Klare Vorstellungen davon, wie die katholische Kirche ihrer Überzeugung nach Zukunft haben kann, formulierten die Teilnehmer an der Vollversammlung des Diözesanrates der Katholiken im Bistum Passau am Wochenende. In vier Gruppen – analog zu den diskutierten Grundvollzügen in den Pfarrgemeinden Verkündigung (Martyria), Menschendienst (Diakonia), Feiern von Gottes Gegenwart (Liturgia) und Gemeinschaft (Koinonia) – erarbeiteten die Laien unter dem Motto „Wir sind also Gesandte an Christi statt“ aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther (5,20) Forderungen, beispielsweise den Wunsch nach einer „einladenden Kirche“, die niemanden ausgrenzt.
Den Impuls dazu, ihre Rolle als engagierte Laien in der Kirche selbstbewusst darzustellen und deutlich Farbe zu bekennen, gab Domkapitular und Passaus Dompfarrer Dr. Michael Bär zu Beginn des zweiten Tages der Veranstaltung im Exerzitien- und Bildungszentrum Spectrum Kirche in Passau-Mariahilf. „Wir alle sind gesalbt mit Chrisam“, wie dies auch bei einer Priesterweihe erfolge, gab der Geistliche zu bedenken und leitete daraus auch ein Propheten-Dasein für alle Christen ab. „Wir müssen Gemeinde bauen“, lautete Dr. Bärs Appell. Er ermutigte die Zuhörer damit, im Sinne der Ecclesia aus den Häusern herauszurufen: „Kommt zu uns.“
Als Moderatorin verwies Dr. Hanna Seidl auf die organisatorischen Umstrukturierungen innerhalb der Diözese, worauf das Mitglied des Domkapitels die Aussage von Bischof Dr. Stefan Oster bekräftigte: „Wir lösen keine Pfarrei auf.“ Freilich würden die Räume größer, womit Dr. Bär auf Zusammenlegungen von Pfarreien anspielte, wodurch ein junger Pfarrer plötzlich zwei mehr und damit bis zu sieben Pfarreien zu betreuen habe. Keinen Hehl machte er daraus, dass somit auch die Rolle des Pfarrers als Ansprechpartner zusehends verlorengehe. Auf die Zwischenfrage von Dr. Hanna Seidl nach der Rolle der Ehrenamtlichen erkannte Dr. Bär keine so große Veränderung. „Wir sind ja alle Gesalbte“, erwiderte er und rief dazu auf, gut hineinzuhören, „was die Leute brauchen.“
Kein Geheimnis machte der Domkapitular auch aus der Tatsache, dass mittlerweile zwischen 55 und 60 indische Priester im Bistum Passau eingesetzt sind – „über ein Drittel“. Er skizzierte die drei möglichen Varianten, auf den Priestermangel zu reagieren: das bisherige Vorgehen mit indischen Mitpriestern oder das Angebot an sonntäglichen Eucharistiefeiern so zu reduzieren, dass es aus eigener Kraft zu leisten ist, oder aber eine größere Vielfalt, die auch die Form des Wortgottesdienstes mit einschließt. „Das hatten wir schon mal, wurde aber reduziert“, räumte Dr. Bär offen ein, machte aber auch deutlich, dass dazu die Ausbildung von Wortgottesdienstleitern obligatorisch ist und da der Schwerpunkt auf den Laien liegt. „Vor solchen Entscheidungen stehen wir jetzt“, fügte er hinzu.
Die zu Beginn von Birgit Geier aufgeworfene Frage, was die Laien die Umsetzung der vier Grunddienste der Kirche angehe, die zurückzubleiben drohe, und die benötigten Grundlagen dazu standen im Mittelpunkt der Arbeitsrunden. Denn gerade jetzt müssten die Ehrenamtlichen „in die Gänge kommen“ und neu denken, „wo wir authentisch sein können als Laien.“ Die Moderatorin, wie Dr. Hanna Seidl Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Diözesanrates, wünschte sich von den Teilnehmern, „ein bisschen visionär“ zu sein und sich das „Träumen in Christi Namen“ zu erlauben, damit künftig die vier genannten Bereiche „gut gelebt“ seien im Sinne der Eucharistie.
Für ihre Gruppe präsentierte Barbara Kalchauer, Gemeindereferentin in Fürstenzell, die erarbeiteten Ergebnisse. „Liturgie kann nur mit allen Christen gelingen“, betonte sie und merkte ergänzend dazu an, dass auch die Leitung durch Laien dazu von Bedeutung sei. Als wichtig werde unter anderem unter dem Aspekt Diakonie Offenheit, auf Menschen zuzugehen, erachtet, ebenso der Gesichtspunkt, Orte der Begegnung in der Pfarrgemeinde im Auge zu haben, um Gemeinschaft zu erreichen. Man müsse sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass nicht nur der Priester Verkündigung leiste, sondern alle in dieser Aufgabe tätig seien – „in Wort und Tat.“
Als wichtigsten Punkt einer weiteren Gruppe standen „Glaubwürdigkeit im Alltag“ im Raum und der Aspekt, wie und wo Christus heute predigen würde. Im Sinne von Aussagen des Papstes Franziskus müsse man „an die Ränder gehen“ und bereit sein, Not wahrzunehmen. In punkto Klerikalismus stand die Unterstützung der Laien-Arbeit durch Hauptamtliche im Wunschkatalog – verknüpft mit der Anregung, der Bischof möge doch mal für 14 Tage eine Pfarrei hauptamtlich übernehmen. „Mal schauen, wie’s ihm geht“, hieß es unter dem Applaus aller Teilnehmer und dem Zwischenruf „Super-Idee“.
„Frauen als Diakoninnen“ war auf einem der Merkzettel einer weiteren Gruppe zu lesen, außerdem die Wiederbelebung des Bereiches der Wortgottesdienste. Ein Kritikpunkt: „Gottesdienste müssen übersetzt werden“, sie sollten in ihren Inhalten mehr verständlich sein. Ganz oben thronte der Wunsch nach einem gemeinsamen Abendmahl mit den Schwestern und Brüdern der evangelischen Kirche, dazu „Aktives Zuhören“ im Umgang mit den Mitmenschen, gepaart mit der Möglichkeit für Laien, beispielsweise die Krankenkommunion zu spenden, und sich an die Hospiz-Arbeit heranzuwagen. Ziel sei es, Caritas als Aufgabe für jeden Christen zu verstehen – als „gelebten Glauben“.
Laien sollten mehr zu Wort kommen im Gottesdienst, darüber hinaus auch Beerdigungen übernehmen dürfen, so stellten sich weitere Ergebnisse aus dieser Gruppe dar, deren Fazit darin mündete, eine Kirche zu sein, die auch auf Menschen zugeht, nachdem sie sich von ihr entfernt haben. „Ökumene zulassen und Wiederverheiratete beheimaten“, lautete das klare Postulat, dazu den Glauben vorzuleben und ein „Diakonat der Frauen plus“ anzustreben.
Die digitalen Medien besser zu nutzen und zu beachten, dadurch eine Vernetzung auch auf Dekanatsebene zu erreichen, durch die beispielsweise auch einmal eine Sonntagspredigt online gestellt werde, diese Gedanken hatte die vierte Gruppe gemeinsam erarbeitet. Auch eine Vernetzung in der Verkündigung erschien ihr offensichtlich wichtig, nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Familie, im Altenheim oder im Kindergarten. Hier wurde ebenso Kritik laut an einer oft zu „kirchischen“ Sprache. Eine weitere Ansage mit Nachdruck: „Wortgottesdienste besser wertschätzen und nicht als Lückenbüßer sehen für Priestermangel.“ Gottesdienste sollten dort gefeiert werden, wo Menschen im Alltag Gemeinschaften bilden. Eine Zwischenbemerkung aus dem Plenum verlangte von der Kirche die Segnung für alle, auch zum Beispiel von Homosexuellen.
Als Beweis dafür, „dass Kirche uns am Herzen liegt“, wertete der Diözesanratsvorsitzende Markus Biber das engagierte Mittun bei der Vollversammlung. Deren Resultate werde er dem Bischof präsentieren, versprach er und kündigte eine Zusammenfassung als sogenanntes Hand-out für alle an, um später nachschauen zu können, was daraus geworden sei – „dass das nicht verpufft.“ Für die Aktivitäten in den Pfarrgemeinden verteile er ein Arbeitsblatt, um die jeweilige Situation abzuklopfen – „vielleicht eine Art Checkliste“, die eventuell auch Grundlage für künftige Pfarrvisitationen sein könne. Zum Fazit „Wir alle sind Verkünder des Wortes Gottes“ stellte Biber die Überlegung an, einen Studientag dazu anzubieten.
Beim Abschlussgottesdienst mit Domkapitular Prälat Manfred Ertl trugen einzelne Teilnehmer während der Predigt ihre persönliche Mission aus der Vollversammlung heraus vor. Eine davon lautete: „Gott erfahrbar machen mit offenen Ohren und offenen Herzen.“ Eine andere war wie folgt formuliert: „Glauben durch Taten sichtbar machen.“ Ertl zitierte dazu einen Ausspruch von Papst Benedikt XVI. bei dessen Altötting-Besuch im Jahr 2006: „Wer glaubt, ist nie allein.“
Text + Fotos: Bernhard Brunner