2019 Ehenichtigkeit 2 Foto: Fabio Balbi/123RF

Ablauf einer Ehenichtigkeitsuntersuchung

Da die Katholische Kirche keine Ehescheidung kennt, geht es bei der Nichtigerklärung einer Ehe um die Feststellung, ob die Ehe zum Zeitpunkt der Eheschließung gültig zustande kam oder nicht.

So ist immer zu fra­gen, ob zum Zeit­punkt der Ehe­schlie­ßung Grün­de vor­ge­le­gen haben, die kei­ne Ehe haben zustan­de kom­men las­sen. Dies bedeu­tet, dass Schwie­rig­kei­ten, die erst im Ver­lauf der Ehe, also nach der Ehe­schlie­ßung auf­ge­tre­ten sind, die Gül­tig­keit einer Ehe nicht in Fra­ge stellen.

Es geht bei einer kirch­li­chen Ehe­nich­tig­keits­un­ter­su­chung nicht dar­um fest­zu­stel­len, wer am Schei­tern der Ehe Schuld gehabt haben könn­te; es erfolgt auch kei­ne mora­li­sche Bewer­tung des Ver­hal­tens der Ehe­part­ner oder gar eine Ver­ur­tei­lung“ im Sinn einer Schuld­zu­wei­sung, son­dern unter­sucht wer­den die Umstän­de, Hal­tun­gen, Anschau­un­gen und Per­sön­lich­kei­ten der bei­den ehe­ma­li­gen Gat­ten bei der Trauung.

Um eine Kla­ge­schrift anneh­men und eine kirch­li­che Unter­su­chung offi­zi­ell eröff­nen zu kön­nen, ist erforderlich:

  • ein kirch­lich aner­kann­ter Nich­tig­keits­grund (vgl. Abschnitt Die ver­schie­de­nen Grün­de für ein Ehenichtigkeitsverfahren“)
  • aus­sa­ge­wil­li­ge Zeu­gen oder ande­re Beweise


Die­se Kla­ge­schrift wird in der Regel nach einem Bera­tungs­ge­spräch mit einem Mit­ar­bei­ter des Bischöf­li­chen Kon­sis­to­ri­ums vom Antrag­stel­ler aufgesetzt.

Es spielt kei­ne Rol­le, wer der Antrag­stel­ler ist. Dies bedeu­tet, dass z. B. auch der Ehe­part­ner die Kla­ge auf Nich­tig­keit der Ehe stel­len darf, der einen Vor­be­halt gesetzt hat. Die ehe­ma­li­gen Ehe­part­ner sind eigent­lich nicht Geg­ner in einem Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren. Beklagt ist viel­mehr das Ehe­band, des­sen Gül­tig­keit das kirch­li­che Recht ver­mu­tet, so lan­ge bis eben in einem Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren das Gegen­teil bewie­sen ist. Anwalt oder Hüter“ die­ses beklag­ten Ehe­ban­des ist der so genann­te Ehe­band­ver­tei­di­ger“. Er ist wie die bei­den ehe­ma­li­gen Gat­ten Par­tei in einem Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren und strei­tet für die Erhal­tung des bestehen­den Ehebandes.

Die Behaup­tung des Nich­tig­keits­grun­des bedarf des Bewei­ses. Dies geschieht durch die eid­li­che Aus­sa­ge von zwei Zeu­gen vor dem kirch­li­chen Gericht. Als Zeu­gen kom­men in Fra­ge: Eltern, Geschwis­ter, sons­ti­ge nahe Ver­wand­te und gute Freun­de, da die­se in den meis­ten Fäl­len als ein­zi­ge von den Ereig­nis­sen in der Ehe wis­sen. Die Aus­sa­gen der ehe­ma­li­gen Gat­ten allein sind also nicht aus­rei­chend. Sie müs­sen immer durch Zeu­gen ergänzt wer­den. Es kann auch mög­lich sein, bei ent­ge­gen­ge­setz­ten Aus­sa­gen der ehe­ma­li­gen Part­ner den Nich­tig­keits­grund durch Zeu­gen zu bewei­sen. Neben den Zeu­gen­aus­sa­gen gel­ten als Beweis­mit­tel auch amt­li­che oder pri­va­te Schrift­stü­cke, wie etwa Brie­fe aus vor­ehe­li­cher Zeit oder ärzt­li­che Befunde.

Ehenichtigkeit

Der Mensch ist von seinem Wesen her auf Beziehung und Partnerschaft angelegt. Er sehnt sich danach, zu lieben und geliebt zu werden und mit dem von ihm geliebten Menschen gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Bei Ehe­nich­tig­keits­pro­zes­sen besteht kein Anwalts­zwang. Wenn aber ein Anwalt gewünscht wird, so muss ein Anwalt gewählt wer­den, der beim Bischöf­li­chen Gericht zuge­las­sen ist (ein Ver­zeich­nis der zuge­las­se­nen Anwäl­te kann beim Bischöf­li­chen Kon­sis­to­ri­um erfragt wer­den). Die Par­tei­en und Zeu­gen wer­den ein­zeln und münd­lich befragt. Sie müs­sen nicht vor einem tagen­den Gericht aus­sa­gen, son­dern bekom­men Gele­gen­heit, sich in einem Gespräch mit einem der Rich­ter unter vier Augen zu äußern. Die ehe­ma­li­gen Gat­ten und ihre Zeu­gen begeg­nen ein­an­der im Rah­men der Unter­su­chung also im Nor­mal­fall nicht persönlich.

Die Behand­lung einer kirch­li­chen Ehe­sa­che kann dem ehe­ma­li­gen Gat­ten aller­dings auch nicht ver­schwie­gen wer­den. Er wird vom Gericht offi­zi­ell über das Vor­ha­ben des Antrag­stel­lers infor­miert und hat selbst­ver­ständ­lich das Recht, in der kirch­li­chen Ehe­un­ter­su­chung Stel­lung zu neh­men und mit­zu­wir­ken. Hat ein Gat­te kein Inter­es­se an der Ehe­nich­tig­keits­un­ter­su­chung oder spricht er sich sogar offen dage­gen aus, wird die Unter­su­chung wegen des Rech­tes des antrag­stel­len­den Gat­ten auf Klä­rung sei­ner Ehe den­noch durchgeführt.

Für die Zeu­gen ist nor­ma­ler­wei­se mit einem Ver­neh­mungs­ge­spräch (von ca. 1 – 2 Stun­den Dau­er) ihr Dienst getan; die ehe­ma­li­gen Gat­ten wer­den jeweils nach ihrer Aus­sa­ge vom Gericht schrift­lich über den Fort­gang des Ver­fah­rens unter­rich­tet und zu wei­te­ren schrift­li­chen Stel­lung­nah­men ein­ge­la­den. Nach den Aus­sa­gen aller Pro­zess­be­tei­lig­ten (Gat­ten und Zeu­gen) ver­läuft der Pro­zess voll­stän­dig schrift­lich. Nach Abschluss der Erhe­bun­gen erhal­ten die Gat­ten (nicht die Zeu­gen) Ein­sicht in die Pro­to­kol­le; aber nur gegen schrift­li­che Zusi­che­rung der Verschwiegenheit.

Die Nich­tig­erklä­rung einer Ehe kann in einer ein­zi­gen Instanz erfol­gen.
Wenn eine Par­tei des Ver­fah­rens (die ehe­ma­li­gen Gat­ten und der Ehe­band­ver­tei­di­ger) anschlie­ßend mit dem Urteil nicht zufrie­den ist, kann Beru­fung vor die zwei­te Instanz ein­ge­legt wer­den. Das ist für das Bis­tum Pas­sau das Erz­bi­schöf­li­che Metro­po­li­t­an­ge­richt in München.

Ein Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren in der ers­ten Instanz dau­ert im Durch­schnitt ein Jahr.
Zu beach­ten ist, dass ein kirch­li­ches Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren erst nach dem end­gül­ti­gen Schei­tern einer Ehe – wenn jede Hoff­nung auf Ver­söh­nung der Gat­ten aus­sichts­los erscheint – vor dem kirch­li­chen Ehe­ge­richt ein­ge­lei­tet wer­den kann.

Als zustän­di­ges Gericht kom­men in Frage:

  • Das Gericht der Diö­ze­se, in der die ehe­ma­li­gen Gat­ten ihren Haupt- oder Neben­wohn­sitz haben.
  • Das Gericht des Eheschließungsortes.
  • Das Gericht der Diö­ze­se, in der die meis­ten Bewei­se zu erhe­ben sind.

Die kirch­li­chen Ehe­nich­tig­keits­pro­zes­se fin­den unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit statt und sind geheim.
Ein Ehe­nich­tig­keits­pro­zess ist eine rein kirch­li­che Unter­su­chung und hat im zivi­len Bereich (z. B. Sor­ge- und Umgangs­recht für gemein­sa­me Kin­der, Unter­halts­zah­lun­gen…) kei­ner­lei Kon­se­quen­zen. Das Urteil gilt im Nor­mal­fall für bei­de ehe­ma­li­gen Gat­ten in glei­cher Wei­se: d.h. wenn fest­ge­stellt wird, dass die Ehe ungül­tig war, dann gel­ten bei­de Part­ner als kirch­lich ledig und sind zu einer zwei­ten Hei­rat frei. Da es im kirch­li­chen Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren um die reli­giö­se Dimen­si­on der Ehe geht und nicht um die Ehe in ihrer sozio­lo­gi­schen Rück­sicht, gel­ten Kin­der aus einer spä­ter für ungül­tig erklär­ten Ehe nach wie vor als ehelich.

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Claus Bittner

Claus Bittner

Domkapitular, Offizial