Schönheit mag man da noch unterbringen, aber Kabarett und Tod? Etliche Neugierige wollten sich am Donnerstagabend, 28. November im großen Saal des Hauses freilich ein eigenes Bild machen. Enttäuscht wurden sie nicht – auch wenn die Aufführung vielleicht etwas anders war als das Programm zunächst vermuten ließ. Denn die beiden Künstler boten eine famose, symbiotische Darbietung, mehr eine szenische Lesung, eine poetisch-musikalische Darbietung mit Sprach- und Ton-Akrobatik. Wobei … Ruth Geiersberger baute durchaus auch kabarettistische Elemente ein, dadurch, dass sie ständig in Bewegung war: mal durch den Mittelgang schreitend, mal vor dem Publikum stehen, mal sitzend oder liegend auf dem als Bühnenelement dienenden einfachen Holzsarg, der eher einer Truhe glich. Und immer wieder auf dem roten Sessel daneben – hineingekuschelt, auf der Lehne sitzend oder gar stehend auf dem Polster.
Was Geiersberger mit ihrer Stimme hervorrufen kann, beeindruckte die Besucherinnen und Besucher ein ums andere Mal. Etwa als sie unterschiedlichste Stimmlaute zu einem Strom verschmelzen ließ, mal leise, dann wieder in der Lautstärker anschwellend. Oder als sie locker den fraulichen und den männlichen Part eines Karl-Valentin-Dialogs so sprechen konnte, dass die Figuren ganz eigene Charaktereigenschaften offenbarten, allein über die Stimme. Stefan Noelle begleitete Geiersberger dabei kongenial durch sein Gitarrenspiel, vor allem aber durch den virtuosen Gebrauch seiner Rahmentrommel und Trommelstöcke. Ersterer entlockte er beispielsweise zarte Windgeräusche, mit letzteren nutzte er durch den Saal wandernd alles als Resonanzboden, was ihm passend erschien: Wände, Stuhllehen, Fenster, Heizungen, Sesselrücken – und das kleine Totenglöcklein, dessen Klang auch Geiersberger immer wieder einbaute.
Packten die Töne das Publikum auf ihre Weise, so taten die Worte das ihre dazu, dass der Abend zu einem eindringlichen, heiter-ernsten Nachdenken über die Vergänglichkeit wurde. „Wenn es doch EINMAL nur so ganz still wäre“, wünschte sich Geiersberger gleich zu Beginn. Wir alle müssten viel stärker von Hörenden – die schon etwas Bestimmtes erwarten – zu offen Horchenden werden. Mit ausdrucksvoll vorgetragenen berührenden Gedichten und Texten unterschiedlicher Autoren baute die Künstlerin dann immer wieder Brücken zwischen Leben und Vergänglichkeit, zwischen Schönheit und Tod. „Wir haben die Ewigkeit erfunden, weil wir die Vergänglichkeit nicht aushalten“, stellte Stefan Noelle fest – nur um dann in seinem hintersinnigen Lied aufzudecken, dass „die Ewigkeit lügt“. Das inspirierte wiederum Geiersberger zu der doppeldeutigen Anmerkung: „Eine ewige Gegenwärtigkeit ist unaushaltbar. Darum genieße den Augenblick.“
Für Heiterkeit sorgte das Verlesen von oft selbstironischen Marterl-Sprüchen, in die Geiersberger das Publikum miteinbezog – zuvor hatte sie entsprechende Zettelchen verteilt. „Die können sie dann behalten, sozusagen als Handout“, kommentierte sie verschmitzt. Ein lustiger oder hintersinniger Friedhofsspruch als Handreichung, als Merkzettel eines Abends zur Vergänglichkeit? Warum nicht: Der Tod ist noch ernst genug. Das eigentliche Fazit aber hinterließ die Künstlerin den Besucherinnen und Besuchern mit dem Auszug eines Gedichts von Hilde Domin:
Vielleicht wird nichts verlangt
von uns
als ein Gesicht
leuchten zu machen,
bis es durchsichtig wird.