Bistum

Mut zum Leben bis zuletzt...

Redaktion am 08.10.2024

Bp Bistumsblatt Podium Assistierter Suizid St Valentin PA 01 10 2024 1 Bild: Bernhard Brunner
Eine perspektivische Annäherung an das hochsensible Thema „Assistierter Suizid“ gab es bei der KEB-Podiumsdiskussion mit (v.l.) Gerhart Gross von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Ärztin Heidi Massinger-Biebl, Moderator Wolfgang Krinninger, dem Moraltheologen Johannes Brantl und dem Strafrechtler Sebastian Kahlert.

...anstelle assistierten Suizids. KEB-Podiumsgespräch in Passau verdeutlichte Kontroversen zu hochsensiblem Thema – Forderung nach Stärkung von Palliativ-Versorgung und Hospiz-Arbeit.

Einig gewe­sen sind sich die Teil­neh­mer an einem Podi­ums­ge­spräch zum The­ma Assis­tier­ter Sui­zid“ in einem Punkt: Der Tod gehört zum Leben. Dar­über hin­aus gin­gen die Mei­nun­gen der Ver­tre­ter aus Theo­lo­gie, Medi­zin, Jus­tiz und Insti­tu­tio­nen für Huma­nes Ster­ben weit aus­ein­an­der in der Fra­ge, ob mein Tod mei­ne Ent­schei­dung“ ist. Am Ende kris­tal­li­sier­te sich der Appell her­aus, anstel­le der Hil­fe zum gewoll­ten Able­ben mehr für eine Stär­kung der Pal­lia­tiv-Ver­sor­gung und Hos­piz-Arbeit zu tun. Der Theo­lo­ge Johan­nes Brantl sprach sich für eine Ermu­ti­gung lebens­mü­der Men­schen zur lebens­be­ja­hen­den Ein­stel­lung bis zuletzt“ aus.

Die zwei­stün­di­ge Ver­an­stal­tung unter der umsich­ti­gen Mode­ra­ti­on von Wolf­gang Krin­nin­ger, Chef­re­dak­teur des Pas­sau­er Bis­tums­blatts, stieß auf gro­ßes Inter­es­se. Der Fest­saal von St. Valen­tin am Dom­platz war voll­be­setzt. Kein Wun­der, denn es geht um Leben und Tod, um Wür­de, um Mensch­lich­keit, wie der Jour­na­list ein­gangs beton­te. Krin­nin­ger stell­te die hoch­ka­rä­tig besetz­te Run­de vor: Ger­hart Gross (Jahr­gang 1942), lang­jäh­ri­ger Mana­ger und Per­so­nal-Ver­ant­wort­li­cher in glo­bal täti­gen Unter­neh­men, im Ruhe­stand unter ande­rem ehren­amt­li­cher Kon­takt­stel­len­lei­ter der Deut­schen Gesell­schaft für Huma­nes Ster­ben (DGHS); Hei­di Mas­sin­ger-Biebl, 57, Gynä­ko­lo­gin mit Zusatz­aus­bil­dung in Pal­lia­tiv-Medi­zin, Cari­tas­wis­sen­schaft­le­rin und Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­rin; Johan­nes Brantl (Jahr­gang 1968), Pries­ter und Pro­fes­sor für Moral­theo­lo­gie; Sebas­ti­an Kah­lert (Jahr­gang 1968), Fach­an­walt für Straf­recht und von 2008 bis 2022 ers­ter Vor­sit­zen­der des Pas­sau­er Anwaltsvereins.

Ein­lei­tend ver­wies der Mode­ra­tor auf die Tat­sa­che, dass sich der assis­tier­te Sui­zid seit Febru­ar 2020 in einer recht­li­chen Grau­zo­ne befin­de, nach­dem damals das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVG) das Ver­bot, die Selbst­tö­tung geschäfts­mä­ßig zu för­dern“, für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt und ein ent­spre­chen­des Straf­ge­setz auf­ge­ho­ben habe. Der Gesetz­ge­ber müs­se die Ster­be­hil­fe neu regeln, fass­te Krin­nin­ger die Ent­schei­dung in Karls­ru­he zusam­men, und mach­te dar­auf auf­merk­sam, dass zwei Initia­ti­ven für eine Neu­re­ge­lung bis­her im Bun­des­tag geschei­tert sei­en. Man wol­le Raum schaf­fen, sich dar­über aus­zu­tau­schen und durch unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven eine umfas­sen­de Sicht auf die­ses schwie­ri­ge The­ma zu ermög­li­chen, das Nach­den­ken dar­über zu för­dern sowie zum Dia­log und Aus­tausch ani­mie­ren, hat­te die Vor­sit­zen­de der Katho­li­schen Erwach­se­nen­bil­dung in Stadt und Land­kreis, Ingrid Schwarz, bei ihrer Begrü­ßung bekundet.

Als Pries­ter und Seel­sor­ger die Beru­fung zu haben, zu ermu­ti­gen, das Leben als ein kost­ba­res Geschenk und fun­da­men­ta­les Gut anzu­neh­men, skiz­zier­te Brantl als sei­nen Stand­punkt. Er zeig­te sich beein­druckt von der dif­fe­ren­zier­ten Begrün­dung des BVG und zugleich über­rascht davon, wie sie ein­sei­tig in Rich­tung Selbst­be­stim­mung aus­ge­fal­len sei. Es sei ethi­scher und huma­ner Auf­trag, im Gespräch mit betref­fen­den Men­schen einen Weg zu suchen, wie Leben wie­der erträg­li­cher wer­de. Es gebe immer mehr hoch­be­tag­te Per­so­nen, die nie­man­dem zur Last fal­len woll­ten und Angst vor einem Auto­no­mie-Ver­lust hät­ten. Dem Leben ein Ende zu set­zen, sei ein ein­fa­cher Weg, doch es brau­che eine gewis­se Sorg­falts­pflicht. Mir geht es dar­um, mehr in Rich­tung Bera­tung und Unter­stüt­zung zu gehen“, erklär­te der Theo­lo­ge, der ein­räum­te, einen Men­schen nicht zum Leben zwin­gen, aber ihn dazu ermu­ti­gen zu kön­nen. Brantl ver­wies auf die Mög­lich­keit der Unter­stüt­zung bei Gebrech­lich­keit, er sprach sich für eine bes­se­re Pal­lia­tiv-Ver­sor­gung und Hos­piz-Arbeit aus.

Interview mit dem Moraltheologen Prof. Dr. Johannes Brantl:

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Bp Bistumsblatt Podium Assistierter Suizid St Valentin PA 01 10 2024 2 Bild: Bernhard Brunner
Freundliche Gesichter nach dem Podiumsgespräch rund um eine schwierige Problematik: v.l. KEB-Geschäftsführerin Barbara Schwarzmeier, der Theologe Johannes Brantl, Gerhard Gross von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Ärztin Heidi Massinger-Biebl, Moderator Wolfgang Krinninger, Sissi Geyer vom Passauer Hospizverein, KEB-Vorsitzende Ingrid Schwarz und der Strafrechtler Sebastian Kahlert.

Die Men­schen in ihrer Ganz­heit­lich­keit zu erfas­sen, for­mu­lier­te Hei­di Mas­sin­ger-Biebl als ihre Grund­for­de­rung. Die Tätig­keit in der pal­lia­ti­ven Beglei­tung Kran­ker bezeich­ne­te sie als gro­ßes Geschenk“. Es kom­me rela­tiv häu­fig vor, dass Betrof­fe­ne den Wil­len äußer­ten zu ster­ben. Der Todes­wunsch und der Lebens­wil­le sind Geschwis­ter“, sag­te die Medi­zi­ne­rin, die es für wich­tig hielt, Per­so­nen in einer sol­chen Situa­ti­on in ihrer Sor­ge und Not nicht allein zu las­sen, son­dern kör­per­lich, sozi­al und psy­chisch zu betreu­en. Meis­tens ist es so, dass Men­schen so nicht mehr leben wol­len“, stell­te die Refe­ren­tin fest, die eine neue Ster­be­hil­fe-Metho­de namens Sar­co“ in der Schweiz ver­teu­fel­te. Wie arm ist das“, frag­te Hei­di Mas­sin­ger-Biebl in die Run­de und erach­te­te es als schlim­me Vor­stel­lung, dabei im Ster­ben ganz allein zu sein. 

In der Fra­ge der Selbst­be­stim­mung rund um den Tod betrü­gen sich die Men­schen nach Ansicht der Pal­lia­tiv-Medi­zi­ne­rin aus Wald­kir­chen selbst. Man sol­le sich eher fra­gen, was kön­ne die Gesell­schaft tun, um bei Betrof­fe­nen unter­stüt­zend tätig zu sein, wozu es gera­de in der Hos­piz-Bewe­gung ganz wich­ti­ge Ansät­ze gebe. Die Ambi­va­lenz der Pro­ble­ma­tik spü­re sie tag­täg­lich in der Pra­xis, so Hei­di Mas­sin­ger-Biebl, nach deren Über­zeu­gung durch lie­be­vol­les Unter­las­sen“ in der The­ra­pie viel zu errei­chen ist. Die­se Hal­tung teil­te auch ihre Kol­le­gin Dr. Andrea Stark, All­ge­mein­me­di­zi­ne­rin in Fürs­ten­zell mit Zusatz­be­zeich­nung Pal­lia­tiv-Medi­zin. Die Zuhö­re­rin warn­te in ihrer Wort­mel­dung vor gesetz­li­chen Erleich­te­run­gen: Ich habe die Befürch­tung, dass Sui­zid­hil­fe dann Schu­le macht.“ Sie erle­be oft, dass zum Bei­spiel alte Bau­ern ein­fach nichts mehr essen, wenn sie nicht mehr leben und lie­ber ster­ben wollten.

Durch teils schreck­li­che Erfah­run­gen im per­sön­li­chen und im beruf­li­chen Bereich moti­viert wor­den zu sein, sich mit der The­ma­tik des Huma­nen Ster­bens zu befas­sen, beteu­er­te Ger­hart Gross. Er berich­te­te von gro­ßer Betrof­fen­heit bei Ange­hö­ri­gen, Kol­le­gen und Vor­ge­setz­ten nach Sui­zi­den im jewei­li­gen Umfeld auf schreck­lichs­te Art und Wei­se. Gross ver­wies auf Sta­tis­ti­ken, die beleg­ten, dass 70 bis 80 Pro­zent der Men­schen, die ster­ben woll­ten, die­se Absicht wegen Krank­heit ver­folg­ten, der Rest aber ganz ein­fach lebens­s­att“ sei, ohne krank zu sein, son­dern weil die­se Leu­te bei­spiels­wei­se von dem Gedan­ken gelei­tet wür­den, ich will nicht in ein Heim“ oder Mit­men­schen nicht zur Last fal­len“. Es gehe um die Unab­hän­gig­keit und das Selbst­wert­ge­fühl, das Leben so been­den zu beab­sich­ti­gen, wie man zuletzt gelebt habe. In Deutsch­land gebe es pro Jahr 10.000 Sui­zi­de und 100.000 bis 150.000 Fäl­le, bei denen Sui­zi­de miss­lin­gen. Dem stün­den zum Bei­spiel im Jahr 2023 exakt 762 Ster­be­hil­fe-Fäl­le gegen­über, so Gross.

Der DGHS-Ansprech­part­ner ließ die Zuhö­rer wis­sen, dass ganz strik­te Regeln in Ver­ei­ni­gun­gen für Huma­nes Ster­ben gel­ten. So müss­ten zwei Ärz­te die Urteils­fä­hig­keit des Ster­be­wil­li­gen bestä­ti­gen, eben­so die Kon­stanz sei­nes Wil­lens, aber auch Alter­na­ti­ven als Sui­zid-Prä­ven­ti­on ins Auge fas­sen. Zu beden­ken gab Gross, dass trotz gesetz­li­cher Locke­run­gen in der Schweiz dort die Anzahl selbst­ge­mach­ter Sui­zi­de gleich geblie­ben sei. Er sah es als gro­ße per­sön­li­che Auf­ga­be an auf­zu­zei­gen, dass es unter­schied­li­che Mög­lich­kei­ten für einen Sui­zid gebe, anstatt dies auf beson­ders schreck­li­che Art – etwa sich vor einen her­an­na­hen­den Zug zu wer­fen – zu tun. Drin­gend emp­fahl er dem Publi­kum, sich um eine so aktu­ell wie mög­lich aus­ge­ar­bei­te­te Pati­en­ten­ver­fü­gung zu küm­mern und einen Bevoll­mäch­tig­ten zu benen­nen. Dar­auf wür­de in spe­zi­el­len Ein­rich­tun­gen geach­tet. Der Refe­rent sprach sich zudem dafür aus, eine Über­ver­sor­gung tod­kran­ker Pati­en­ten zu überdenken.

Der Jurist sage, Leben ist Leben“, unter­strich Sebas­ti­an Kah­lert. Der Rechts­an­walt skan­dier­te, Ster­be­hil­fe dür­fe kein Geschäfts­mo­dell wer­den, und signa­li­sier­te eine Bestra­fung dann, wenn geschäfts­mä­ßi­ge Ster­be­hil­fe erfol­ge. Die Über­le­gung eines Men­schen, wegen Alters oder Krank­heit nicht mehr leben und sich sui­zi­die­ren las­sen zu wol­len, sei nicht straf­bar, weil über das eige­ne Leben selbst ent­schie­den wer­den dür­fe. Eine Bei­hil­fe sei nur dann straf­bar, wenn die Haupt­hand­lung straf­bar sei, erläu­ter­te Kah­lert den Zuhö­rern. Der Zwie­spalt in der The­ma­tik zwin­ge vie­le Leu­te dazu, in die Schweiz zu fah­ren und sich dort zu sui­zi­die­ren, monier­te der Straf­recht­ler, der sich frag­te, war­um das The­ma in Deutsch­land nicht ver­ein­facht wer­de. Man kön­ne ja auch nicht ver­hin­dern, dass sich jemand vor den Zug wer­fe. Der Anwalt bezwei­fel­te eine Zunah­me von Sui­zi­den bei einer gesetz­li­chen Erleich­te­rung. Abschlie­ßend plä­dier­te Kah­lert dafür, sich gene­rell von dem Gedan­ken zu ver­ab­schie­den, alles regeln zu können“. 

Das Schluss­wort hat­te die Pas­sau­er Stadt­rä­tin Sis­si Gey­er. Zugleich Vor­sit­zen­de des Hos­piz-Ver­eins Pas­sau dank­te sie allen Podi­ums­teil­neh­mern, zum Nach­den­ken über das schwie­ri­ge The­ma ange­regt zu haben. 

Text: Bern­hard Brunner

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