Die beiden zurückliegenden Tage Montag und Dienstag galten der biblischen und neueren Geschichte Israels: Das Ziel war zunächst die Menora, der große siebenarmige Leuchter, der vor dem Parlament des Staates Israel, der Knesset, steht.
Bibelschule des Propädeutikum — Einblicke von Dr. Bernhard Klinger
Die beiden zurückliegenden Tage Montag und Dienstag galten der biblischen und neueren Geschichte Israels: Das Ziel war zunächst die Menora, der große, siebenarmige Leuchter, der vor dem Parlament des Staates Israel, der Knesset, steht. Die Motive, die auf der Menora dargestellt sind, greifen vor allem auf biblische Erzählungen und Momente zurück. Zusammen mit den biblischen Motiven und Motiven aus der Geschichte des Judentums verweist die Menora vor der Knesset auf die Identität Israels. Bewusst wählten wir wieder den Fußweg dorthin; nicht nur, dass es angesichts des dichten Verkehrs mit dem Bus nicht wesentlich schneller gegangen wäre, sondern zu Fuß bekommt man auch deutlicher mit, dass Jerusalem nicht nur die berühmte Altstadt mit dem Suk (Markt), der Grabeskirche und dem Felsendom ist, sondern eben auch eine moderne Stadt.
Der Besucherandrang an der Menora hielt sich an diesem Vormittag in Grenzen, so dass wir dort im Schatten und in Ruhe zwei Referate der Propädeutiker zum modernen Staat Israel und dem Nahostkonflikt sowie zu Qumran und seinen Schriftrollen hören konnten.
Mit dem zweiten Referat war dann auch die Brücke gelegt zum zweiten Programmpunkt des Vormittags: dem Israel-Museum. Dieses Museum lässt einen eintauchen in eine reiche Geschichte. Die immense Fülle dessen, was zu sehen und zu erfahren ist, macht eine Auswahl notwendig. So beschränkten wir uns zusammen mit der deutschsprachigen Museumsführerin zum einen auf den „Shrine of the Books“, auf die Abteilung, die Einblick gibt in die Funde der Schriftrollen von Qumran, durch die uns auch biblische Texte überliefert sind; zum anderen auf das 1:50-Modell der Stadt Jerusalem, wie man sie sich zur Zeit des Zweiten Tempels etwa 66 n.Chr. vorstellen kann. Anschließend führte uns Rita, so hieß die Deutschschweizerin, die seit 50 Jahren in Jerusalem lebt und deren Familie die Flucht vor den Nazis gelungen war, durch die Abteilung für „Jüdische Kultur und jüdisches Leben“. Sehr anschaulich und mit einem für ihr Alter enormen Elan ließ sie die reiche Geschichte ihrer religiösen Kultur lebendig werden und ging auch sehr gerne auf die Fragen unserer Gruppe ein.
Im Anschluss an den Museumsbesuch war dann wieder intensive Lesezeit angesagt, zu der sich die Propädeutiker entweder in das Gästehaus der Abtei oder auch in eine Ecke Jerusalems zurückziehen konnten. Allerdings ist es gar nicht so einfach, in Jerusalem tatsächlich eine ruhige Ecke zu finden…
Der Dienstag widmete sich ebenfalls der Geschichte, allerdings einem sehr schrecklichen Kapitel der Geschichte des Judentums: Wir besuchten Yad Vashem, die Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust. „Yad Vashem“ bedeutet übersetzt: „Denkmal und Name“; dieser Worte stammen aus Jes 56,6, wo es heißt: „Ihnen gebe ich in meinem Haus und in meinen Mauern Denkmal und Namen. Das ist mehr wert als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich einem jeden, der nicht ausgetilgt wird.“ Freilich wird an den Schulen heutzutage sehr ausführlich und intensiv die Nazizeit und die Vernichtung der Juden im Holocaust thematisiert, aber die Gedenkstätte Yad Vashem verdichtet die Schrecklichkeit und diese unvorstellbare Menschenverachtung in einer Weise, die sehr tief berührt, sprachlos macht und bei nicht wenigen Besuchern zu Tränen führt.
Der anschließende Besuch auf dem Mahane-Yehuda-Markt war als Kontrastprogramm ein bewusst ausgesuchtes Ziel, um bei aller Nachdenklichkeit und Betroffenheit auch wieder Lebendigkeit zu erleben.
Den Mittwoch erlebten wir als einen besonderen und sehr dicht gefüllten Tag: besonders deswegen, weil wir ihn erstmals zusammen mit der Gruppe aus dem Linzer Propädeutikum verbrachten; sehr dicht angesichts der vielen Eindrücke, die die Stunden dieses Tages in Palästina mit sich brachten. Regens Martin Dengler und sein Kollege Regens Erwin Hintermayr hatten im Vorfeld schon eingeplant, diesen Tag gemeinsam zu verbringen. Begleitet wurden wir außerdem von unserer palästinensischen Führerin Khadra Zreineh: Khadras Eltern waren in den 1960er Jahren nach Deutschland ausgewandert; Khadra war in Deutschland geboren und aufgewachsen, ging aber dann in den 1970er Jahren eher unfreiwillig als freiwillig nach Palästina zurück und heiratete dort. Sie ist Christin, lebt ihren Glauben sehr intensiv und setzt sich hoch engagiert für Versöhnung und ein respektvolles Miteinander ein. In ihr verbinden sich gewissermaßen zwei Kulturen: unsere europäisch-deutsche Kultur, mit der sie aufgewachsen ist, und die palästinensische Kultur, in die hinein sie geboren wurde und in der sie nun mit ihrer Familie lebt.
Mit ihr besuchten wir zunächst Herodion, die von König Herodes d.Gr. errichtete Festungs- und Palastanlage; Herodes d.Gr. ist als der König bekannt, der den Kindermord von Betlehem befohlen hatte; er war bei seinen Untertanen alles andere als beliebt, da er sein Volk unterdrückte und ausbeutete und sich letztlich bei der Besatzungsmacht, den Römern, anbiederte. Vom Herodion ging es weiter zu den Hirtenfeldern: sowohl zu den orthodoxen und als auch den katholischen Hirtenfelder in Bayt Sahur, einem Ort, der zu Betlehem gehört. Bei katholischen Hirtenfeldern wurde es geradezu weihnachtlich! Gemeinsam mit dem Linzer Propädeutikum feierten wir die Eucharistie – und stimmten dann doch mit zwei weihnachtlichen Liedern ein – zwar nicht unbedingt in die Schar der Engel, aber zumindest in die Schar all der Pilgergruppen, die ebenfalls auf den Hirtenfeldern waren. Da fielen dann gewissermaßen Weihnachten und Pfingsten zusammen: Denn auch wenn „Engel auf den Feldern singen“ oder sogar „Stille Nacht“ in sehr unterschiedlichen Sprachen zu hören waren, verstand doch einer den anderen.
Von den Hirtenfeldern aus fuhren wir weiter nach Bayt Jala, wo wir sowohl die Kirche des Hl. Nikolaus von Myra besuchten, der dort für einige Jahre gelebt und gewirkt hatte, als auch das Priesterseminar für das Lateinische Patriarchat für Jerusalem: Es ist letztlich das Priesterseminar für ein Gebiet, das die Palästinensischen Autonomiegebiete, Israel, Jordanien und Zypern umfasst. Dann war es Zeit für das Mittagessen: Wir durften im Haus von Kadrahs Großeltern traditionelle palästinensische Küche genießen, bevor es weiter ging zur Geburtskirche in Betlehem.
Der Andrang der Pilger, die in die Geburtsgrotte wollten, war enorm – so enorm, dass wir annähernd zwei Stunden hätten warten müssen, um selbst den Ort zu sehen oder ihn gar zu berühren, an dem an die Geburt Jesu erinnert wird. Wir hielten es dann eher mit dem bekannten Zitat von Angelus Silesius („Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.“) und ließen uns von Kadrah in die katholische Geburtskirche und die dortige Geburtsgrotte führen, die auch zu dem Höhlensystem unter der Geburtskirche gehört und von der griechisch-orthodoxen Geburtsgrotte nur durch eine Mauer getrennt ist.
Wer meinte, nun würden wir die Rückfahrt nach Betlehem antreten, täuschte sich! Wir beteten nämlich noch ein Gesätzchen Rosenkranz zusammen mit der maronitischen Gemeinde von Betlehem: Kadrah hatte eine kurze Begegnung im dortigen Gemeindezentrum arrangiert: In der dortigen Gemeinde wäre ohnehin der Rosenkranz vor der Abendmesse gebetet worden – und Kadrah wusste es zu organisieren, dass wir ein Gesätzchen vorbeteten und die maronitischen Schwestern und Brüder auf Arabisch nachbeteten. Das Gebet verbindet!
Dann aber ging es wirklich zurück nach Jerusalem – erfüllt von vielen Eindrücken und Informationen, wie Christen in Palästina ihr Leben bestreiten und wir ihnen helfen können, sowie bereichert von sehr viel Herzlichkeit und Glaubensfreude, die uns an diesem Tag begegnet waren!
War der Mittwoch sehr dicht gepackt, war der Donnerstag ein eher ruhiger Tag, der allerdings sehr früh begann: Um 6.00 Uhr standen wir in der Grabeskirche auf Golgota und feierten Eucharistie. Und nach dem Frühstück im Gästehaus führte uns Frater Simeon durch die Abteikirche und die Abtei – und ließ die Propädeutiker teilhaben daran, wie es sich lebt als Benediktiner im Hl. Land ist. Zugleich war der Donnerstag für Israel ein Feiertag: Man gedacht der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948. Für die Israelis ein Grund zur Freude – wie es anderen Menschen im Land damit ging und geht, hatten wir am Vortag erfahren.