Wer auf Reisen in ferne Länder geht, lernt jedes Mal zumindest ein kleines Stück einer anderen Kultur kennen. „Grundsätzlich war ich immer offen für andere Länder und Kulturen. Ich bin sehr viel gereist“, das sagt auch Rosmarie Obermaier aus Osterhofen im Bistum Passau über sich selbst. Dass es jedoch noch einmal eine ganz andere Geschichte ist, in ein fernes Land zu ziehen, dort zu leben und zu arbeiten, hat Rosmarie Obermaier in den 30 Jahren gelernt, die sie als Missionarin in der brasilianischen Diözese Alagoinhas verbracht hat.
Als Laie entsandt zu werden, laufe anders ab als bei Priestern oder Ordensleuten, erklärt Obermaier. Sie selbst hat über die damalige Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH, heute AGIAMONDO) einen sog. Entwicklungshilfevertrag über drei Jahre erhalten, mit dem sie 1992 ihren Weltdienst antreten konnte. „Im Grunde genommen bin ich 1992 in einen fahrenden Zug eingestiegen. Wir waren ja das dritte Team, das nach Brasilien ausgesendet worden ist, und von daher war ich keine Pionierin mehr“, erinnert sich Obermaier.
In Brasilien war ihr Hauptaufgabenbereich die sozialpädagogische Arbeit. Bischof Eder habe damals speziell nach jemandem gesucht, „der sich um die Sozialstruktur der Frauen, Kinder und alten Menschen bemüht“. So stand für Rosmarie Obermaier zunächst die Kinderpastoral im Vordergrund mit dem übergeordneten Ziel, die Kindersterblichkeit im Land zu senken. Auf ihre erste Amtszeit im Weltdienst folgten schließlich sieben weitere, in denen sie ihre Arbeit auf weitere pastorale Felder ausweitete. So unterstützte sie bspw. Altersheime bei der Vernetzung untereinander, organisierte Projekte für psychisch Kranke oder Menschen mit Behinderung und arbeitete mit Suchtkranken. Im Rahmen ihres letzten Projektes vor ihrem Ruhestand unterstützte sie minderjährige schwangere Mädchen, die oft in schwierigen Verhältnissen leben und aus ihrem Umfeld nur wenig Hilfe erhalten.
„Ich kann keine Sakramente spenden“, sagt Rosmarie Obermaier über ihren Einsatz in Brasilien. Jedoch sei ihr Hauptaufgabenbereich, die Sozialarbeit, trotzdem stets in enger Verbindung mit dem Glauben gestanden: „Die ganze Sozialarbeit in Brasilien lebt aus der Bibel und aus dem Evangelium. Das ist eine ganzheitliche Arbeit. Die Religion und die soziale Arbeit kann man nicht trennen. Die sind eins.“ Überhaupt habe sie ihre Aufgabe als Missionarin nie in der Evangelisierung gesehen. Das Jahr 1992, in dem sie nach Brasilien kam, markierte 500 Jahre seit der Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika. Nachdem sie sich vor ihrer Abreise mit deren Folgen für die indigene Bevölkerung Lateinamerikas auseinandergesetzt hatte, habe sie in ihrem Weltdienst so auch ein kleines Stück „Wiedergutmachung dessen, was wir als Weiße vor 500 Jahren kaputt gemacht und zerstört haben“ gesehen.
Wichtig sei Rosmarie Obermaier über die Jahre hinweg vor allem gewesen, den Menschen vor Ort nichts Neues aufzudrängen. Sie habe Impulse aus Deutschland mitgenommen, die mal angenommen wurden und mal nicht. Insgesamt aber gilt: „Ich habe mich integriert in die Strukturen, die vor Ort da waren.“ Auf diese Weise sei sie in Brasilien schnell herzlich empfangen worden. Sie habe einfach dazu gehört. Geholfen habe ihr – besonders anfangs – dabei auch, dass sie sich voll und ganz auf die Lebensweise in ihrem Gastgeberland eingelassen habe: „Wenn man sich dann einlässt auf die Realität der Leute, sich auch auf den Kopf einen Wassereimer mit zehn Litern stellt und den mal ein paar Meter schleppt und sich dabei ganz nass schüttet, weil man das Balancieren noch nicht kann, dann bricht das diese Barrieren ab.“ Geändert habe sich für Obermaier vor allem ihr Verständnis für andere Kulturen und ihr Umgang damit. Besonders von ihrem Mann, einem Afro-Brasilianer, mit dem sie seit 21 Jahren verheiratet ist, habe sie sehr viel über Vorurteile gelernt. So habe er immer gesagt, sie könne keine Aussagen über eine ganze Bevölkerung treffen, weil sie nicht jeden einzelnen Menschen kenne. „Ich habe durch diese Ehe gelernt, dass man andere Kulturen respektiert. Das heißt auch: Ich muss nicht meine Kultur ablegen, jeder kann die Kultur leben, in die er hineingewachsen und erzogen worden ist.“
Über die Jahre hinweg hat Rosmarie Obermaier viele internationale Kontakte und Freundschaften geknüpft, für die sie heute sehr dankbar ist. Ihre Freunde in der Heimat haben sie zudem auf ganz besondere Weise unterstützt, indem sie schon vor Jahren einen gemeinnützigen Verein speziell zur Förderung ihrer Arbeit gegründet haben. Jetzt geht Rosmarie Obermaier in den Ruhestand und den versucht sie, wörtlich zu nehmen: „Ich soll ja jetzt endlich mal ‚a Ruah gebn‘, sagt man auf Bairisch.“ Erstmal geht es für sie jetzt jedoch wieder zurück nach Brasilien und auch in Zukunft wird der Terminkalender voll bleiben. Dieses Pendeln zwischen Deutschland und Brasilien müsse sie jetzt erst einmal organisieren, so Obermaier. Und ansonsten gilt für die Zukunft: „Ich mache das, was der Tag und Gott von mir verlangt.“