Kirche vor Ort

„Das echte Gespräch und der gemeinsame Weg“

Yvonne Haderer am 01.10.2019

0O3A7490 Foto: Anna Hofmeister

Bischof Oster beginnt seine Visitation im Dekanat Osterhofen mit intensiven Diskussionen auf gut besuchten Pfarrverbandsabenden

Wie steht es um die Kir­che und wie soll sie in fünf Jah­ren aus­se­hen? Zahl­reich und gut vor­be­rei­tet kamen die Gläu­bi­gen zu den Pfarr­ver­bands­aben­den für Oster­ho­fen, Nie­der­al­teich und Lal­ling anläss­lich der anste­hen­den bischöf­li­chen Visi­ta­ti­on im Deka­nat Oster­ho­fen. Im Früh­jahr die­ses Jah­res hat­ten sich vie­le von ihnen jeweils zu einer ein­tä­gi­gen Pfarr­ver­bands­klau­sur getrof­fen und über ihr Pfar­rei­le­ben nach­ge­dacht. Was läuft gut? Was nicht? Wo braucht es Veränderungen?

Die Ergeb­nis­se die­ser Über­le­gun­gen, die Bischof Ste­fan Oster nun an drei Aben­den der ver­gan­ge­nen Woche vor­ge­stellt wur­den, spie­gel­ten die gro­ßen Lini­en der Umbrü­che und Ver­än­de­run­gen wie­der, mit denen sich unse­re immer noch gut volks­kirch­li­chen Pfar­rei­en hier­zu­lan­de schon seit eini­gen Jahr­zehn­ten zuneh­mend kon­fron­tiert sehen: Die Kirch­gän­ger wer­den ste­tig weni­ger, vor allem jun­ge Erwach­se­ne und Fami­li­en blie­ben aus; beson­ders die Jugend sei immer weni­ger für kirch­li­che Akti­vi­tä­ten zu begeis­tern. Es wer­de immer schwe­rer, Frei­wil­li­ge zu fin­den, die sich im Pfarr­ge­mein­de­rat oder ande­ren Ehren­äm­tern län­ger­fris­tig enga­gie­ren wol­len. Kirch­li­che Fes­te und Brauch­tum sei­en zwar noch beliebt, doch die Orga­ni­sa­to­ren wür­den immer älter, eben­so wie die Teil­neh­mer an tra­di­tio­nel­len Got­tes­dienst­for­men wie Andach­ten oder Bitt­gän­gen. Wo Got­tes­dienst­zei­ten wegen der Pfarr­ver­bands­struk­tur ver­scho­ben wer­den muss­ten, kol­li­dier­ten sie oft mit welt­li­chen Ange­bo­ten der Gemein­de aus Ver­ei­nen und Verbänden. 

Frei­lich war es den Pfar­rei­en dann auch beson­ders wich­tig her­vor­zu­he­ben, wo das kirch­li­che Leben blüht: Man­cher­orts gibt es groß­ar­ti­ge Kir­chen­mu­sik mit Chö­ren für jung und älter. Vie­ler­orts sind die Minis­tran­ten gern dabei, auch ver­band­li­che Jugend­ar­beit ist an man­chen Orten gut prä­sent. Oder es gibt funk­tio­nie­ren­de ehren­amt­li­che sozia­le Diens­te, etwa Kran­ken­be­su­che. Auch ein reges Leben akti­ver Fröm­mig­keit – in Andach­ten, Brauch­tums­pfle­ge und fest­li­chen Got­tes­diens­ten ist oft sehr bemer­kens­wert. Die Dorf- und Pfarrei­gemein­schaf­ten hal­ten fest zusam­men, wenn es dar­auf ankommt. Und auf die schö­ne eige­ne Kir­che ist man an allen Orten ohne­hin stolz. 

All das und mehr gibt frei­lich dann auch wie­der Anlass zur Sor­ge, ob und wie man die­ses Gute bewah­ren kön­ne. Die aus­drück­li­che Sor­ge um die Jugend treibt vie­le um, und der Vor­satz kommt häu­fig, auf die­sem Gebiet mehr oder Neu­es zu ver­su­chen. Und auch wenn die Fir­mung mit 16 von eini­gen kri­tisch gese­hen wird, so sehen doch ande­re gera­de dar­in eine Chan­ce, die jun­gen Men­schen auch inhalt­lich neu zu beglei­ten. Bes­se­re Öffent­lich­keits­ar­beit wird von man­chen ange­mahnt und nicht sel­ten herrscht auch das Bewusst­sein, dass man mehr Glau­bens­bil­dung brau­che. Natür­lich kamen auch die kirch­li­chen Reiz­the­men“ zur Spra­che, Kir­che sol­le moder­ner, und damit attrak­ti­ver wer­den – dazu gehö­re die Locke­rung des Zöli­bats eben­so wie die Wei­he von Frau­en. So möch­te bei­spiels­wei­se die Expo­si­tur Auer­bach-Loh aus dem Pfarr­ver­band Lal­ling die ers­te Pfar­rei im Pas­sau­er Bis­tum mit einer Pfar­re­rin wer­den: Herr Bischof, wenn Sie sich in ein paar Jah­ren fra­gen: Wohin soll ich sie sen­den? – nach Auer­bach-Loh“, erklär­te Josef-Mar­kus Bloch.

Bischof Oster zeig­te sich beein­druckt von allem Ein­satz in den Gemein­den, für den Wil­len nach vor­ne zu schau­en und auch offen für neue Impul­se zu sein. Wir spü­ren inzwi­schen die größ­ten Ver­än­de­rungs­pro­zes­se der letz­ten paar hun­dert Jah­re in Bezug auf Glau­be und Kir­che“, so der Bischof: Und ich bin der Mei­nung: Wir ste­hen erst am Anfang der Trans­for­ma­ti­on. Die Fra­ge ist nun: Wie ant­wor­ten wir darauf?“

Die gän­gi­ge Glau­bens­so­zia­li­sa­ti­on von frü­her – katho­li­sche Eltern, katho­li­scher Kin­der­gar­ten, Kom­mu­ni­on- und Firm­un­ter­richt, Jugend­grup­pe – die dann einen jun­gen gläu­bi­gen Men­schen her­vor­bringt, funk­tio­nie­re heu­te kaum mehr. Daher frag­ten auch vie­le: Wie brin­gen wir die Jugend wie­der in die Kir­che?“ Bischof Ste­fan frag­te zurück: Ganz ehr­lich: War­um wol­len Sie die Jugend für die Kir­che gewin­nen? Damit der Betrieb wie gewohnt wei­ter­läuft? Oder damit die jun­gen Men­schen die Gele­gen­heit haben, wirk­lich in die Bezie­hung mit Jesus Chris­tus zu finden?“

Und der Bischof fuhr von hier aus fort mit dem Zen­trum sei­nes Anlie­gens: Wenn wir uns frag­ten, was Kir­che heu­te anzie­hend mache, dann sei­en das weni­ger äuße­re Maß­nah­men“, wie etwa rhyth­mi­sche Lie­der im Got­tes­dienst. Viel­mehr gin­ge es dar­um deut­lich zu machen, dass wir einen Gott fei­ern, der in Jesus Chris­tus da ist, im Leben von jedem von uns und beson­ders in unse­rer Gemein­schaft. Kir­che ist Leib Chris­ti“, sag­te er – aber merkt man das an uns? Ken­nen wir ihn und spü­ren die Leu­te, dass wir ihn ken­nen und lie­ben? Oder wenn nicht, wie fin­den wir dahin, dass man es wie­der merkt?“ Das sei letzt­lich der inne­re Kern sei­ner Bemü­hun­gen: die erneu­er­te, leben­di­ge, kon­kre­te Got­tes­be­zie­hung unse­rer Gläu­bi­gen und Gemein­den. Dar­aus erwach­se dann auch das Enga­ge­ment für die ande­ren, für die Armen oder für den Erhalt der Schöp­fung. Wir müs­sen ler­nen, uns gegen­sei­tig von Gott zu erzäh­len, was er in unse­rem Leben wirkt. Wir brau­chen auch neue Orte der Begeg­nung mit Gott und unter­ein­an­der im Lesen der Schrift, im Gebet, im gemein­sa­men Dienst an ande­ren.“ So wür­den wir in die Erfah­rung hin­ein­wach­sen, dass Glau­be näh­ren und erfül­len kann. 

Die Stim­mungs­bil­der, die die Mode­ra­to­ren Lud­wig Raischl und Bri­git­ta Necker­mann-Lipp zu Beginn der Aben­de per Hand­zei­chen ein­hol­ten, hat­ten die Ansicht erge­ben, dass es einer­seits um den Glau­ben in den Gemein­den ganz gut bestellt sei – dass aber ande­rer­seits defi­ni­tiv mehr Tie­fe mög­lich sei. Die gro­ße Mehr­heit zeig­te sich auch über­zeugt, dass das Glau­bens­zeug­nis des Ein­zel­nen in der Gesell­schaft zukünf­tig immer wich­ti­ger werde.

Die­se Her­aus­for­de­rung liegt nicht nur beim Pfar­rer“, sag­te Bischof Oster: Jede und jeder von uns ist getauft und damit auch gesalbt mit dem Auf­trag, Chris­tus zu ver­ge­gen­wär­ti­gen – und zwar dort wo ein jeder steht. Es geht für uns alle dar­um, Sehn­sucht nach Gott zu wecken – und nicht zuerst dar­um, einen Kir­chen­be­trieb auf­recht zu erhalten.“ 

Die Hin­wei­se von Bischof Oster, Glau­ben wie­der leben­di­ger in Her­zen zu ver­an­kern und somit kirch­li­chen Akti­vi­tä­ten wie­der ihren bis­wei­len ver­ges­se­nen, tie­fe­ren Sinn zu ver­lei­hen, klin­gen nicht schwer: Setzt euch zusam­men, lest gemein­sam die Hei­li­ge Schrift, betet mit­ein­an­der offen und frei, sprecht offen über den Glau­ben und die Schrift! Fragt euch, was ist mir wich­tig am Glau­ben? Fragt ande­re: Was ist euch wich­tig am Glau­ben? Lernt Jesus zu begeg­nen! Unser Refe­rat für Neue­van­ge­li­sie­rung hat eine Men­ge Ideen und Hil­fe­stel­lun­gen dazu für Euch bereit.“ Ein sol­cher Weg nach innen, so der Bischof, wür­de Kir­che aus dem Kern her­aus authen­tisch und damit anzie­hend machen – und sie befä­higt uns auch, hin­aus­zu­ge­hen und ande­ren davon zu erzäh­len, ob mit oder ohne Wor­te – aber als Jün­ger und Jün­ge­rin­nen Jesu!“

Vie­le waren von den Wor­ten des Bischofs bewegt, aber man­chem erschien das womög­lich nur fromm“. Das war in den abschlie­ßen­den Fra­ge­run­den zu bemer­ken, denen sich der Bischof offen stell­te. Es ging um die For­de­run­gen nach struk­tu­rel­len Ände­run­gen in der Kir­che, die aktu­ell auch auf dem Syn­oda­len Weg“ ver­han­delt und aus­ge­lo­tet wer­den sol­len. Die Kir­che müs­se in sol­chen Fra­gen end­lich moder­ner“ wer­den, sag­ten eini­ge. Bischof Oster stell­te sich die­ser Kri­tik, beant­wor­te­te ehr­lich und offen auch schwie­ri­ge theo­lo­gi­sche The­men, ver­such­te Miss­ver­ständ­nis­se zu auf­zu­klä­ren und mach­te deut­lich, dass auch er Fra­gen habe. Ich habe ver­spro­chen den Glau­ben der Kir­che zu ver­kün­den, aber natür­lich spü­ren wir, dass es uns heu­te oft nicht gelingt, die­sen Glau­ben plau­si­bel zu machen – ange­sichts der Reiz­the­men, die im Raum ste­hen.“ Vom Syn­oda­len Weg der Kir­che in Deutsch­land erhof­fe er ein ech­tes Gespräch, ein ech­tes Hören auf­ein­an­der und ein neu­es Fin­den ins Mit­ein­an­der – unter der Füh­rung des Hei­li­gen Geis­tes. Und in die­sem Sinn ver­ste­he ich auch unse­re neu ein­ge­führ­ten Pfarr­ver­bands­aben­de: Der Visi­ta­tor hört erst ein­mal auf alles, was da ist, was gesagt wird, auf das Gute und auch auf die Sor­gen. Dann bringt der Visi­ta­tor sei­ne Per­spek­ti­ve ein, in der Hoff­nung, dass dar­aus ein ech­tes Gespräch und ein gemein­sa­mer Weg wer­den kann“, so der Bischof abschließend.

Text: Anna Hofmeister

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