
Bischof Stefan Oster hat am 14. Januar in Burghausen vor interessiertem Publikum zum zweiten Mal Einblicke aus erster Hand in die kürzlich zu Ende gegangene Weltbischofssynode gewährt – und Vorschläge für die weitere Entwicklung einer synodalen Kirche im Bistum Passau vorgestellt.
„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Viele werden das Zitat aus Bertold Brechts Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ kennen. Ein wenig so mag es auch vielen Teilnehmern und interessierten Beobachtern gegangen sein, als am 27. Oktober vergangenen Jahres ein vierjähriger weltweiter Prozess zum Thema Synodalität in der Kirche zu Ende ging. Der Vorhang fiel, weil Papst Franziskus auf die von Bischöfen wie Laien erwartete Interpretation und Handlungsanweisung aus seiner Feder verzichtete und stattdessen kurzerhand das Abschlussdokument der Weltsynode in einer später nachgereichten Note zum „ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri“ erklärte – ein gut 60-seitiges Schreiben mit 155 Unterpunkten.
Die Klärung offener oder zumindest offen gestellter Fragen – besonders aus dem deutschen Kirchenvolk etwa zum Diakonat der Frauen –, wurde vom Papst schon zuvor in Arbeitsgruppen verwiesen, weil hier aus seiner Sicht „mehr Zeit notwendig ist, um zu Entscheidungen zu gelangen, die die gesamte Kirche betreffen“. Ob in dem seiner Meinung nach wenig konkreten Abschlussdokument nicht ein Keim für weitere Zerwürfnisse liege? Das wollte ein Teilnehmer im zweiten Teil des Abends von Bischof Stefan wissen. „Ich hoffe nicht“, antwortete dieser und gab zu, dass manche diese Befürchtung äußerten. Es sei entscheidend, weiter im Geist gegenseitigen Wohlwollens unterwegs zu sein – genau das habe man während der Synode eingeübt. Das vorurteilsfreie Hören aufeinander, verbunden mit dem Hören auf den Heiligen Geist ist für den Bischof der Kern einer synodalen Kirche und wichtigste Frucht der Synode – und das möchte er künftig auch strukturell stärker im Bistum verankern.
Doch vor sein Fazit hatte Oster im ersten Teil des Abends im „Haus der Begegnung Heilig Geist“, pointiert eingeleitet durch Referent Ludwig Raischl, den Ablauf des mehrjährigen synodalen Prozesses (2021−2024) rekapituliert und dabei auch einige Anekdoten aus Rom zum Besten gegeben. Ganz begeistert sei beispielsweise einer der 16 Beobachter anderer christlicher Konfessionen gewesen. Der Präsident des Weltrats methodistischer Kirchen, der Koreaner Jong Chun Park habe ihm angesichts des guten Miteinanders trotz vieler Differenzen gesagt: „I love pope Francis. I think I’m a catholic methodist!“ (Ich liebe Papst Franziskus. Ich glaube ich bin ein katholischer Methodist) Insgesamt, so Bischof Stefan, sei es bei der Weltsynode – ganz anders als beim deutschen Synodalen Weg – nicht um kirchenpolitische Themen gegangen, sondern viel grundlegender um eine Idealvorstellung des Miteinanders in der Kirche, auch in Entscheidungsprozessen. Synodalität solle nach dem Wunsch von Papst Franziskus die bestimmende Lebens- und Handlungsweise der Kirche sein bzw. werden („modus vivendi et operandi“). Das meine Strukturen und Prozesse, die sich durch Partizipation möglichst vieler, Transparenz, Rechenschaftspflicht und Evaluation (Überprüfung) auszeichnen. Entscheidungen sollen in der Vorbereitung eine breite Basis bekommen („decision making“), aber letztverantwortlich von der Kirchenhierarchie getroffen werden („decision taking“).
Das Abschlussdokument der Weltsynode ist für Bischof Stefan Oster wie ein Vermächtnis des nun 88 Jahre alten Pontifex: „Papst Franziskus gibt uns einen Interpretationsschlüssel seines Pontifikats, er sagt uns, wie er verstanden werden will.“ „Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“, habe Papst Franziskus schon 2015 bei einer Veranstaltung zum 50. Jahrestag der Errichtung der Bischofssynode betont. Unmittelbar verbunden mit dem Abschlussdokument der jüngsten Synode ist zudem die in der letzten Synodenwoche veröffentlichte Enzyklika „Dilexit nos – Über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi“. Darin wirbt Franziskus für eine missionarische Kirche, die überzeugend von der Liebe Christi spreche: „Christus bittet dich, dass du dich ohne Scham zu deiner Freundschaft mit ihm bekennst, ohne es freilich an Klugheit und Respekt fehlen zu lassen. Er bittet dich, den Mut zu haben, den anderen zu sagen, dass es dir guttut, ihm begegnet zu sein“ (211). So wird die Sache rund: rechtes Unterwegssein im rechten Sinne.
In den Niederungen kirchlicher und kirchenpolitischer Einzelfragen freilich wird sich zeigen müssen, inwieweit ein synodaler Umgang im Sinne des Papstes zur Befriedung einer im säkularen Feuer stehenden Kirche hierzulande führt. Bischof Stefan Oster jedenfalls machte an diesem Abend in Burghausen deutlich, dass er für sein Bistum an einer immer stärker synodalen Kirche von Passau arbeiten möchte und stellte einige Punkte auf dem Weg dahin vor:
• Einüben der Methode „Gespräch im Hl. Geist“ auf lokaler und diözesaner Ebene
• Weiterbildung in Synodalität für Haupt- und Ehrenamtliche
• Synodalität mitdenken und ‑leben in Prozessen der Bildung der Pastoralen Räume
• Synodalität als Baustein für Neugestaltung der Visitation
• Einbeziehung der Gemeindeberatung
• Wie können Pfarrgemeinderat, Dekanatsrat, Diözesanrat oder Verbände synodaler werden?
• Gegebenenfalls Umbau, Ergänzung, Erneuerung der Strukturen (z.B. Festschreibung in Statuten)
Skeptisch zeigte sich Bischof Stefan allerdings auf die Frage von Pfarrer Erwin Jaindl im Publikum, ob wir nun wieder mit einer Einheit der Bischöfe in Deutschland rechnen könnten. Er habe in Frankfurt (dort fanden die bislang fünf Versammlungen des Synodalen Weges statt) genau das Gegenteil dessen erlebt, was der Papst mit Synodalität meine, so Oster. Bestimmte Themen könnten nicht einfach zur Abstimmung gestellt werden: „Wir dürfen die Wahrheit nicht einfach freigeben“. Denn Wahrheit ohne Liebe tendiere zur Grausamkeit und Liebe ohne Wahrheit zur Beliebigkeit.
Ob denn Synodalität im Sinne des Papstes dann ein Prinzip der Wahrheitsfindung sei, wollte ein weiterer Zuhörer in der von Referentin Brigitta Neckermann-Lipp mit zwei Schweigeminuten eingeleiteten Fragerunde wissen. „Ja“, antwortete der Bischof, vor allem auch das Hören im Heiligen Geist – „aber haben wir genug Geduld dafür?“ Eine Frage, die uns alle angeht, und die bleibt von einem offenen, informativen und auch kurzweiligen Abend, der gewiss noch einige Gäste mehr verdient gehabt hätte.
Fotos und Text: Wolfgang Terhörst