Es tut sich was, doch die Mühlen mahlen langsam: In diesem Jahr fand in Deutschland der „Equal Pay Day“, also der Tag, bis zu dem Frauen länger arbeiten müssen, um auf das gleiche Gehalt zu kommen, das Männer bereits am Ende des Vorjahres erhalten, am 10. März und damit eine Woche früher als im vergangenen Jahr statt.
„Das ist zwar grundsätzlich erfreulich – doch trotzdem skandalös. Frauen werden immer noch ungerechtfertigterweise zu gering und geringer als Männer bezahlt“, sagt Tanja Kemper, Bildungsreferentin beim Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) in der Diözese Passau.
Doch die Lohnungerechtigkeit ist nur einer von vielen Missständen beim Thema „Frauen und Geld“. Auf weitere Aspekte hat der KDFB im Rahmen eines Online-Vortrags mit Helma Sick, einer renommierten Finanzexpertin für Frauen, aufmerksam gemacht. Auf Grundlage ihres Buchs „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“ beleuchtete sie Problemfelder, nannte zahlreiche Beispiele und gab den Frauen wertvolle Tipps an die Hand, wie sie ihre finanzielle Unabhängigkeit bewahren können. Eingangs stellte Helma Sick fest, dass Frauen heute so gut ausgebildet seien wie nie zuvor und im Prinzip alles werden könnten. „Trotz aller Fortschritte wählen immer noch viel zu viele dieser jungen und gut ausgebildeten Frauen freiwillig ein Leben wie ihre Mutter oder Großmutter – ein Leben als Ehefrau und Mutter mit einem gutverdienenden Mann“, so Sick. Doch was der Verzicht auf bezahlte Arbeit später kosten kann – darüber würden sich die Frauen zu wenige Gedanken machen. „Offenbar sehen viele die Ehe immer noch als ausreichende Altersvorsorgemodell an, trotz hoher Scheidungszahlen und des geänderten Unterhaltsrechts.“ Dass auf alte Rollenbilder zurückgegriffen wird, die einfach nicht mehr der Zeit entsprechen, findet Helma Sick sehr bedenklich. Ebenso prangerte sie staatliche „Förderungen“ an, denen ausschließlich das Lebensmodell der Ehe zu Grund liegt, wie unter anderem das Ehegatten-Splitting, das die Rolle des Besserverdienenden – meist des Mannes – stärkt und für Frauen Nachteile bringt. Auch Minijobs sind laut Sick keine adäquate Lösung für Frauen, berufstätig zu bleiben. „Wer 15 Jahre zusammen mit dem Arbeitgeber über Minijobs in die gesetzliche Rente einzahlt, schafft sich vielleicht eine Rente von gerade einmal 70 Euro im Monat. Zudem laufen Frauen Gefahr, ihre beruflichen Kompetenzen zu verlieren.“ Die Referentin warnte eindringlich vor der realen Gefahr der Altersarmut, die insbesondere Frauen hart treffen kann. „Altersarmut von Frauen ist aber kein Naturgesetz, sondern die Folge von dem jahrzehntelangen Zusammenwirken diskriminierenden Faktoren. Dazu gehört unter anderem, dass Frauen oft weniger verdienen als Männer, viele so genannte ‚Frauenberufe‘ schlechter bezahlt sind und Frauen dadurch auch weniger in die gesetzliche Rente einzahlen können“, erklärte Sick. Hinzu kommen Lebensentscheidungen, die zwar in der Partnerschaft gemeinsam getroffen werden, doch deren negative wirtschaftliche Folgen im weiteren Lebensverlauf meist nur die Frauen zu tragen haben. „Das kann man auf eine einfache Formel bringen: Kindererziehung + Teilzeit + Elternpflege = Altersarmut.“ Allerdings betonte die Referentin auch, dass sich beispielsweise die Elternzeit nicht per se negativ auf die spätere Rente einer Frau auswirken würde. Es gehe vielmehr um die Dauer der Berufsunterbrechung. „Fair wäre es, wenn Frau und Mann sich die Elternzeit wirklich teilen. Dann müsste keiner von beiden zu lange aus dem Beruf aussteigen, was berufliche Nachteile verhindern würde“, ist Sick überzeugt. Nach der Elternzeit wäre es aus Sicks Sicht sinnvoll, wenn beide Elternteile eine Familienarbeitszeit nähmen, bei der beide etwa je 30 Stunden arbeiten würden. Auch die Teilzeitarbeit führte Sick als klassische Altersarmutsfalle für Frauen an. Teilzeit könne vorübergehend sinnvoll sein. „Doch Teilzeitarbeit ist später eben auch Teilzeitrente.“ Zum Thema Scheidung sagte Sick: „Wer während der Ehe nicht erwerbstätig war, hat später ein erhöhtes Armutsrisiko.“ Zudem müsse hier auch über das Unterhaltsrecht gesprochen werden, das 2008 reformiert wurde, was von Frauen jedoch kaum zur Kenntnis genommen worden sei. „Im Falle einer Scheidung gibt es nicht mehr wie früher automatisch einen nachehelichen Unterhaltsanspruch. Grundsätzlich wird nun davon ausgegangen, dass alle Erwachsenen für ihren Lebensunterhalt selbst verantwortlich sind.“
Große Sorgen bereitet Helma Sick insbesondere auch die Situation von unverheirateten Frauen in Partnerschaften. „Gerade sie stehen, was die Existenzsicherung angeht, auf dünnem Eis, wenn sie den Beruf für die Familie aufgeben. Denn anders als Eheleute haben sie nach einer Trennung keinerlei Anspruch auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich oder Unterhalt. Verstirbt der Partner und gibt es kein Testament oder einen Erbvertrag, erben die Verwandten des Mannes beziehungsweise die gemeinsamen Kinder. Das wissen viele Frauen nicht und das kann zu wirklichem Elend führen“, weiß Sick aus ihrer langjährigen Erfahrung. Deshalb sei es unbedingt ratsam, einen Partnerschaftsvertrag zu schließen und ein Testament oder einen Erbvertrag aufzusetzen. Doch wie passt ein Vertrag – sei es der Partnerschaft- oder Ehevertrag – zur Liebe? Ist das nicht unromantisch? Sicks klares Statement: „Liebe Frauen: Seid lieber jetzt unromantisch als später arm!“ Bei einem derartigen Vertrag gehe es schließlich darum, spätere Konflikte und im Falle einer Trennung Nachteile für die Frauen zu vermeiden. Unter anderem sollte laut Sick im Vertrag geregelt werden, wer zur Kinderbetreuung wie lange zu Hause bleibt, ob die Elternzeit geteilt werden kann, wie die häusliche Arbeitsteilung aussieht, wie lange im Falle einer Trennung Unterhalt gezahlt wird, wenn die Frau wegen der Kinderbetreuung länger als drei Jahre ihre Berufstätigkeit unterbrochen hat, oder auch, wie eventuelle Renteneinbußen durch eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit ausgeglichen werden sollen. „Natürlich ist es nicht besonders romantisch, über so etwas zu sprechen. Doch ein solcher Vertrag muss geschlossen werden, solange die Liebe noch jung ist. Dann lassen sich faire Regelungen treffen.“ Als Motto für die Frauen wünscht sich Sick: „Auf das Beste hoffen, aber auf das Schlimmste vorbereitet sein.“ Abschließend forderte Helma Sick die Frauen auf, selbst aktiv zu werden. „Die Verhältnisse ändern sich nur dann, wenn sich Frauen und Männer engagiert für eine Veränderung einsetzen. Das Wichtigste ist dabei: Frauen dürfen den entscheidenden Konflikten und Auseinandersetzungen mit dem Partner, was er im ganz persönlichen Fall zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen kann, nicht aus dem Weg gehen. Wenn sie sich diesen Auseinandersetzungen nicht stellen, entscheiden sich Frauen dafür, nichts zu ändern.“ Zudem riet sie den Frauen, unbedingt einen Lebensplan zu entwerfen, „denn dieser bringt sie dazu, nicht nur an das Jetzt sondern auch an später zu denken.“ Sie müssten ihre ökonomische Existenzsicherung in die eigenen Hände nehmen. „Ich bin der festen Überzeugung: Zur Würde eines Menschen gehört es, nicht abhängig von einem Partner oder dem Fortbestand einer Ehe oder Lebensgemeinschaft zu sein.“
Nach ihrem Vortrag diskutierten die Teilnehmerinnen in persönlichen Wortmeldungen und via Chat sehr angeregt mit Helma Sick über die angesprochenen Aspekte. Wie wichtig Aufklärung zum Thema „Frauen und Geld“ ist, bewies sicherlich diese Chatnachricht: „Vielen Dank für diesen umfassenden und eindringlichen Vortrag. Ich bin gerade mal 19 Jahre alt. Ihr Vortrag hat mich gerade noch einmal mehr bestärkt, mich um meine Zukunft und vor allem um meine finanzielle Unabhängigkeit zu kümmern.“
Foto: Mareen Maier / KDFB