
Die Kultur des achtsamen Miteinanders
Wir leben und arbeiten mit Menschen zusammen und begegnen vielen Bekannten und Unbekannten täglich. Uns allen sind eine wertschätzende Kommunikation und verantwortungsvolles Handeln ein Anliegen, denn sie ermöglichen ein gutes Auskommen und gelingende Gemeinschaft.
Warum ist in der Präventionsarbeit eine „Kultur des achtsamen Miteinanders“ so wichtig?
Ein achtsames Miteinander ist die Grundlage dieser Arbeit. Aber auch außerhalb des Kontextes von Prävention soll diese Achtsamkeit unser Leben mehr und mehr bestimmen.
Achtsamkeit beginnt im Umgang mit sich selbst
Achtsamkeit beginnt damit, aufmerksamer mit sich selbst umzugehen:
- Ich nehme meine eigenen Gefühle wahr.
- Ich erkenne eigene Ideen. — Ich lasse auch Kritik an mir und meinem Handeln zu.
- Ich bemühe mich Transparenz im eigenen Handeln umsetzen.
- Ich wecke Kräfte, die mir helfen zu einer inneren Ausgeglichenheit zu gelangen.
Ziel für den Einzelnen ist es, sich selbst im bewussten und
reflektierten Wahrnehmen einzuüben. Eindrücke, die wir über die Sinne
erhalten, bewusst wahrnehmen und in das Denken einfließen lassen.
„Wenn wir achtsam sind, leben wir ganz in der Gegenwart, ganz im Hier und Jetzt, in jeder Handlung und Beziehung vollkommen zentriert bei uns selbst und bei den anderen”
Achtsamkeit richtet auch den Blick auf die Mitmenschen
Zentral ist die Würde jedes Menschen, der Abbild Gottes ist! Auch ich bin ein Abbild und kann mein Handeln danach ausrichten:
- Ich wähle meine Worte sorgfältig. Worte sind wirkmächtig, können verletzen und stärken. Worte bedeuten Einfluss.
- Ich versuche dem Menschen, der im Augenblick mein Gegenüber ist, mit der Würde zu begegnen, die er als Abbild Gottes verdient. Manchmal ist das schwer, aber nicht unmöglich.
- Ich habe meine Emotionen im Griff. Mein Gegenüber spürt meinen Respekt und meine Achtung.
- Meine Gedanken, Worte und Werke sind mächtige innere Instrumente, die nicht mein Handeln steuern, sondern die ich steuere. Somit wird ein verantwortungsvolles Handeln von mir erlebbar.
- Ich gehe ohne Vorbehalte auf andere zu, be- oder verurteile diese nicht und will sie nicht verändern. Ich gehe ohne Denkmuster und Schubladen auf andere zu.
- Meine Kommunikation in Worten und Gesten ist wertschätzend und förderlich.
„Achtsamkeit […] bedeutet erstens eine bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit ist zweitens auf den jeweils gegenwärtigen Moment gerichtet […] Achtsamkeit ist drittens charakterisiert durch eine Akzeptanz dieses Erlebens, ohne zu urteilen, zu kritisieren oder etwas anders haben zu wollen. Viertens: Ein “innerer Beobachter “ wird kultiviert, der durch teilnehmendes Beobachten Abstand zum Beobachteten schafft ”
Eine „Kultur des achtsamen Miteinanders“ zu etablieren ist besonders auch den Deutschen Bischöfen wichtig, zum einen weil sie diesen als einen fundamentalen Baustein in der Präventionsarbeit sehen, zum anderen, weil ein achtsames Miteinander auch das Verhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Bistümern untereinander und mit ehrenamtlichen prägen soll.
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Für die Präventionsarbeit haben die Deutschen Bischöfe zwei Ziele formuliert:
- Entwicklung einer neuen Kultur des achtsamen Miteinanders
- Entwicklung von transparenten, nachvollziehbaren, kontrollierbaren und evaluierbaren Strukturen und Prozessen zur Prävention sexualisierter Gewalt.
1. Entwicklung einer neuen Kultur des achtsamen Miteinanders
Eine neue Kultur des achtsamen Miteinanders zu entwickeln ist ein kircheninterner Veränderungsprozess. Zum einen mit Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen, zum anderen innerhalb aller, die in der Diözese miteinander arbeiten und zu tun haben. Sei es ehrenamtlich oder hauptamtlich.
Die Deutschen Bischöfe definieren eine neue Kultur der Achtsamkeit wie folgt:
Eine Kultur der Achtsamkeit
… ist mehr als nur isolierte Maßnahmen
… bedeutet ein Umdenken im Umgang mit Kindern und Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen
… bedeutet ein Umdenken im Umgang mit allen Verantwortlichen in unserer Kirche und mit uns selbst
… besteht aus gemeinsamen Überzeugungen, Werten und Regeln, die in tief empfundenen Gefühlen der Billigung oder Missbilligung verankert sind
… ist getragen von Fachwissen und Feedbackkultur
… lässt neue Gewohnheiten entstehen, die gemeinsam gelebt werden
… bedeutet zurücktreten von gewohnten Denkmustern und Wahrnehmungsfiltern mit Einnehmen einer „Weitwinkelsicht“
… bedeutet anderes Handeln: Hinsehen und nicht wegschauen, handlungsfähig sein und Zivilcourage zeigen und fördern
… hilft, eine sichere Umgebung für Kinder und Jugendliche oder erwachsene Schutzbefohlene aufzubauen
… bedeutet feinfühliger werden, wie Rechte von Kindern und Jugendlichen oder erwachsenen Schutzbefohlenen und deren Partizipation in den Mittelpunkt gestellt werden können
„Die Definition der Deutschen Bischöfe ist eine Einladung zur Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten. Zwischen Führungskräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. Begrifflichkeiten mit Leben füllen ist die Herausforderung.”
Achtsamkeit, so die Deutschen Bischöfe, beginnt im Umgang mit sich selbst. Das heißt, Achtsamkeit beginnt damit, aufmerksamer mit sich selbst umzugehen. Mit eigenen Gefühlen, mit Ideen und Kritik, mit Transparenz und Zusammenarbeit. Das bedeutet, die eigenen Gefühle besser wahrzunehmen, kritische Impulse zuzulassen und im eigenen Handeln Transparenz und Partizipation umzusetzen. Dies kann erleichtern und das eigene Handeln bereichern.
Der Begriff der Achtsamkeit ist ein zutiefst spiritueller Begriff, der in allen Religionen beheimatet ist. Der Wert des Begriffs findet sich seit Jahrhunderten im Umgang mit anderen Menschen, Schöpfung sowie mit sich selbst. Mit Achtsamkeit ist eine Grundhaltung gemeint, die wir als Christen im Besonderen mit dem lebendigen Gott zudem in Verbindung bringen. Aus christlicher Sicht ist die Achtsamkeit ein Begriff, der durch die Frömmigkeitsgeschichte geprägt ist.
Achtsamkeit hat wesentlich mit Gebet, mit Barmherzigkeit und wertschätzender Begegnung mit dem Nächsten und mit Gott zu tun.
„Achtsamkeit ist eine Haltung mit Folgen. Für eine betriebliche Kultur, für ein Miteinander im Beruf und im Ehrenamt. Achtsamkeit ist ein spiritueller Aspekt im Leben, der die Grundhaltung der Menschen prägt.”
Achtsamkeit als Haltung ist eine der Kernaufgaben der Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen oder erwachsenen Schutzbefohlenen, weil dadurch eine hohe Sensibilität im Miteinander gefördert wird. Diese zeigt sich u.a. in einem gesunden Nähe-Distanz-Verhältnis, in einer positiven Anwendung von Macht und in einem mit akzeptierten Grenzen gestalteten Leben.
2. Entwicklung von transparenten, nachvollziehbaren, kontrollierbaren und evaluierbaren Strukturen und Prozessen zur Prävention sexualisierter Gewalt
Die Deutschen Bischöfe legen mit der Umsetzung eines institutionellen Schutzkonzeptes die Grundlagen für diese Ziele. Jede Einrichtung in den Diözesen ist verpflichtet, dieses Schutzkonzept auf den Grundlagen der missbrauchsverhindernden Strukturen umzusetzen. Diese werden erreicht mit:
- Transparenz
- Klare Strukturen, eindeutige Zuständigkeiten und klare Regeln
- Partizipation
- Gleichberechtigter Umgang zwischen den Geschlechtern
- Sexualpädagogische Konzepte
- Kultur der Achtsamkeit und Wertschätzung
- Professioneller Umgang mit Nähe und Distanz
„Gelingende Prävention gegen sexualisierte Gewalt hat wesentlich mit der Haltung einer neuen Kultur des achtsamen Miteinanders zu tun. Kinder und Jugendliche erhalten dabei sensible Wege der Entwicklung aufgezeigt, Erwachsene erleben eine neue weiterführende Entwicklung des eigenen Lebens. Diese im Verbund mit der Entwicklung der Bausteine eines Institutionellen Schutzkonzeptes bietet Entwicklung und Schutz für Kinder, Jugendliche und erwachsene Schutzbedürftige.”
Prävention gegen sexualisierte Gewalt in diesem Sinn ist integraler Bestandteil jeglicher kirchlicher Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Schutzbedürftigen. Die Katholische Kirche will all diesen im Geist des Evangeliums einen sicheren Lern- und Lebensraum bieten. Darin wird ihre menschliche und geistliche Entwicklung gefördert sowie ihre Würde und Integrität geachtet. Psychische und physische Grenzverletzungen werden damit vermieden.
Gebetstext aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart
Sie haben Fragen zum Thema? Wir helfen Ihnen gerne.

Bettina Sturm
Präventionsbeauftragte

Florian Weber
Referent in der Präventionsarbeit