
Jesus hat uns ein alternatives Lebensmodell vorgelebt - ein ver-rücktes, im Wortsinn gemeint. Er hat seine Prioritäten ver-rückt und ganz auf seinen Vater hin ausgerichtet. Viele nach ihm haben es Jesus gleichgetan, und so macht uns der heilige Franz von Assisi im Sonntagsevangelium Mut zum Ver-rückt-Sein. Mehr dazu von Pfarrer Michael Nirschl in seiner Predigt zum 10. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis am 6. Juni 2021.
„Der Narr!“ Diesen Spott musste sich Franz von Assisi gefallen lassen, als er in seiner Heimatstadt als Bettler von Haus zu Haus ging. Kurze Zeit zuvor haben ihn dieselben Menschen noch als einen reichen Taugenichts gekannt, der plötzlich auf offener Straße seinem Vater die Kleider vor die Füße warf. Franziskus hat es anscheinend nicht gestört, als Narr bezeichnet zu werden. Denn er hat erkannt, dass es in seinem Leben einen höheren Wert und ein kostbareres Gut als Reichtum und Ansehen ging. Der Blick auf das Kreuz von San Damiano hat ihn überwältigt. Er ist verrückt geworden, verrückt nach diesem Jesus und seiner radikalen Botschaft. Er selbst soll sich als den „größten Verrückten der Welt“ bezeichnet haben. Die Menschen hielten ihn anfangs tatsächlich für total verrückt, als Narr, den man am besten wegsperrt. Bald aber merkten sie, wie sehr tatsächlich Jesus in sein Leben gerückt ist und er nichts anderes als den Willen Gottes tut.
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Ein Narr sein. Ver-rückt sein. Aber auch positiv betont: Vernarrt in jemanden und verrückt nach etwas sein. Dieses alternative Lebensmodell hat aber nicht Franziskus erfunden. Wir finden es im Evangelium dieses Sonntags grundgelegt. Da lernen wir das Vorbild kennen: Jesus macht deutlich, dass die Prioritäten in seinem Leben längst verrückt worden sind und wird in der Folge von den Menschen als verrückt angesehen. Er heilt, wirkt Wunder, begeistert, schart Menschen um sich, eckt aber auch an, provoziert, setzt sich der Abneigung der religiösen Elite seiner Zeit aus, geht seinen Weg, für den es keine Alternative gibt. Seine Angehörigen haben kein Verständnis dafür, dass er derart ausbricht und die ganze Familie in Verruf bringt. Sie wollen ihn zurechtrücken. Die Schriftgelehrten werfen ihm sogar vor, er sei besessen und stehe mit dem Teufel im Bund. Verrückt!
Jesus und in der Folge eine unzählige Menge an Menschen lassen sich aber nicht von den vielen Meinungen in Ketten legen, sondern bleiben sich und Gott und dem Auftrag Jesu Christi treu. Sie suchen nicht den bequemen Weg der Kompromisse. Sie wagen es, anzuecken und verrückt zu sein und ihr Leben immer wieder neu zurechtrücken zu lassen! Sie schwimmen oftmals gegen den Strom, halten Kritik und Unverständnis aus und sind dabei glücklich. Sie sind verrückt im Sinne Jesu: Sie rücken nämlich seine Botschaft in die Mitte. Der Apostel Paulus bezeichnet sich deshalb sogar als „Narr um Christi Willen“.
Und jetzt, liebe Schwestern und Brüder, sind wir gefragt – Sie und ich! Denn dieses Evangelium ist ja an uns alle gerichtet! Wo und wie und wann erfüllen wir den Willen Gottes, damit wir tatsächlich Schwestern und Brüder Jesu sind? Wo und wie und wann wagen wir es, gegen den Strom zu schwimmen, weil wir als Christen gefragt und angefragt sind? Wo, wie und wann merken wir, wie schön und erfüllend es ist, an Gott glauben und ihm vertrauen zu können? Wo, wie und wann zeigen wir, dass wir in Christus und seine Botschaft vernarrt sind und ihr Hand und Fuß geben?
Der hl. Franz von Assisi macht uns heute Mut zum ver-rückt sein! Er fordert uns auf, dieses Sonntagsevangelium nicht peinlich berührt wegzulegen und den Kopf zu schütteln über die Verrücktheit Jesu, sondern sich davon herausfordern zu lassen. Am Leben des „Heiligen Narrs“ können wir so schön ablesen, wie sehr es sich lohnt, in Jesus vernarrt und verrückt nach seiner Botschaft zu sein und dabei tiefe Erfüllung zu empfinden!
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!
Michael Nirschl
Pfarrer in Waldkirchen