
Springen will gelernt sein. Und das gilt es zu üben, hier und heute, im jetzigen Leben. Jeder Christ sollte das Anlauf-Nehmen üben für seinen Sprung in die offenen Arme Gottes, an seinem letzten Tag auf Erden in das "Leben danach". Gott-Suche ist das Thema von Dr. Bernhard Kirchgessner, Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses Spectrum Kirche Passau, in seiner Predigt zum 25. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis am 20. September 2020.
Mit einer klaren Aufforderung beginnt an diesem Sonntag die atl. Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja: „Sucht den HERRN, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nah!“ (Jes 55,6) Gottsuche – ist das heute noch ein Thema? Treibt das in einer von Leistung, Erfolg und Gewinnmaximierung geprägten Zeit noch jemanden um?
Ich komme eben von der Reichenau am Bodensee, einer Wiege abendländischer Kultur. Im dortigen Kloster lebten um das Jahr 850 – man höre und staune! — 134 Mönche! Ja, das ganze Mittelalter hindurch beobachten wir den Zug Tausender Menschen in die Klöster. Was bewog so viele, in ein Kloster einzutreten? Es mögen viele individuelle Gründe gewesen sein, einer der Hauptgründe lautet: QUARERE DEUM: GOTT suchen und sich von ihm finden.
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„In der Wirrnis der Zeiten, in der nichts standzuhalten schien, wollten sie das Wesentliche tun – sich bemühen, das immer Gültige und Bleibende, das Leben selber zu finden. Sie waren auf der Suche nach Gott. Sie wollten aus dem Unwesentlichen zum Wesentlichen, zum allein wirklich Wichtigen und Verlässlichen kommen,“ so unser papa emeritus Benedikt bei seiner Pastoralvisite in Paris anno 2008. GOTT suchen: Das hat zwei Seiten: die Aktive der Gottsuche und die Passive des Sich-Finden-Lassens. Man könnte auch sagen: Der Mensch, der sich auf die Suche nach Gott begibt, muss mit der freudigen Möglichkeit rechnen, dass er von Gott gefunden wird, dass Gott ihm bei der Suche auf dem Weg entgegenkommt.
Gott suchen heißt das Wesentliche suchen. Das wirft die ganz persönliche Frage auf: Was ist in meinem Leben wesentlich, wichtig, ja endgültig? Ich gebe zu: Diese Frage stellt man sich nicht alle Tage. Sie stieg in mir während des Lockdown auf: Was tue ich eigentlich? Warum tue ich, was ich tue? Bringt das, was ich tue mich Gott näher oder hält es mich von ihm fern? Habe ich bei all meinem Tun auch mein Lebensende im Blick? Ist mir bewusst, dass am Ende der Tag anbricht, an dem ich, metaphorisch gesprochen, springen muss: vom Diesseits ins Jenseits?
„Gottsucher in Geschichte und Gegenwart“, so lautet eine Vortragsreihe in Spectrum Kirche. Quer durch 2000 Jahre Kirchengeschichte beleuchtet die Reihe Frauen und Männer, die sich nebst aller irdischen Dinge um das Leben der Auferstehung gesorgt haben. Ihnen war bewusst, dass man mit Fleiß und Können, mit Geld und Ideen große Werke schaffen, jedoch nicht das ewige Leben erlangen kann. Franz und Clara von Assisi sind zwei dieser Gottsucher, denen wir Anfang Oktober ein Wochenende widmen.
Der Dominikanermönch Heinrich Seuse, dem ich am Bodensee begegnete, ist ein eher Unbekannter, doch ernsthafter Gottsucher des 14. Jahrhunderts, der uns mahnt, uns im Heute für den Sprung in die offenen Arme Gottes vorzubereiten. Jetzt gilt es Anlauf zu nehmen und am letzten Lebenstag zu springen. Jetzt gilt es. Hier und Heute. Wer am Ende nicht vorbereitet ist, dem fehlt der Schwung und die Kraft zum Sprung. Und Sie wissen ja: knapp daneben ist leider auch vorbei!
Dr. Bernhard Kirchgessner,
Leiter Exerzitien- und Bildungshaus Spectrum Kirche Passau