Bistum

Vom Klang der Vergänglichkeit

Redaktion am 29.11.2024

P1003099 Foto: Wolfgang Terhörst

Angekündigt war ein „geschmackvolles Kabarett“ mit der Performance-Künstlerin Ruth Geiersberger und dem Liedermacher Stefan Noelle. Und das im Rahmen der Themenwoche „Der Tod und die Schönheit“ im Haus der Begegnung Heilig Geist in Burghausen.

Schön­heit mag man da noch unter­brin­gen, aber Kaba­rett und Tod? Etli­che Neu­gie­ri­ge woll­ten sich am Don­ners­tag­abend, 28. Novem­ber im gro­ßen Saal des Hau­ses frei­lich ein eige­nes Bild machen. Ent­täuscht wur­den sie nicht – auch wenn die Auf­füh­rung viel­leicht etwas anders war als das Pro­gramm zunächst ver­mu­ten ließ. Denn die bei­den Künst­ler boten eine famo­se, sym­bio­ti­sche Dar­bie­tung, mehr eine sze­ni­sche Lesung, eine poe­tisch-musi­ka­li­sche Dar­bie­tung mit Sprach- und Ton-Akro­ba­tik. Wobei … Ruth Gei­ers­ber­ger bau­te durch­aus auch kaba­ret­tis­ti­sche Ele­men­te ein, dadurch, dass sie stän­dig in Bewe­gung war: mal durch den Mit­tel­gang schrei­tend, mal vor dem Publi­kum ste­hen, mal sit­zend oder lie­gend auf dem als Büh­nen­ele­ment die­nen­den ein­fa­chen Holz­sarg, der eher einer Tru­he glich. Und immer wie­der auf dem roten Ses­sel dane­ben – hin­ein­ge­ku­schelt, auf der Leh­ne sit­zend oder gar ste­hend auf dem Polster.

Was Gei­ers­ber­ger mit ihrer Stim­me her­vor­ru­fen kann, beein­druck­te die Besu­che­rin­nen und Besu­cher ein ums ande­re Mal. Etwa als sie unter­schied­lichs­te Stimm­lau­te zu einem Strom ver­schmel­zen ließ, mal lei­se, dann wie­der in der Laut­stär­ker anschwel­lend. Oder als sie locker den frau­li­chen und den männ­li­chen Part eines Karl-Valen­tin-Dia­logs so spre­chen konn­te, dass die Figu­ren ganz eige­ne Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten offen­bar­ten, allein über die Stim­me. Ste­fan Noel­le beglei­te­te Gei­ers­ber­ger dabei kon­ge­ni­al durch sein Gitar­ren­spiel, vor allem aber durch den vir­tuo­sen Gebrauch sei­ner Rah­men­trom­mel und Trom­mel­stö­cke. Ers­te­rer ent­lock­te er bei­spiels­wei­se zar­te Wind­ge­räu­sche, mit letz­te­ren nutz­te er durch den Saal wan­dernd alles als Reso­nanz­bo­den, was ihm pas­send erschien: Wän­de, Stuhl­le­hen, Fens­ter, Hei­zun­gen, Ses­sel­rü­cken – und das klei­ne Toten­glöck­lein, des­sen Klang auch Gei­ers­ber­ger immer wie­der einbaute.

Pack­ten die Töne das Publi­kum auf ihre Wei­se, so taten die Wor­te das ihre dazu, dass der Abend zu einem ein­dring­li­chen, hei­ter-erns­ten Nach­den­ken über die Ver­gäng­lich­keit wur­de. Wenn es doch EIN­MAL nur so ganz still wäre“, wünsch­te sich Gei­ers­ber­ger gleich zu Beginn. Wir alle müss­ten viel stär­ker von Hören­den – die schon etwas Bestimm­tes erwar­ten – zu offen Hor­chen­den wer­den. Mit aus­drucks­voll vor­ge­tra­ge­nen berüh­ren­den Gedich­ten und Tex­ten unter­schied­li­cher Autoren bau­te die Künst­le­rin dann immer wie­der Brü­cken zwi­schen Leben und Ver­gäng­lich­keit, zwi­schen Schön­heit und Tod. Wir haben die Ewig­keit erfun­den, weil wir die Ver­gäng­lich­keit nicht aus­hal­ten“, stell­te Ste­fan Noel­le fest – nur um dann in sei­nem hin­ter­sin­ni­gen Lied auf­zu­de­cken, dass die Ewig­keit lügt“. Das inspi­rier­te wie­der­um Gei­ers­ber­ger zu der dop­pel­deu­ti­gen Anmer­kung: Eine ewi­ge Gegen­wär­tig­keit ist unaus­halt­bar. Dar­um genie­ße den Augenblick.“

P1003104 Foto: Wolfgang Terhörst

Für Hei­ter­keit sorg­te das Ver­le­sen von oft selbst­iro­ni­schen Mar­terl-Sprü­chen, in die Gei­ers­ber­ger das Publi­kum mit­ein­be­zog – zuvor hat­te sie ent­spre­chen­de Zet­tel­chen ver­teilt. Die kön­nen sie dann behal­ten, sozu­sa­gen als Hand­out“, kom­men­tier­te sie ver­schmitzt. Ein lus­ti­ger oder hin­ter­sin­ni­ger Fried­hofs­spruch als Hand­rei­chung, als Merk­zet­tel eines Abends zur Ver­gäng­lich­keit? War­um nicht: Der Tod ist noch ernst genug. Das eigent­li­che Fazit aber hin­ter­ließ die Künst­le­rin den Besu­che­rin­nen und Besu­chern mit dem Aus­zug eines Gedichts von Hil­de Domin:

Viel­leicht wird nichts ver­langt
von uns
als ein Gesicht
leuch­ten zu machen,
bis es durch­sich­tig wird.

Text und Bil­der: Wolf­gang Terhörst

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