
Der Verstand des Menschen ist simpel gestrickt und vor allem faul, deshalb denkt er gern in Kategorien und steckt alles sauber verpackt in Schubladen - auch seine Mitmenschen - daraus verfestigen sich widerrum schnell Vorurteile. Der Deutsche ist pedantisch, humorlos und ängstlich. Die ganze Familie Mustermann ist ekelhaft. Transsexuelle sind psychisch gestört „Urteilt nicht damit ihr nicht verurteilt werdet“, würde Jesus sagen! Aber natürlich haben Vorurteile auch einige positive Seiten, sie stärken zum Beispiel den Zusammenhalt einer Gruppe und helfen bei der Suche nach Sündenböcken. Warum Label generell gefährlich sind erklärt Kaplan Hubertus Kerscher in seiner Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis am 22. Januar 2023.
Sind Sie schon einmal abgestempelt worden? Jemand hat Ihnen ein Label verpasst und sie in eine bestimmte Schublade gesteckt. Wegen ihrer Herkunft oder ihres Dialekts, Ihrer Schulbildung oder ihres Berufs, Ihres Beziehungsstatus… Man könnte diese Liste noch weiter fortführen: Wenn ich jemanden auf solche Label reduziere, wird das Denken zwar einfacher, aber ob das immer so gut ist, ist eine andere Frage. Label verhindern, dass ich mich wirklich mit dem anderen – und auch mit mir selbst – auseinandersetze, weil ich an ein paar Charakteristika schon scheinbar alles Wissenswerte ablesen kann. Weil ich mich selbst auf weniges reduzieren lasse.
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Solche Label begegnen uns scheinbar auch im heutigen Evangelium: Jesus beginnt sein Wirken und verkündet in Galiläa: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ Nun ist es auch Zeit die ersten Jünger zu berufen: Von Petrus und seinem Bruder Andreas heißt es dort schlicht: „sie waren Fischer“. Das ist es, was man von außen wahrnimmt: Ihren Beruf, ihr soziales Umfeld – sie sind nur arme Fischer. Und dennoch, sie lassen alles stehen und liegen und folgen Jesus nach. Weiter geht es mit den Brüdern Jakobus und Johannes. Auch sie sind Fischer – und dreimal erwähnt das Evangelium ihren Vater Zebedäus. Auch sie lassen Boot und Vater zurück und folgen Jesus nach. Hier wird nicht aus Treulosigkeit gehandelt, vielmehr ist die Botschaft diese: Dein soziales Umfeld, dein familiärer Hintergrund, deine Gene – sie binden dich nicht.
Das gilt für jeden Menschen, für jede einzelne Berufung: Gott denkt nicht in Labeln! Jesus beruft Menschen, nicht nur Fischer und Zebedäus-Söhne. Label töten den Dialog und deswegen stehen sie der Liebe im Weg. Am Anfang deiner Berufung steht aber genau das: Ein Gott, der dich liebt, der dich gewollt hat und sich mit dir auseinandersetzt – der eine Aufgabe für dich hat und nicht nur für eine Gruppenidentität. Deine Berufung ist nicht pauschal, sie ergeht nur an dich, wenn du sie nicht ergreifst, dann wird es auch sonst keiner tun. Du bist mehr als das, worauf die Welt dich reduzieren will – darum reduziere du dich auch nicht selbst darauf! Du bist mehr als dein Schulabschluss, dein Geschlecht, dein Beziehungsstatus, dein Aussehen – mehr als jedes Label das die Welt dir anhängen will. Du bist ein zum Himmelreich Berufener, eine zum Himmelreich Berufene!
Kaplan Hubertus Kerscher