
Beziehung leben, pflegen und intensivieren sollten wir nicht nur mit Mitmenschen, sondern als Christen vor allem auch mit Gott. Eine einmalige Chance dazu bietet unser Leben, im Hier und Jetzt, jeden Tag. Das Leben als Chance ist das Thema von Dr. Bernhard Kirchgessner, Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses Spectrum Kirche Passau, in seiner Predigt zum 33. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis am 15. November 2020.
Es geht auf das Ende zu, auf das Ende des Kirchenjahres. Da mehren sich in der Liturgie die biblischen Texte, die vom Ende der Welt und der Wiederkunft Christi handeln. So auch das heutige Evangelium von der treuhänderischen Übergabe bzw. Verwaltung der Talente und das geht so:
Ein wohlhabender Geschäftsmann bricht zu einer längeren Auslandsreise auf. Ehe er abreist, vertraut er sein Vermögen drei Mitarbeitern, die er für besonders tüchtig hält, an.
Kaum ist der Chef abgefahren, gehen zwei Mitarbeiter ans Werk und legen das Vermögen gewinnbringend an. Man beachte: 1 sog. Talent wiegt ca. 40 kg. Gemessen in Gold sind das 50.000 € je kg. Sie gehen klug mit dem wertvollen Gut um und möchten ihrem Chef nach der Rückkehr eine stattliche Summe überreichen. Der dritte Mitarbeiter zaudert. Er kennt seinen Chef als strengen Vorgesetzten, fürchtet ihn, hat wohl auch Angst, das Vermögen nicht richtig anzulegen und so deponiert er alles in einem Safe, bis der Chef heimkommt.
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Nach der Rückkehr ruft der Chef seine Mitarbeiter zu sich. Zwei können voll Stolz erzählen, dass sein Vermögen in seiner Abwesenheit dank ihres Geschicks gut gearbeitet und sich um 100 % vermehrt hat. Bei jenem mit 5 Talenten wurden aus 10 Mio sage und schreibe 20 Mio. Man kann sich vorstellen, wie stolz der Chef auf diese Mitarbeiter war. Den Dritten erwischt jedoch die Rache des Chefs. Er geht zum Tresor, holt den 40 Kilo Barren heraus und gibt ihn zurück. Zwar hat er nichts veruntreut, es kam auch zu keinem Verlust, aber Zugewinn wurde so vereitelt. Während die ersten beiden zum Freudenfest geladen sind, fliegt der Dritte in hohem Bogen hinaus.
So weit, so klar, doch warum findet sich dieses Gleichnis in der Bibel, was hat es uns am Ende des Kirchenjahres zu sagen? * Der Herr im Gleichnis ist unser Herr Jesus Christus. Er vertraut jenen, die er zu seinen Freunden erwählt hat, Talente an. Nicht nur Talente im Sinne von Charismen, besonderen Begabungen, sondern ein äußerst kostbares Talent, das Talent des Glaubens.
Die Zeit der Abwesenheit des Chefs im Gleichnis ist die Zeit zwischen Jesu Himmelfahrt und seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten. Das ist die schwierige Phase, in der sich den Freunden Jesu die Frage stellt, wie sie mit dem Talent des Glaubens umgehen. Die einen pflegen es, mühen sich im Glauben voranzuschreiten und immer tiefer in das Geheimnis Gottes einzudringen, und die anderen leben, als hätten sie dieses Talent nie empfangen und so scheren sie sich nicht weiter darum.
Mit seiner Rückkehr fordert der HERR Rechenschaft: Was hast Du aus dem Talent des Glaubens gemacht? Warst Du ängstlich, zum öffentlichen Bekenntnis zu feige oder hast Du mit deinem Talent des Glaubens zur Vertiefung deiner und deiner Mitmenschen Gottesbeziehung beigetragen?
Das Gleichnis lehrt uns: Dieses Leben ist ganz entscheidend. Es bietet die Chance der Beziehungspflege und – intensivierung mit unserem HERRN und Bruder Jesus Christus. Das ist mühsam, zuweilen anstrengend, weil wir ihn weder sehen noch hören, — doch zielführend. Nutzen wir diese Chance! Sie ist einmalig.
Dr. Bernhard Kirchgessner
Leiter Exerzitien- und Bildungshaus Spectrum Kirche Passau