2019 Ehenichtigkeit 1

Vorraussetzungen für ein Ehenichtigkeitsverfahren

Um eine Ehe kirchlich für ungültig erklären lassen zu können, muss zum Zeitpunkt der Eheschließung wenigstens ein vom kirchlichen Recht anerkannter Nichtigkeitsgrund gegeben sein, der in einem kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren nachgewiesen werden muss.

Mögliche Gründe sind:

1) Total­si­mu­la­ti­on:
Wenn ein Part­ner die Ehe nur zum Schein ein­ge­hen woll­te und eigent­lich mit der Hei­rat nach­weis­lich ein völ­lig ande­res Ziel anstreb­te (das ist der klas­si­sche Ehe­schwind­ler”: Er benutzt die Ehe­schlie­ßung nur, um z.B. Titel, Erbe, Staats­an­ge­hö­rig­keit, Auf­ent­halts­ge­neh­mi­gung… zu erwerben).

2) Aus­schluss der Unauf­lös­lich­keit (ein häu­fi­ger Grund):
Ein Part­ner hat v o r der Trau­ung nach­weis­lich die Absicht, sich schei­den zu las­sen, falls die Ehe nicht gelin­gen wür­de. Der betref­fen­de Part­ner ant­wor­tet zwar auf die Fra­ge des Trau­pries­ters “… bis der Tod euch schei­det?” mit Ja”, hat­te aber zu die­sem Zeit­punkt bereits den fes­ten Wil­len, sich vom Part­ner schei­den zu las­sen, um für eine neue Part­ner­schaft frei zu sein, falls die ers­te Ehe nicht wie gewünscht ver­lau­fen sollte.

3) Aus­schluss der Nach­kom­men­schaft:
Ein Part­ner setzt vor der Ehe den Vor­be­halt, grund­sätz­lich und auf Dau­er wäh­rend der gesam­ten Ehe kei­ne Kin­der haben zu wollen.

4) Aus­schluss der ehe­li­chen Treue:
Die­ser Sach­ver­halt ist gege­ben, wenn ein Part­ner zum Zeit­punkt der Ehe­schlie­ßung die aus­schließ­li­che Bin­dung an den ande­ren Part­ner ablehn­te und sich das Recht vor­be­hielt, auch mit Drit­ten inti­me sexu­el­le Kon­tak­te zu pfle­gen. Ein Sei­ten­sprung” in der Ehe fällt nicht unter die­sen Punkt, es sei denn, er wäre schon vor der Trau­ung gewollt / ange­strebt gewesen.

5) Furcht und Zwang:
Wenigs­tens ein Part­ner war in sei­nem Wil­len zur Ehe­schlie­ßung nicht frei. Er wur­de von ande­ren Per­so­nen maß­geb­lich zur Hei­rat gedrängt und sah kei­nen ande­ren Weg, sich die­sem schwe­ren Druck zu ent­zie­hen als durch die — eigent­lich von ihm per­sön­lich unge­woll­te — Heirat.

Ablauf einer Ehenichtigkeitsuntersuchung

Da die Katholische Kirche keine Ehescheidung kennt, geht es bei der Nichtigerklärung einer Ehe um die Feststellung, ob die Ehe zum Zeitpunkt der Eheschließung gültig zustande kam oder nicht.

6) Impo­tenz:
Wenn ein Part­ner zur Zeit der Ehe­schlie­ßung nicht fähig war, den Bei­schlaf in natur­ge­mä­ßer Form zu voll­zie­hen und die­ser Defekt nicht durch einen ärzt­li­chen Ein­griff beho­ben wer­den konn­te. Unfrucht­bar­keit gilt dage­gen nicht als Nichtigkeitsgrund.

7) Völ­lig feh­len­der Ver­nunft­ge­brauch:
Die­ser Ehe­nich­tig­keits­grund liegt vor, wenn einer der Part­ner bei der Trau­ung völ­lig unzu­rech­nungs­fä­hig war, d.h. sei­ne Ver­nunft über­haupt nicht gebrau­chen konn­te und des­halb nicht wuss­te, was er tat. Es spielt kei­ne Rol­le, ob die­ser Zustand dau­er­haft (weil z.B. krank­heits­be­dingt) ist oder vor­über­ge­hend (z. B. bei abso­lu­ter Voll­trun­ken­heit) war.

8) Man­geln­des Urteils­ver­mö­gen:
Kann eben­falls eine Ehe ver­un­gül­ti­gen und zwar dann, wenn einer der Part­ner zwar teil­wei­se sei­ne Ver­nunft / sei­nen Ver­stand gebrau­chen kann, aber nur so feh­ler­haft, dass der Betrof­fe­ne nicht erken­nen kann, wel­che Pflich­ten eine Ehe mit sich bringt.

9) Die Ehe­füh­rungs­un­fä­hig­keit:
Sie liegt vor, wenn jemand die wesent­li­chen Pflich­ten der Ehe nicht leis­ten kann. Er kann dabei vom Ver­stand her erkannt haben, dass die­se Pflich­ten wesent­lich für die Ehe sind, ist aber (meist von der Psy­che her) unfä­hig, sie erfül­len zu kön­nen.
Bei­spiel: Ein nach­weis­lich homo­se­xu­ell ver­an­lag­ter Mensch kann sehr wohl vom Ver­stand her erken­nen, dass die kör­per­li­che Hin­ga­be an einen anders­ge­schlecht­li­chen Part­ner für die Ehe nötig ist; er ist aber wegen sei­ner homo­se­xu­el­len Ver­an­la­gung nicht in der Lage, die­se Hin­ga­be an den anders­ge­schlecht­li­chen Part­ner zu leben. Des­halb kann er sich auch nicht rechts­gül­tig dazu ver­pflich­ten, selbst wenn er das wollte.

10) Arg­lis­ti­ge Täu­schung:
Ein Part­ner muss über eine wesent­li­che, die Per­son des Gat­ten kenn­zeich­nen­de Eigen­schaft (z.B. Unfrucht­bar­keit, schwe­re (Erb-)Krankheiten, Dro­gen­miss­brauch, ein gra­vie­ren­des Vor­stra­fen­re­gis­ter …) getäuscht wor­den sein, die zur Zeit der Ehe­schlie­ßung bereits vor­lag. Wenn sol­che wesent­li­chen, den Hei­rats­kan­di­da­ten kenn­zeich­nen­de Eigen­schaf­ten dem zukünf­ti­gen Gat­ten ver­schwie­gen wur­den, um bei ihm die Bereit­schaft zur Ehe­schlie­ßung zu erhal­ten, kann die Ehe ungül­tig sein.

11) Form­feh­ler:
Ein Katho­lik ist ver­pflich­tet, nach katho­lisch-kirch­li­chem Ritus bei einem zustän­di­gen / befug­ten Geist­li­chen zu hei­ra­ten. Wenn die Ehe eines Katho­li­ken nicht katho­lisch – kirch­lich ein­ge­gan­gen wor­den ist, ist sie ungül­tig; vor allem also die rein stan­des­amt­li­che Ehe eines Katho­li­ken (es sei denn, die­ser Katho­lik hat­te vor der Trau­ung die Erlaub­nis des Bischofs z.B. zu einer rein stan­des­amt­li­chen oder evan­ge­lisch-kirch­li­chen Ehe ein­ge­holt). Die Fest­stel­lung der Ungül­tig­keit einer rein stan­des­amt­li­chen Ehe eines Katho­li­ken erfolgt nicht im hier beschrie­be­nen Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren, son­dern nach Auf­nah­me der Daten der ers­ten rein stan­des­amt­li­chen Ehe im zustän­di­gen Pfarr­amt durch das Bischöf­li­che Ordi­na­ri­at in einem kur­zen Verwaltungsakt!

12) Zwei Son­der­for­men:
Das Ver­fah­ren zum Nach­weis des Nicht­voll­zu­ges einer Ehe. Anhand von beei­de­ten Aus­sa­gen wird hier geprüft, ob die Ehe wirk­lich nie durch einen Geschlechts­akt voll­zo­gen wur­de. Fer­ner sind über­zeu­gen­de Grün­de für den Nicht­voll­zug der Ehe anzu­füh­ren. In die­sem Son­der­fall gehen die Pro­zess­ak­ten nach Abschluss der Beweis­erhe­bung nach Rom.
Mög­lich­kei­ten für die Lösung einer Ehe kön­nen auch gege­ben sein, wenn zum Zeit­punkt der kirch­li­chen Trau­ung wenigs­tens einer der Part­ner nicht getauft war.

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Claus Bittner

Claus Bittner

Domkapitular, Offizial