
Über ihre Erfahrungen als Freiwilligendienstleistende in Peru, Paraguay und Bolivien konnten sich die Jugendlichen erstmals seit ihrer Rückkehr austauschen. Das Rückkehrerseminar fand unter der Leitung der Weltwärts-Verantwortlichen Christine Krammer von 18. bis 20. September im Haus der Jugend Passau statt.
Beim ersten Treffen seit ihrer Rückkehr aus Peru, Paraguay und Bolivien konnten die Freiwilligendienstleistenden des Bistums Passau vom 18. bis 20. September endlich ihre Erfahrungen austauschen. Sie hatten sich für das Weltwärts-Freiwilligen-Programm entschieden und damit dafür, sich entwicklungspolitisch in einem der drei Länder zu engagieren, und zwar für mehrere Monate oder gar ein Jahr. Vom 18. bis 20. September hatten sie im Haus der Jugend Passau Gelegenheit zur Reflexion und ihre Vorstellungen, wie sie sich künftig für eine solidarische, gerechte Welt einsetzen wollen. Geleitet hat das dreitägige Treffen Christine Krammer vom Referat Mission und Weltkirche. Schade für die jungen Leute war, dass sie ihren Freiwilligendienst aufgrund der Coronapandemie vorzeitig abbrechen mussten und dadurch viele geplante Projekte für die Kinder nicht umsetzen konnten. Hinzu kommt ihre Sorge um liebgewordene Menschen in Südamerika.

Erfahrungsbericht von Samuel Eichberger: Freiwilligendienst in Peru
Seit dem Gottesdienst, 4. August 2019 ist mittlerweile fast ein Jahr vergangen, und ich sollte eigentlich auch erst am 8. August 2020 zurücksein, um Euch von meinen Erlebnissen zu erzählen. Was in der Zwischenzeit passiert ist und warum ich dann doch viel eher als gedacht wieder zurück in der Heimat bin, davon will ich erzählen:
Als ich das letzte Mal vor meiner Abreise nach Arequipa/Peru die Kirchberger Kirche betreten hatte, wusste ich trotz der intensiven Vorbereitung nicht wirklich, was mich erwarten würde: Wie ich Spanisch lernen würde, wie ich ein dreiviertel Jahr in Peru leben und arbeiten würde, eine für mich fremde, andersartige Kultur erleben würde. Ich dachte mir wenig dabei. Vermutlich standen meine Abenteuerlust und der Wunsch, aus Bayern rauszukommen im Vordergrund, um einen anderen kleinen Teil der Welt zu erblicken. Eine Herausforderung stand mir bevor….
Nicht mal eine Woche später war ich dann schon in Arequipa, einer Stadt mit rund 1,5 Millionen Einwohnern. Leben durfte ich mit meinen vier Mitfreiwilligen in dem Stadtbezirk Paucarpata. Dort befindet sich der Hauptsitz CIRCAs, einer katholischen Einrichtung für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien, die sieben Kinderheime und 35 Schulen führt. Da die Kinder meist aus sehr armen Familien kommen, wird ihnen täglich mindestens eine Mahlzeit serviert. Ein Großteil der Schüler wird das Schulgeld erlassen, um ihnen für später die Chance zu geben, der Armutsfalle zu entkommen.
An drei dieser Schulen durfte ich vormittags als Englischlehrer arbeiten. Ich unterrichtete Kinder der ersten bis sechsten Jahrgangsstufe, für mich eine neue, unbeschreiblich interessante Erfahrung. Am 25. September begann das Unterrichten. Meine Spanischkenntnisse waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr gut, trotzdem konnte ich mich einigermaßen verständigen. Am ersten Tag des Unterrichtens war ich natürlich noch sehr nervös, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde. Aber da mir die Lehrer und Schüler sehr freundlich begegneten, legte sich das bald. Dienstags unterrichtete ich in „Jesús de Nazareth“, einer Schule am Stadtrand, wo es kein fließendes Wasser gibt. Nach dem Toilettengang wurde deswegen immer mittels Eimer gespült. Dort hatte ich unter anderem eine Klasse mit 43 Drittklässlern. Um es kurz zu halten: die folgenden Male waren nicht die einfachsten, aber wenigstens konnte dadurch versuchen, mich als Lehrer zu beweisen. Mittwochs besuchte ich die Schule „Divina Providencia“. Diese befindet sich rund 50 Meter von einem riesigen Gefängniskomplex entfernt. Dort durfte ich ebenso in drei Klassen meinen Englischunterricht halten. Das sehr interessante dort war, dass eine Klasse eine erste Klasse war. Die Erstklässler lernen natürlich erst schreiben und lesen, in einem Alter von fünf bis sieben Jahren. Donnerstags ging es dann stets hoch hinaus. Denn an diesen Tagen fuhr ich mit dem Combi, einem Sammelbus, mit dem die einfachen Leute unterwegs sind, in das Alto Israel. „Alto“ bedeutet hoch, denn „Paulo VI.“ befindet sich auf einer Art großem „Hügel“ mitten in der Stadt mit einer Höhe von rund 2.600 Metern. Ich hatte von dort den besten Ausblick über die Stadt. Rund um diese Erhöhung wurden an den steilen Hängen kleine Häuser von meist sehr armen Familien gebaut.
In Peru gibt es nur ein Schulsystem, im Gegensatz zu unserem in Deutschland. So sind es mit der Vorschule meist zwölf Jahre, die man in der Schule verbringt. Danach kann man studieren oder arbeiten.
Nach den Vormittagen an den Schulen, verbrachte ich die Nachmittage mit meiner Arbeit in den Kinderheimen, insgesamt drei verschiedene für Jungen. Montags und mittwochs „San Tarcisio“, das Heim der Elf- bis 16-Jährigen, dienstags und donnerstags „Santo Tomás“, das Heim der rund Fünf- bis Zehnjährigen, und jeden Freitag waren wir bei den „Großen“, in „San José Obrero“, den 12- bis 19-Jährigen. Die Freizeit verbrachte ich mit Unterrichtsvorbereitung, Events innerhalb der Organisation und Aktivitäten im Kreise unserer Freiwilligengruppe. So nahm ich zum Beispiel jeden Freitag- und Samstagmorgen ein Englischlehrbuch zur Hand und versuchte mir daraus meinen Unterricht zu konstruieren. Des Weiteren waren wir drei (die männliche Hälfte der Freiwilligengruppe) mit dem Heimleiter David Trabucco und den drei Jungenkinderheimen übers Wochenende beim Zelten hinter dem Hausvulkan Misti. Das war die kälteste Nacht meines Lebens, und so wurde es zu einem unvergesslichen Erlebnis. Ein Talentwettbewerb im Singen und Tanzen wurde auch ausgetragen, bei dem Kinderheim gegen Kinderheim antreten musste, um letztlich als Hauptgewinn eine Mikrowelle „nach Hause“ mitnehmen zu können. Damit niemand benachteiligt wurde, bekamen alle Heime ein Paar Fußbälle. Zudem konnten wir innerhalb unserer Gruppe kleinere Ausflüge in die Umgebung Arequipas unternehmen, um mehr von unserer zeitlich begrenzten Heimat kennenzulernen. Daran zu denken, lockt wunderschöne Erinnerungen hervor. So vergingen wenige Wochen. Am 25. Oktober zog ich alleine für circa zwei Monate in das Kinderheim „San Tarcisio“. Von nun an sprach ich täglich Spanisch. Deutsch sprach ich nur noch am Wochenende, wenn ich mich mit den Mitfreiwilligen verabredete hatte. Da freute ich mich immer sehr, sie wiederzusehen und Zeit miteinander zu verbringen. Es zeigte sich, dass wir als Gruppe zusammengewachsen waren und richtige gute Freunde wurden.
Im Kinderheim schlief ich zusammen mit 15 Jungs im Schlafsaal. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so gut geschlafen zu haben, trotz des nicht vorhandenen Privatraums und den vielen Mitbewohnern. Wir standen täglich zusammen um dreiviertel sechs Uhr auf, erledigten unsere Aufgaben (Bettenmachen, Kehren, Geschirr spülen, Frühstück zubereiten, usw.) und gingen anschließend zum Frühstück.
Am Wochenende spielte ich regelmäßig mit den Kindern Fußball und kümmerte mich um die Pflanzen, die im Garten vor Ort wuchsen. Ich selbst pflanzte mir auch etwas ein. Nun kümmern sich Faustino und Elmer darum, dass sie während der Trockenzeit nicht austrocknen. Bei der Zubereitung des Mittagessens müssen die Jungen natürlich beim Gemüseschneiden etc. immer mithelfen. Die Köchin kocht dann mit der Hilfe ihres Mannes einen großen Topf Suppe und eine Hauptspeise. Diese beinhaltet immer Reis und dazu etwas Leckeres. Von Kartoffeln, Linsen, Nudeln, Gemüse, Fisch und Huhn gab es je etwas. Abends isst man dann alles von Mittag auf, da immer ausreichend gekocht wird. Das Essen hat mir sehr gut geschmeckt. Es war zwar meist sehr einseitig, aber das störte mich nicht.
An den Sonntagen besuchten wir gemeinsam den Gottesdienst in der Hauptkirche CIRCAs. Der Gottesdienst war immer sehr lebendig und wirkte auf mich authentisch und glaubwürdig. Die Kirchenausstattung war sehr einfach gehalten: ein großer Saal mit einigen Kirchbänken, ohne Verzierungen, nur mit wenigen Heiligenfiguren und natürlich dem Kreuz. In diesem Raum der Andacht waren die vielen jungen Messbesucher das Wichtigste. Das Schönste aber war für mich das Ende des Gottesdienstes. Wir sangen immer zusammen das gleiche Lied und bewegten uns dabei in der Gruppe zum Altar hin. Ich fühlte den Glauben und die Begeisterung der Anderen und ließ mich davon anstecken. Diese Begeisterung hatte ich in meiner Heimat bisher so nicht erlebt.
Nach 6 Monaten Leben und Arbeiten in Arequipa begannen im Januar die Sommerferien, d.h. Urlaubszeit für uns. Das war auch die Zeit für unser Zwischenseminar, ein Treffen mit den Mitfreiwilligen des Bistums Passau aus Paraguay und Bolivien, um das vergangene halbe Jahr zu reflektieren, Probleme anzusprechen und sie zu klären, und das restliche halbe Jahr zu planen. In einem alten Franziskanerkloster in der Nähe von Cochabamba trafen wir unsere Verantwortliche aus Passau, Christine Krammer. Nach dem einwöchigen Seminar reisten wir in kleinen Freiwilligengruppen im Land herum, um es kennenzulernen. Wir hatten viele Erlebnisse und ich bin sehr glücklich darüber, dass ich diese wunderschönen Orte sehen konnte. Ich konnte mir all das vor einem Jahr überhaupt noch nicht vorstellen, einen so anderen und wunderschönen Teil dieser Welt zu sehen und die Menschen dort so ins Herz zu schließen.
Nach der Reisezeit ging es zurück in meine Zweitheimat Arequipa. Ich hatte die Leute dort, vor allem die Kinder, schon sehr vermisst. Zwei Wochen später war dann alles anders. Die Coronapandemie nahm weltweit ihren Lauf. Hier begannen Quarantäne-Maßnahmen. Alles außer den Lebensmittelgeschäften wurde geschlossen. Am selben Tag bekamen wir auch noch die Nachricht, von einer möglichen Evakuierung aller Deutschen. Für die gesamte Gruppe war das natürlich ein Schlag ins Gesicht. Die folgenden Wochen waren daraufhin unangenehm fad. Der Gedanke an eine frühzeitige Abreise machte alle Freude zunichte. Bis zum 3. April 2020 verbrachten wir unsere Zeit auf dem Grundstück der Organisation, aßen, spielten mit den kleinsten Kindern und versuchten, guter Laune zu bleiben. Schließlich kam es, wie es kommen musste. Wir wurden, gemeinsam mit weiteren 600 Deutschen, mittels sechs Bussen von der deutschen Botschaft aus zum städtischen Flughafen gefahren. Um 13 Uhr startete der Rückflug. Meine Zeit in Peru zog wie ein Traum an mir vorbei – das Land rückte stetig in die Ferne. Am Tag darauf war ich zu Hause, in meiner gewohnten und doch so fremden Welt.
Bis ich gedanklich wirklich wieder in Deutschland zu Hause angekommen war, hat es lange gedauert. Selbst jetzt falle ich sehr oft noch in Gedanken zurück und träume von den wunderbaren Landschaften, der Unkompliziertheit und all den Menschen, die ich noch vor einem halben Jahr an meiner Seit hatte. Es war nicht einfach, hier wieder anzukommen.
Aus Peru mitgenommen habe ich Leichtigkeit (trotz der Armut der Menschen) und Freude. Ich kann mich jetzt über Weniges und Einfaches freuen, wie z.B. einen Teller Reis zum Mittagessen. Und ich kann jetzt dankbar sein für Kleinigkeiten und hier Selbstverständliches, wie z.B. meine Krankenversicherung, mein zu Hause oder eine Arbeitsstelle.
Text + Foto: Samuel Eichberger