Zum dritten Mal wurde Margret DieckmannNardmann aus Ostbevern jetzt von der in Münster tagenden Generalversammlung zur Präsidentin des Päpstlichen Missionswerkes der Frauen in Deutschland (PMF; Frauenmissionswerk) gewählt. Seit zwölf Jahren und nun für eine erneute Amtszeit von sechs Jahren steht die Theologin und Sozialpädagogin, die hauptberuflich in der Gemeindepastoral tätig ist, an der Spitze des Werkes. Im Interview spricht sie über die Vision für die Zukunft des Werks, ihre Erwartungen und Forderungen an die Amazonas-Synode, über bisherige Meilensteine ihres Engagements für das Hilfswerk sowie über aktuelle Herausforderungen für die Arbeit, die weltweit Frauen und Mädchen stärkt, fördert und unterstützt.
Frau Dieckmann-Nardmann, Sie sind erneut zur Präsidentin des Frauenmissionswerkes gewählt worden. Was haben Sie sich für Ihre dritte Amtszeit vorgenommen?
Margret Dieckmann-Nardmann: Wir wollen unsere Arbeit und unser Engagement nicht nur mit voller Kraft fortführen – sondern wir wollen das Frauenmissionswerk auch in anderen Ländern aufbauen, damit sich auch dort Frauen und Mädchen in Solidarität mit anderen Frauen und Mädchen engagieren können. Dabei geht es uns nicht darum, unseren Projektpartnerinnen etwas überzustülpen oder aufzudrücken. Wir reagieren damit auf den ausdrücklichen Wunsch und auch auf die Bindung und das Bekenntnis unserer Projektpartnerinnen zum Frauenmissionswerk. Den Anfang soll Ruanda machen, wo ich im Spätsommer auf meiner Projektreise bereits erste Gespräche in diese Richtung geführt habe.
Das Frauenmissionswerk setzt sich weltweit für Frauen und Mädchen ein, die unter Menschenrechtsverletzungen, Gewalt, Ungleichheit oder schlechten Lebensbedingungen leiden. Was sind die vordringlichsten Aufgaben?
Dieckmann-Nardmann: Dass wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Frauen und Mädchen gleichberechtigt sind und gleichwertig – ganz unabhängig davon, wo und wie sie leben. Unsere Welt wird nur eine Zukunft haben, wenn Frauen und Männer gleichberechtigt und partnerschaftlich miteinander leben und die jeweilige Gesellschaft miteinander gestalten. Hier ist noch unfassbar viel zu tun – und das überall in der Welt. Es kann nicht sein, dass Politikerinnen für ihr Geschlecht beschimpft werden. Und es darf vor allem nicht sein, dass Frauen und Mädchen weiterhin benachteiligt werden, ausgegrenzt und in ihrer Entwicklung und freien Entfaltung behindert. Noch weniger dürfen wir hinnehmen, dass Mädchen und Frauen an vielen Orten der Welt auf vielerlei Weise Gewalt angetan wird, dass sie verfolgt, verstümmelt oder getötet werden.
Wo sehen Sie den Stand der Entwicklung? Ist durch die Gender-Debatten im Westen etwas in Bewegung gekommen, das dem globalen Engagement zugutekommen könnte?
Dieckmann-Nardmann: Ja, es ist etwas mehr Bewegung hineingekommen in die öffentliche Diskussion. Auch dadurch, dass Frauen aufstehen und ihre Stimme erheben. Die „Me-too“-Bewegung hat daran ihren Anteil. Sie hat die Öffentlichkeit aufgerüttelt, hat die Missbrauchsskandale öffentlich und bewusst gemacht. Das hat auch in der Kirche dazu geführt, dass Gewalt gegen Frauen und Missbrauch an ihnen stärker thematisiert wird. Aber hier ist noch viel aufzuarbeiten. Frauen trauen sich heute insgesamt eher, Unrecht zu benennen, aber es ist noch viel zu tun – innerkirchlich, gesamtgesellschaftlich und weltweit.
Was heißt das für Sie und das Frauenmissionswerk?
Dieckmann-Nardmann: Wir dürfen selber nicht nachlassen darin, offen auszusprechen, wo Unrecht geschieht, auch da, wo wir sind, wo wir leben. Wir im Frauenmissionswerk leben und arbeiten nach dem biblischen Motto „Talita kum – Mädchen, steh auf“. Aber an zu vielen Orten in der Welt stehen Frauen noch immer nicht aufrecht! Und solange sie das nicht können, werden wir unermüdlich dafür weiterarbeiten, Mädchen und Frauen stark zu machen! Wir wollen, dass Frauen selbstbewusst für sich selbst und füreinander einstehen können und dass Frauen ihr Potenzial frei entfalten und ihr Leben frei wählen können.
Was ist notwendig, damit das gelingt?
Dieckmann-Nardmann: Bewusstseinsbildung fängt zu Hause an, im Kindergarten, in der Schule. Diese Gleichgültigkeit und die ungleiche Behandlung von Mann und Frau, die wir noch immer erleben, dürfte und darf es im Jahr 2019 nicht mehr geben, ob es um den unterschiedlichen Zugang zu Bildung geht, um patriarchale Strukturen oder anderes. Hier ist aber nicht nur jeder Einzelne gefordert, sondern auch die Politik, die für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen muss. Es muss mehr investiert werden in die Aus- und Fortbildung entsprechender Lehrkräfte, sozialer Fachkräfte und anderer notwendiger Prozessbegleiter und Verantwortlicher. Und auch die Kirchen sind hier gefragt!
Was fordern Sie von der Kirche?
Dieckmann-Nardmann: Am Stellenwert des Frauenmissionswerkes in der katholischen Kirche zeigt sich die Rolle der Frauen in der Kirche. Es ist dringend notwendig, dass wir hier endlich wirkliche Augenhöhe und volle Teilhabe haben – auch mit Blick auf die Ämterfrage. Frauen muss es möglich sein, ihre Berufung zu leben – in allen Bereichen, in denen Frauen berufen sind. Wir sind nicht die „dienstbaren Geister“ in Pfarrhaus oder Gemeindesaal. Frauen tragen auf vielerlei Weise das gemeindliche und pastorale Leben. Der Umgang mit ihnen, das partnerschaftliche Miteinander und die Gleichberechtigung von Frauen und Männern eben auch in der Kirche ist entscheidend für die Zukunft der Kirche.
Erwarten Sie sich hier neue Impulse durch die Amazonas-Synode?
Dieckmann-Nardmann: Ich stehe im Kontakt mit Teilnehmern der Amazonas-Synode. Die Wiederholung des Katakombenpaktes ist ein sehr wichtiges Signal, es zeigt die Hinwendung der Teilnehmer zu den Armen. Das kann ich nur begrüßen und ich wertschätze es sehr. Es entspricht vollkommen der Ausrichtung des Frauenmissionswerkes und meiner persönlichen. „Option für die Armen“ muss aber auch bedeuten, dass auch die Verantwortlichen in der Leitung der Kirche und auch der Hilfswerke den Fokus mehr und mehr auf Mädchen und Frauen legen.
Was heißt das konkret?
Dieckmann-Nardmann: Es darf nicht sein, dass Kirchenträger sich nicht beispielsweise den Mädchenmüttern zuwenden und die Ursachen solcher gesellschaftlicher Missstände nicht bekämpfen. Es gibt aber durchaus auch Verantwortliche, die uns um Unterstützung in diesem Bereich bitten, weil sie die Not der Mädchen erkennen und ihre Auswirkungen für die Gesellschaft sehen. Unsere Forderung an Kirchenvertreter ist, solche Missstände als negative Auswirkungen patriarchaler Strukturen zu sehen – und dagegen tätig zu werden. Und noch ein Punkt ist mir wichtig zur AmazonasSynode: Der Zugang zur Eucharistie für die Menschen, denen sie als Quelle des Lebens sehr wichtig ist, darf nicht von der Anzahl der Priester abhängen, wie auch Bischof Erwin Kräutler immer wieder betont, der die Synode maßgeblich mit vorbereitet hat. Dazu müssen umgehend – zum Wohl der Menschen – synodale Beschlüsse und Entscheidungen getroffen werden.
Sie selbst engagieren sich seit Jugendtagen für die Rechte von Frauen in der Kirche und für die Eine Welt. Was ist Ihre Vision für das Frauenmissionswerk, aber auch für die Eine Welt?
Dieckmann-Nardmann: Ich glaube an die Kraft des Kleinen, ich glaube an die Kraft der Solidarität. Das Leben Jesu ist mir Orientierung für mein Leben. Konkret bedeutet das die Hinwendung zum Menschen, besonders zu den Unterdrückten, den Armen, den Witwen und Waisen. Es war das Frauenhilfswerk, das mich motiviert hat, mich dort zu engagieren, als Frau mit anderen Frauen solidarisch zu sein, mit Mädchen und Frauen, die unter Menschenrechtsverletzungen leiden. Meine Vision ist, mit einem Frauenbündnis die, die am Rande stehen, in die Mitte holen – hier und weltweit.
Wie soll das gelingen?
Dieckmann-Nardmann: Unsere Mitglieder brennen für die gute Sache. Sie zeichnen sich durch ein hohes Maß an Engagement aus. Im Bereich der Paramentenfertigung, der von Anfang an bis vor kurzem zu unserem Aufgabenspektrum gehörte, haben die Frauen oft bis in die Nacht hinein gearbeitet. Das Frauenmissionswerk ist zudem fast vollständig ehrenamtlich getragen, wir haben keinen großen Verwaltungsapparat. Unsere Gründerin Katharina Schynse hat das Werk 1893 aus dem Nichts heraus geschaffen. Viele unserer Frauen haben viele großartige Ideen. Seit 2017 bekommen wir – wie viele katholische Verbände und Organisationen – keine Mittel mehr vom VDD, dem Verband der Diözesen Deutschlands. Das war ein großer Einschnitt – aber das alles führte auch zu neuer Klarheit und Unabhängigkeit. Es befreite uns und forderte uns heraus, neu zu handeln. Wir sagen heute mehr denn je: „Wir schaffen das!“ Ich glaube an das Gute im Menschen und dass wir Gleichgültigkeit und Apathie überwinden können durch eine lebensbejahende Lebenseinstellung.
Das heißt, Sie sind otimistisch für die Entwicklung der Einen Welt?
Dieckmann-Nardmann: Es ist viel zu wenig im Bewusstsein, dass alles zusammenhängt. Wir sind abhängig von den Arbeiterinnen, die oft unter schweren Bedingungen und bei nur geringem Lohn die Kaffeebohnen pflücken, damit wir hier unseren Kaffee genießen können. Und so gibt es ganz viele Bereiche. Das fordert uns auf, faire Arbeitsbedingungen für die Menschen vor Ort zu fordern und zu fördern, wie wir sie auch für uns selbst in Anspruch nehmen. Es wäre auch mehr als an der Zeit, wirklich den Prozentteil für Entwicklungszusammenarbeit zu geben, der vereinbart wurde – politisch wie kirchlich. Es gilt darüber hinaus, auch hier, in unserer Gesellschaft Randgruppen zu integrieren, Brennpunkte wahrzunehmen und die Menschen zu fördern. Auch hier müssen wir für gute Lebensbedingungen für alle sorgen. Es müsste in Deutschland keine Tafeln geben, wenn sich grundlegend etwas ändert in der Gesellschaft.
Kommen wir abschließend zu einer Bilanz. Zwölf Jahre Frauenmissionswerk für Sie: Was war besonders prägend, was waren Meilensteine?
Dieckmann-Nardmann: Da gäbe es eine Fülle zu nennen. Ich habe mich für das Mitwirken in diesem Werk entschieden, weil ich dadurch eine größere Chance sah, Frauen und Mädchen am Rande der Gesellschaft zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen, zum Beispiel in Ruanda. Ich habe viel dadurch erlebt und kennengelernt und bin dankbar für vieles. Prägend war sicher neben meinen regelmäßigen Besuchen in den Partnerländern, die vielfältige Kirchenlandschaft in Deutschland und auf weltkirchlicher Ebene kennenzulernen. Es gab eindrucksvolle Begegnungen mit Papst Benedikt 2011 und mit Papst Franziskus 2014 und 2018, der sich besonders viel Zeit für unser Anliegen genommen hat. Es hat mich auch sehr gefreut, dass der Nuntius, Nikola Eterović, im vergangenen Jahr als Gast und Vertreter des Papstes zu unserem 125jährigen Jubiläum kam. Aber es sind nicht diese Begegnungen mit Würdenträgern, die unsere Arbeit ausmachen. Für mich ist jeder Mensch gleich, ob Bäcker oder Papst, Kakaopflückerin oder Kanzlerin. Es geht darum, bei den Menschen zu sein und sich für sie einzusetzen. Prägend und an oberster Stelle ist daher für mich immer wieder neu die Begegnung mit den Frauen und Mädchen in den Projektländern. Die gleiche Luft wie sie zu atmen in den dunklen Lehmbehausungen, die Kargheit ihrer Behausungen zu sehen und die große Bedeutung des christlichen Glaubens zu spüren, wenn sich die Frauen zum Gebet versammeln und aus der Gemeinschaft neue Kraft ziehen. Darum engagieren wir uns im Frauenmissionswerk – um diese Mädchen und Frauen zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam zu überlegen, wie Veränderung gelingen kann. Denn jede und jeder hat das Recht auf ein gutes, menschenwürdiges Leben.
Interview: Hildegard Mathies
Info Gegründet wurde das Frauenmissionswerk im Jahr 1893 von Katharina Schynse aus Wallhausen. Sitz der Zentrale ist Koblenz. Das Päpstliche Missionswerk der Frauen in Deutschland engagiert sich mit seinen Mitgliedern aus derzeit 14 deutschen Diözesen für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit sowie für die partnerschaftliche Entwicklung in allen Teilen der Welt.