fe­ren­tin beim Katho­li­schen Deut­schen Frau­en­bund (KDFB) in der Diö­ze­se Passau.

Doch die Loh­nun­ge­rech­tig­keit ist nur einer von vie­len Miss­stän­den beim The­ma Frau­en und Geld“. Auf wei­te­re Aspek­te hat der KDFB im Rah­men eines Online-Vor­trags mit Hel­ma Sick, einer renom­mier­ten Finanz­ex­per­tin für Frau­en, auf­merk­sam gemacht. Auf Grund­la­ge ihres Buchs Ein Mann ist kei­ne Alters­vor­sor­ge“ beleuch­te­te sie Pro­blem­fel­der, nann­te zahl­rei­che Bei­spie­le und gab den Frau­en wert­vol­le Tipps an die Hand, wie sie ihre finan­zi­el­le Unab­hän­gig­keit bewah­ren kön­nen. Ein­gangs stell­te Hel­ma Sick fest, dass Frau­en heu­te so gut aus­ge­bil­det sei­en wie nie zuvor und im Prin­zip alles wer­den könn­ten. Trotz aller Fort­schrit­te wäh­len immer noch viel zu vie­le die­ser jun­gen und gut aus­ge­bil­de­ten Frau­en frei­wil­lig ein Leben wie ihre Mut­ter oder Groß­mutter – ein Leben als Ehe­frau und Mut­ter mit einem gut­ver­die­nen­den Mann“, so Sick. Doch was der Ver­zicht auf bezahl­te Arbeit spä­ter kos­ten kann – dar­über wür­den sich die Frau­en zu weni­ge Gedan­ken machen. Offen­bar sehen vie­le die Ehe immer noch als aus­rei­chen­de Alters­vor­sor­ge­mo­dell an, trotz hoher Schei­dungs­zah­len und des geän­der­ten Unter­halts­rechts.“ Dass auf alte Rol­len­bil­der zurück­ge­grif­fen wird, die ein­fach nicht mehr der Zeit ent­spre­chen, fin­det Hel­ma Sick sehr bedenk­lich. Eben­so pran­ger­te sie staat­li­che För­de­run­gen“ an, denen aus­schließ­lich das Lebens­mo­dell der Ehe zu Grund liegt, wie unter ande­rem das Ehe­gat­ten-Split­ting, das die Rol­le des Bes­ser­ver­die­nen­den – meist des Man­nes – stärkt und für Frau­en Nach­tei­le bringt. Auch Mini­jobs sind laut Sick kei­ne adäqua­te Lösung für Frau­en, berufs­tä­tig zu blei­ben. Wer 15 Jah­re zusam­men mit dem Arbeit­ge­ber über Mini­jobs in die gesetz­li­che Ren­te ein­zahlt, schafft sich viel­leicht eine Ren­te von gera­de ein­mal 70 Euro im Monat. Zudem lau­fen Frau­en Gefahr, ihre beruf­li­chen Kom­pe­ten­zen zu ver­lie­ren.“ Die Refe­ren­tin warn­te ein­dring­lich vor der rea­len Gefahr der Alters­ar­mut, die ins­be­son­de­re Frau­en hart tref­fen kann. Alters­ar­mut von Frau­en ist aber kein Natur­ge­setz, son­dern die Fol­ge von dem jahr­zehn­te­lan­gen Zusam­men­wir­ken dis­kri­mi­nie­ren­den Fak­to­ren. Dazu gehört unter ande­rem, dass Frau­en oft weni­ger ver­die­nen als Män­ner, vie­le so genann­te Frau­en­be­ru­fe‘ schlech­ter bezahlt sind und Frau­en dadurch auch weni­ger in die gesetz­li­che Ren­te ein­zah­len kön­nen“, erklär­te Sick. Hin­zu kom­men Lebens­ent­schei­dun­gen, die zwar in der Part­ner­schaft gemein­sam getrof­fen wer­den, doch deren nega­ti­ve wirt­schaft­li­che Fol­gen im wei­te­ren Lebens­ver­lauf meist nur die Frau­en zu tra­gen haben. Das kann man auf eine ein­fa­che For­mel brin­gen: Kin­der­er­zie­hung + Teil­zeit + Eltern­pfle­ge = Alters­ar­mut.“ Aller­dings beton­te die Refe­ren­tin auch, dass sich bei­spiels­wei­se die Eltern­zeit nicht per se nega­tiv auf die spä­te­re Ren­te einer Frau aus­wir­ken wür­de. Es gehe viel­mehr um die Dau­er der Berufs­un­ter­bre­chung. Fair wäre es, wenn Frau und Mann sich die Eltern­zeit wirk­lich tei­len. Dann müss­te kei­ner von bei­den zu lan­ge aus dem Beruf aus­stei­gen, was beruf­li­che Nach­tei­le ver­hin­dern wür­de“, ist Sick über­zeugt. Nach der Eltern­zeit wäre es aus Sicks Sicht sinn­voll, wenn bei­de Eltern­tei­le eine Fami­li­en­ar­beits­zeit näh­men, bei der bei­de etwa je 30 Stun­den arbei­ten wür­den. Auch die Teil­zeit­ar­beit führ­te Sick als klas­si­sche Alters­ar­muts­fal­le für Frau­en an. Teil­zeit kön­ne vor­über­ge­hend sinn­voll sein. Doch Teil­zeit­ar­beit ist spä­ter eben auch Teil­zeit­ren­te.“ Zum The­ma Schei­dung sag­te Sick: Wer wäh­rend der Ehe nicht erwerbs­tä­tig war, hat spä­ter ein erhöh­tes Armuts­ri­si­ko.“ Zudem müs­se hier auch über das Unter­halts­recht gespro­chen wer­den, das 2008 refor­miert wur­de, was von Frau­en jedoch kaum zur Kennt­nis genom­men wor­den sei. Im Fal­le einer Schei­dung gibt es nicht mehr wie frü­her auto­ma­tisch einen nach­ehe­li­chen Unter­halts­an­spruch. Grund­sätz­lich wird nun davon aus­ge­gan­gen, dass alle Erwach­se­nen für ihren Lebens­un­ter­halt selbst ver­ant­wort­lich sind.“

Gro­ße Sor­gen berei­tet Hel­ma Sick ins­be­son­de­re auch die Situa­ti­on von unver­hei­ra­te­ten Frau­en in Part­ner­schaf­ten. Gera­de sie ste­hen, was die Exis­tenz­si­che­rung angeht, auf dün­nem Eis, wenn sie den Beruf für die Fami­lie auf­ge­ben. Denn anders als Ehe­leu­te haben sie nach einer Tren­nung kei­ner­lei Anspruch auf Zuge­winn­aus­gleich, Ver­sor­gungs­aus­gleich oder Unter­halt. Ver­stirbt der Part­ner und gibt es kein Tes­ta­ment oder einen Erb­ver­trag, erben die Ver­wand­ten des Man­nes bezie­hungs­wei­se die gemein­sa­men Kin­der. Das wis­sen vie­le Frau­en nicht und das kann zu wirk­li­chem Elend füh­ren“, weiß Sick aus ihrer lang­jäh­ri­gen Erfah­rung. Des­halb sei es unbe­dingt rat­sam, einen Part­ner­schafts­ver­trag zu schlie­ßen und ein Tes­ta­ment oder einen Erb­ver­trag auf­zu­set­zen. Doch wie passt ein Ver­trag – sei es der Part­ner­schaft- oder Ehe­ver­trag – zur Lie­be? Ist das nicht unro­man­tisch? Sicks kla­res State­ment: Lie­be Frau­en: Seid lie­ber jetzt unro­man­tisch als spä­ter arm!“ Bei einem der­ar­ti­gen Ver­trag gehe es schließ­lich dar­um, spä­te­re Kon­flik­te und im Fal­le einer Tren­nung Nach­tei­le für die Frau­en zu ver­mei­den. Unter ande­rem soll­te laut Sick im Ver­trag gere­gelt wer­den, wer zur Kin­der­be­treu­ung wie lan­ge zu Hau­se bleibt, ob die Eltern­zeit geteilt wer­den kann, wie die häus­li­che Arbeits­tei­lung aus­sieht, wie lan­ge im Fal­le einer Tren­nung Unter­halt gezahlt wird, wenn die Frau wegen der Kin­der­be­treu­ung län­ger als drei Jah­re ihre Berufs­tä­tig­keit unter­bro­chen hat, oder auch, wie even­tu­el­le Ren­ten­ein­bu­ßen durch eine Unter­bre­chung der Erwerbs­tä­tig­keit aus­ge­gli­chen wer­den sol­len. Natür­lich ist es nicht beson­ders roman­tisch, über so etwas zu spre­chen. Doch ein sol­cher Ver­trag muss geschlos­sen wer­den, solan­ge die Lie­be noch jung ist. Dann las­sen sich fai­re Rege­lun­gen tref­fen.“ Als Mot­to für die Frau­en wünscht sich Sick: Auf das Bes­te hof­fen, aber auf das Schlimms­te vor­be­rei­tet sein.“ Abschlie­ßend for­der­te Hel­ma Sick die Frau­en auf, selbst aktiv zu wer­den. Die Ver­hält­nis­se ändern sich nur dann, wenn sich Frau­en und Män­ner enga­giert für eine Ver­än­de­rung ein­set­zen. Das Wich­tigs­te ist dabei: Frau­en dür­fen den ent­schei­den­den Kon­flik­ten und Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Part­ner, was er im ganz per­sön­li­chen Fall zur Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie bei­tra­gen kann, nicht aus dem Weg gehen. Wenn sie sich die­sen Aus­ein­an­der­set­zun­gen nicht stel­len, ent­schei­den sich Frau­en dafür, nichts zu ändern.“ Zudem riet sie den Frau­en, unbe­dingt einen Lebens­plan zu ent­wer­fen, denn die­ser bringt sie dazu, nicht nur an das Jetzt son­dern auch an spä­ter zu den­ken.“ Sie müss­ten ihre öko­no­mi­sche Exis­tenz­si­che­rung in die eige­nen Hän­de neh­men. Ich bin der fes­ten Über­zeu­gung: Zur Wür­de eines Men­schen gehört es, nicht abhän­gig von einem Part­ner oder dem Fort­be­stand einer Ehe oder Lebens­ge­mein­schaft zu sein.“

Nach ihrem Vor­trag dis­ku­tier­ten die Teil­neh­me­rin­nen in per­sön­li­chen Wort­mel­dun­gen und via Chat sehr ange­regt mit Hel­ma Sick über die ange­spro­che­nen Aspek­te. Wie wich­tig Auf­klä­rung zum The­ma Frau­en und Geld“ ist, bewies sicher­lich die­se Chat­nach­richt: Vie­len Dank für die­sen umfas­sen­den und ein­dring­li­chen Vor­trag. Ich bin gera­de mal 19 Jah­re alt. Ihr Vor­trag hat mich gera­de noch ein­mal mehr bestärkt, mich um mei­ne Zukunft und vor allem um mei­ne finan­zi­el­le Unab­hän­gig­keit zu kümmern.“

Foto: Mareen Mai­er / KDFB

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