Ein schwieriges Thema stand über dem achten Abend des Glaubenskurses „Einführung in das Christentum“ in Spectrum Kirche, die Frage nach dem Leid. Warum trifft Menschen Leid, will Gott sie damit etwa quälen? Diesem gegen den christlichen Glauben nach dem II. Weltkrieg und nach Ausschwitz erhobenen und in der Nichtexistenz Gottes gipfelnden Vorwurf, widmete sich Prof. Dr. Isidor Baumgartner, bis 2011 Professor für Pastoraltheologie an der Universität Passau. Zum Beginn seiner bedächtigen, dem Thema angemessenen Rede verwies er auf die glücklichen Momente des Lebens, ehe er nach dem Sinn des Leides fragte. In einem ersten Schritt verwies er auf verschiedene Formen des Leides, auf das natürliche, etwa durch Naturkatastrophen ausgelöste Übel, auf das moralische, absichtlich verurteilte Leid, das metaphorische, mit dem Ende des Seins verbundene Übel, auf strukturelle Übel wie etwa die Erbsünde und auch auf das Leid der Tiere.

Im Hauptteil seines Vortrags widmete sich Prof. Baumgartner der Theodizee-Frage: Warum gibt es ein solches Übermaß an individuellem wie kollektivem Leid? Spricht das nicht gegen Gott, kratzt das nicht an seiner Allgüte, Allmächtigkeit und Allwissenheit? Bei dieser in das Zentrum des Gottesbildes führenden Frage trete rasch die Vernunft als Klägerin und Richterin auf, so Baumgartner. Er zitierte Laktanz (250−319), der sagte: „Entweder will Gott und kann es nicht oder er kann es und will es nicht oder er will es nicht und kann es nicht oder er will und kann es: woher kommt dann das Leid und warum nimmt er es nicht hinweg?“
Baumgartner betonte zurecht, dass es bei der Antwortsuche nach der Theisten wie Atheisten bewegenden Frage um das Leid nur um eine verstehende Annäherung an Antworten, nicht jedoch um eine letztgültige absolute Antwort gehen könne. Daher seien Vertröstungen wie Leid fördere die Tugenden, führe zu mehr Wissenserwerb und zu einer Höherentwicklung in der Evolution auch nicht legitim.
Abschließend zeigte Prof. Baumgartner drei spirituelle Zugänge zu Gott im Leid auf: Die Allmacht der freisetzenden Liebe. Mit Kierkegaard betonte er die Freiheit als Voraussetzung der Liebe zwischen Gott und Mensch. Der zweite Schritt mache bewusst, dass der Mensch im Leid nicht allein gelassen ist, dass Gott mit den Menschen mitleidet und das Leid die Empathie mit den Leidenden weckt und fördert. Der dritte Schritt helfe Menschen, im Leid einerseits ganz auf Gott zu setzen, andererseits dem Leid durch Klage und Protest eine Stimme zu geben, wie dies im Buch Hiob oder bei den Psalmen geschieht. Am Ende aber, so Baumgartner mit Johann Baptist Metzt, sei die Frage nach dem Leid eine “offene Wunde”. Der Pastoralpsychologe und Professor für Caritaswissenschaft endete mit einem Zitat Rainer Maria Rilkes: „Leben Sie jetzt die Fragen! Vielleicht leben sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in eine Antwort hinein.“
Text und Bilder: Dr. Bernhard Kirchgessner
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Dr. Bernhard Kirchgessner
Domvikar