Reaktion von Bischof Stefan auf die Kritik:
Als Christ bin ich der Überzeugung, dass beides zusammengehört: Der Einsatz für die Bewahrung unserer Schöpfung und der Schutz des Lebens, vom Zeitpunkt der Empfängnis bis zum letzten Atemzug. Die Bereitschaft, Verantwortung für Gottes Schöpfung zu übernehmen, finde ich bei den vielen jungen Menschen vor, die gegen eine rücksichtslose Ausbeutung unseres Planeten unter dem Motto „Fridays for Future“ auf die Straße gehen. Als Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz fühle ich mich den jungen Menschen und ihren Anliegen nahe. Und im Blick auf ihr Anliegen bin ich durch sie tatsächlich sensibler geworden für die Dringlichkeit des Problems. Denn es geht ja nicht nur um das Klima, sondern zum Beispiel auch um das Artensterben oder die Vermüllung der Ozeane oder um die dramatischen Folgen, die vor allem benachteiligte Menschen jetzt schon erleiden.
Als mindestens ebenso dringlich betrachte ich das Anliegen des Schutzes derjenigen, die sich am wenigsten wehren können: Ungeborene Kinder, die durch Abtreibung bedroht sind – und denen beim „Marsch für das Leben“ eine Stimme gegeben wird. Ich möchte außerdem für eine Gesellschaft einstehen, die sich für Frauen, die ungewollt schwanger sind, dergestalt einsetzt, dass sie ihnen Hilfe, Schutz und Zuwendung zukommen lässt – und Probleme nicht mit Abtötung löst. Denn niemand von uns war irgendwann einmal „etwas“ und wurde dann später „jemand“, sondern wir sind von Anfang an „jemand“, auch im Mutterleib. Wir gehören von Anfang an zur Gattung Menschenwesen und sind damit Personen mit Würde und Recht auf Anerkennung, geschaffen als Gottes Abbild.
Diese beiden Grundüberzeugungen, die Bewahrung der Schöpfung und der Schutz des menschlichen Lebens, haben mich also veranlasst zu demonstrieren. Beides gehört übrigens integral zusammen, denn es gibt sowohl in der Natur, wie im menschlichen Leben Dimensionen, die uns nicht zur Verfügung stehen. Weder der Mensch, noch sein Körper, noch die Natur insgesamt sind bloße Verfügungsmasse für egoistische Wünsche des Menschen, sondern haben immer auch ihre eigene Würde und Schutzwürdigkeit.
Ich bedauere sehr, dass von einigen nicht gesehen wird, dass es mir dabei um Grundlegendes geht – und gerade nicht um eine nur vordergründige Einmischung in Tagespolitik. Wo Mensch und Natur zur Verfügungsmasse von Ideologien werden, gräbt sich unsere Gesellschaft die Fundamente ab, auf denen sie ruht. Dass freilich beide Interessen auch wieder gefährdet sind, bloß Ideologie zu werden, liegt nicht in der Natur der Sachen, um die es geht, sondern eher in der Anfälligkeit des Menschen dafür.
Interessant finde ich jedoch allemal, dass ich für meine Teilnahme an beiden Demonstrationen jeweils Zustimmung oder Ablehnung aus den verschiedenen politischen Lagern bekommen habe, zum Teil beides aus demselben Lager. Zugleich erlebe ich vor allem in Internetkommentaren eine dramatische Verrohung des Umgangs miteinander, aber auch extreme Polarisierung. So finde ich mich durch die Teilnahme an beiden Demonstrationen dem Vorwurf ausgesetzt, sowohl Teil einer ökofaschistischen radikalen Linken zu sein (wegen Umweltschutz), wie eben auch Teil einer angeblich braunen Rechten (wegen Lebensschutz). Beide Extreme machen freilich deutlich, dass wir uns als Christen, die für beide Anliegen einstehen, in einer gesunden Mitte befinden.
Und nur nebenbei: Wenn ich doch von einigen Mitgliedern einer C‑Partei so deutlich für meine Teilnahme bei „Fridays for Future“ kritisiert wurde, so merke ich doch zugleich, dass dieselbe C‑Partei beim Thema Lebensschutz nicht erst in jüngster Zeit immer kleinlauter geworden ist. Wenn das so ist: Wie sehr werden dann aber prinzipielle Fundamente gegen parteipolitisches Kalkül abgewogen?
Bischof Dr. Stefan Oster SDB
Stellungnahme des Diözesanrats im Bistum Passau
Kardinal Marx und Erzbischof Schick haben am Montag anlässlich des aktuellen Treffens der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda in Stellungnahmen zur anstehenden Amazonas-Synode an die Grundaufgabe des Christentums zur Bewahrung von Gottes Schöpfung erinnert und der Hoffnung Ausdruck verliehen, ein globales Bewusstsein für diese wichtige Aufgabe zu entwickeln.
Genau dies hat auch Papst Franziskus bereits 2015 in seiner Enzyklika “Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ formuliert und damit jedem Christen ins Stammbuch geschrieben.
In diesem Bewusstsein arbeiten der Diözesanrat mit seinem Sachausschuss Schöpfung und Umwelt sowie die Diözese Passau mit ihrem Umweltbeauftragten seit vielen Jahren an diesem Thema und haben gemeinsam Umweltrichtlinien und ‑standards entwickelt, die laufend fortgeschrieben und umgesetzt werden. Darüber hinaus wurde im Jahr 2016 eine AG Laudato si gegründet, in der eine vertrauens- und wirkungsvolle Zusammenarbeit zu diesem Themenbereich stattfindet.
Die Teilnahme unseres Diözesanbischofs an der Demonstration „Fridays 4 Future“, mit der global für mehr Umweltschutz eingetreten wurde, ist daher nur folgerichtig und wird vom Diözesanrat voll unterstützt.
Aufgrund der massiven und völlig unsachlichen Kritik aus Teilen der Lokalpolitik sind aus unserer Sicht jedoch folgende Klarstellungen nötig:
- Die Behauptung wonach sich die Kirche aufgrund der Trennung von Kirche und Staat nicht in die Politik einzumischen habe zeigt, dass diese Kritiker offensichtlich
a) weder Inhalt und Umfang des Grundrechts auf Versammlungs- und Demonstrations freiheit Art. 8 GG
b) noch das im Grundgesetz niedergelegte partnerschaftliche Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland kennen.
- Diese Kritiker offenbaren darüber hinaus ein bedenkliches Verständnis von Politik und Demokratie, wenn sie darauf Wert legen, dass die Kirche nicht mehr wie im 18. Jahrhundert die Politik zu bestimmen habe, gleichzeitig aber selbst den Mitgliedern der heutigen Kirche vorschreiben möchten, was diese zu tun haben und politisch unliebsame Äußerungen unterbinden möchten, anstatt sich damit auseinanderzusetzen.
- Dem entsprechen auch die Aussagen der Kritiker, die Teilnahme an einer Demonstration sei „ein Hinterherlaufen hinter der Masse“ mit dem Versuch Sympathien zu gewinnen bzw. die Aufforderung, der Bischof solle sich auf seine Arbeit konzentrieren.
Leider verkennen diese Kritiker, dass mit der Teilnahme an einer Demonstration einerseits keine Sympathien gewonnen werden, sondern vielmehr Sympathie für den Demonstrationszweck geäußert wird und andererseits, dass es gerade die Aufgabe eines jeden Christen ist, ob Bischof oder nicht, für christliche Werte wie der Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Dies hätte man sich statt der völlig unbegründeten Kritik an Bischof Dr. Stefan Oster auch von den politischen Kritikern gewünscht.
Text: Markus Biber — Diözesanratsvorsitzender