Jetzt, wo die Corona-Pandemie am abebben ist, wird immer deutlicher, wie sehr sie die Gesellschaft und jeden Einzelnen verändert hat, positiv wie negativ. Auf der Negativ-Seite sind leider auch die persönlichen Krisen der Menschen zu verzeichnen, und zwar in allen Lebensbereichen und quer durch alle Altersgruppen. Helmut Höfl hat genau damit als Leiter der Ehe‑, Familien- und Lebensberatung im Bistum Passau tagtäglich zu tun – und jetzt noch mehr als je zuvor. Im Interview mit Thomas König spricht er über das Thema „Ehe‑, Familien- und Lebensberatung in Coronazeiten“:
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Probleme und Leidtragende
Die Leidtragenden der Corona-Pandemie sind, laut Helmut Höfl, Leiter der Ehe‑, Familien- und Lebensberatung im Bistum Passau, neben den Frauen vor allem die Familien. „Statistisch gesehen ist bei uns die Nachfrage nach Beratungsangeboten wie beispielsweise Telefonberatung um 17 Prozent gestiegen“, erklärt er. Besonders problematisch seien Einsamkeit und der fehlende Beistand durch Familie, Angehörige und Freunde, v.a. bei kranken oder sterbenden Menschen. „Gerade in Todesnot brauchen Menschen Beistand.“ Der durch die Pandemie bedingte Stopp hatte laut Höfl eine ungeheure Wirkung sowohl auf die Überlebenden als auch auf die Verantwortlichen wie beispielsweise Ärzte oder Pflegepersonal. Ängste und Zwangserkrankungen hätten durch die Pandemie deutlich zugenommen, besonders im zweiten Lockdown – und hier gerade auch in den Familien. Zu Beginn der Pandemie hätten Familien das Anhalten des Hamsterrads des modernen Lebens noch (zumindest bedingt) genossen. Das habe sich allerdings im zweiten Lockdown gedreht und häufig ins Gegenteil verkehrt, so Höfl. Zunehmend als Problem habe sich hier die intensive Nähe und fehlende Distanz herausgestellt. „Das Thema Platz im Eigenheim hatte plötzlich eine völlig neue Relevanz“, erklärt Höfl. Homeoffice der Eltern, Homeschooling der Kinder, Freizeitgestaltung – all das musste plötzlich in den eigenen vier Wände funktionieren. „Eine Riesenherausforderung für die Familien“, meint Höfl. Selbstverständlich komme es da über kurz oder lang auch einmal zu Reibereien, wenn beispielsweise über Platz oder Rituale diskutiert wird.
Glaube als tragende Säule
Das kirchliche Leben betreffend habe Corona einen starken Einbruch bedeutet, meint Höfl. So hätten gerade an Ostern 2020, als keine Präsenzgottesdienste gefeiert werden durften, gerade bei kirchenaffinen Menschen regelrecht die „Glocken der Sehnsucht“ geläutet. Die urchristliche Botschaft „Es wird schon alles gut!“ sei aber nichtsdestotrotz gelebt worden. „Es gab ja viele Familien, die damit zurechtkommen mussten, dass ein Angehöriger erkrankt oder gar verstorben ist“, erklärt Höfl. Entspannend und entlastend wirke hier die Sicherheit des Getragen-Seins von Gott und die Bindung zu Gott, die stärker ist als der Tod.
„Überall dort, wo Glaube eingeübt und gelebt wird, trägt das natürlich tolle Früchte.”
Kreative Lösungen
Dass die Menschheit kreativer sei, als man oft meinen möchte, habe sich in der Pandemie gezeigt, so Höfl. Nicht zuletzt die Technik habe vieles ermöglicht. „Sogar Oma und Opa haben in manchen Familien einen Kurs in Videotelefonie gemacht, um mit den Enkelkindern kommunizieren oder miteinander Videospiele spielen zu können“, freut sich der EFL-Leiter und führt als zwei weitere Beispiele Bewegungsparcours in Hochhäusern und Gesellschaftsspiele an. All das zeige, dass viele durchaus mit der Situation der Geschlossenheit zurechtkämen.
Probleme der jungen Generation
Die neusten Statistiken zeigten eine Hochbelastung von Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie. Mehr noch: Kinderpsychiater sprächen hier von einer regelrechten Triage, erklärt Höfl. Wie sehr die Seelen von Kindern und Jugendlichen gelitten hätten, zeige sich jetzt zum Ende der Pandemie durch den Ansturm auf die Beratungsstellen. Insbesondere der mangelnde Kontakt zu Gleichaltrigen hätte den Heranwachsenden zu schaffen gemacht. Übermäßige Internetnutzung bis hin zur Internetsucht, permanente Ablenkung sowie Störungen im Sexualverhalten (Jugendpornografie, Pornosucht) häufige daraus resultierende Problematiken. Höfl verwies aber darauf, dass etliche akute Störungen wie z.B. Ablenkung, Schlafstörungen, Ticks nach einer gewissen Zeit der Normalität wieder von selbst verschwinden. Zu einer Behandlung rät er, wenn sich aus Verhaltenssüchten ernsthafte Störungen entwickeln.
Die EFL
Der Fokus der Ehe‑, Familien- und Lebensberatung (EFL) liegt auf der Paartherapie und der Familienberatung. Einzelpersonen steht die EFL als Lebensberatungsstelle beispielsweise in Stresssituationen, Störungen und Krankheiten, Trauerbewältigung, Arbeitsplatzverlust usw. zur Seite.