
Die wohl berühmteste Abschiedsrede, die es je gegeben hat, stammt von Jesus. Genauer genommen sind es drei, die der Johannesevangelist erzählt, und mit einem Gebet an Gott enden. Jugendpfarrer Hubertus Kerscher erklärt in seinem Impuls zum 12. Mai, was es mit den Abschiedsreden Jesu auf sich hat.
Abschiedsreden von Politikern und berühmten Persönlichkeiten wird gerne ein gewisses Gewicht beigemessen. Sie bieten die Chance, die Ziele, die einen geprägt haben, noch einmal zu nennen und das Urteil über das eigene Wirken für Anhänger und späteren Generationen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Besondere Aufmerksamkeit kommt solchen Worten natürlich dann zu, wenn sie kurz vor dem Tod der Person verfasst wurden.
Jesus Christus, die wohl berühmteste Persönlichkeit, die je auf dieser Erde gelebt hat, ist da keine Ausnahme: Der Johannesevangelist erzählt sogar drei große Abschiedsreden Jesu, die er direkt vor seinen Passionsbericht stellt. Diese Abschiedsworte enden mit einem Gebet an Gott, den Vater, – und genau aus diesem Gebet ist das Evangelium des heutigen siebten Ostersonntags entnommen. „Im Angesicht des Todes blickt der Protagonist [also Jesus] auf sein Lebenswerk zurück und bittet Gott für die Hinterbliebenen“, fasst der Theologe Michael Theobald den Inhalt dieses Textes zusammen. Vielleicht überrascht das den ein oder anderen: Warum präsentiert uns die Kirche gerade jetzt, in der Osterzeit, eine Rede, die uns wieder auf die Kreuzigung blicken lässt?
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Nun ja, es liegt an der Natur von Abschiedsreden: Der Johannesevangelist denkt nicht nur an die ersten Jünger. Auch wir, die heutigen Leser, die wir um Ostern schon wissen, auch wir zählen zu den Hinterblieben Jesu. Auch wir sind angesprochen. Auch wir dürfen uns fragen: Was hat sein „Lebens“-Werk, seine Worte, sein Tod und seine Auferstehung mit uns zu tun?
„Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ hören wir Jesus dort beten. Er hat den Jüngern und uns durch sein Wirken Gottes Namen verkündet. Nach antikem Verständnis meint das, er hat uns das Wesen Gottes, seine ganze Identität, nahegebracht. Durch Jesus werden wir hineingenommen in die Beziehung zum Vater. Dieses Beziehungsgeschehen endet nicht mit irgendwelchen Abschiedsworten, es endet nicht einmal mit dem Tod. Es spricht uns auch heute noch an. Dieses Beziehungsgeschehen ist das höchste Ziel Jesu. Es verbindet mich mit allen, die an Christus glauben und lässt mich hoffen, dass auch meine letzten Worte, mein letztes Gebet in dieser Welt, eine Antwort hören wird.
Hubertus Kerscher
Jugendpfarrer