Missionarische Modelle - Hoffnung für die Kirche von Morgen?

Susanne Schmidt am 15.07.2022

Missionarisches Oekumenisches Treffen in Passau 15 07 2022 Copyright Susanne Schmidt pbp Bild: Susanne Schmidt / pbp

Im Jahr 2022 waren erstmals weniger als die Hälfte der Deutschen Kirchenmitglieder. Angesichts dieser massiven Entwicklung und der größer werdenden Suche der Menschen nach Sinn und Halt trafen sich engagierte Verantwortliche und Praktiker aus einem breiten Kreis ökumenischer Netzwerke, Einrichtungen und Kirchen auf Einladung von Bischof Dr. Stefan Oster SDB im Spektrum Kirche in Passau.

Ziel des Begeg­nungs-Forums war der gemein­sa­me Blick auf inspi­rie­ren­de Zukunfts­mo­del­le mis­sio­na­ri­scher Gemein­de­ar­beit katho­li­scher, evan­ge­li­scher und frei­kirch­li­cher Initia­ti­ven. In Zei­ten gro­ßer Zukunfts­un­si­cher­heit liegt es im Sin­ne des allen Chris­ten gel­ten­den Auf­trags von Jesus Chris­tus nahe, ein­an­der mit weg­wei­sen­den Model­len zu neu­en Ideen her­aus­zu­for­dern. Wir wol­len hin­hö­ren, wo etwas läuft und von­ein­an­der ler­nen – gera­de der Blick über den Zaun kann dabei beson­ders inspi­rie­rend sein“, sag­te Bischof Ste­fan Oster nach der Begeg­nung mit etwa 45 Lei­te­rin­nen und Lei­tern ver­schie­dens­ter Grup­pie­run­gen, Bewe­gun­gen, Initia­ti­ven und Medi­en aus den christ­li­chen Kir­chen in Deutsch­land und Öster­reich, dar­un­ter fünf katho­li­sche Bischöfe. 

In Zei­ten gro­ßer Zukunfts­un­si­cher­heit liegt es im Sin­ne des allen Chris­ten gel­ten­den Auf­trags von Jesus Chris­tus nahe, ein­an­der mit weg­wei­sen­den Model­len zu neu­en Ideen herauszufordern.”

Bischof Stefan Oster

Als Evan­ge­li­sche Alli­anz in Deutsch­land sind mis­sio­na­risch vita­le Kir­chen schon immer eines unse­rer Kern­an­lie­gen gewe­sen. Wir möch­ten Netz­wer­ke aller Art för­dern, mit der guten Nach­richt von Jesus Chris­tus auf mög­lichst rele­van­te Wei­se in der Gesell­schaft Flag­ge zu zei­gen. Wir freu­en uns, dass auch in der katho­li­schen Kir­che und den vie­len kirch­li­chen Gemein­schaf­ten Schwes­tern und Brü­der unter­wegs sind, die uns in Kern­an­lie­gen nahe­ste­hen und von denen wir ler­nen kön­nen“, so Pas­tor Ekke­hart Vet­ter, 1. Vor­sit­zen­der der Evan­ge­li­schen Alli­anz in Deutsch­land (EAD, Bad Blan­ken­burg). Zu den Ver­ant­wort­li­chen des zum zwei­ten Mal statt­fin­den­den Tref­fens gehört neben Oster und Vet­ter auch der Lei­ter des Gebets­hau­ses Augs­burg, Dr. Johan­nes Hartl und der 1. Vor­sit­zen­de von Wil­low Creek Deutsch­land, der auch als Publi­zist und Ver­le­ger bekann­te Ulrich Eggers.

220715 Missionarisches Oekumenisches Treffen 2 Bild: Susanne Schmidt / pbp

Wo und wie ist es mög­lich, Men­schen auch unter heu­ti­gen gesell­schaft­li­chen Bedin­gun­gen mit dem Evan­ge­li­um und mit Chris­tus in Berüh­rung zu brin­gen? Die­se Fra­ge beglei­te­te die Run­de an den zwei Tagen. Schon in der aus­führ­li­chen Vor­stel­lungs­run­de öff­ne­ten sich die Teil­neh­mer für­ein­an­der und erzähl­ten ein­an­der von mis­sio­na­ri­schen Impul­sen, die für ihr je eige­nes Leben bedeut­sam waren. 

Die­se Fra­ge­stel­lung wur­de dann nicht nur mit Blick auf bestehen­de Pro­jek­te und per­sön­li­che Erfah­run­gen der Teil­neh­mer und Teil­neh­me­rin­nen, son­dern auch fach­lich-theo­lo­gisch reflek­tiert. Haupt­re­fe­rent war hier­bei der katho­li­sche Inns­bru­cker Theo­lo­ge Prof. Dr. Wil­li­bald Sand­ler, der sich in sei­nem kürz­lich erschie­nen Buch Cha­ris­ma­tisch, evan­ge­li­kal und katho­lisch“ mit ver­schie­de­nen Strö­mun­gen und Bewe­gun­gen, die auch inner­halb des Katho­li­zis­mus Bewe­gung brin­gen, aus­ein­an­der­ge­setzt hat. 

Haben evan­ge­li­ka­le oder cha­ris­ma­ti­sche Chris­ten außer­halb der katho­li­schen Kir­che den Katho­li­ken etwas zu sagen? Und umge­kehrt? Kön­nen auch sie von den katho­li­schen Chris­ten ler­nen? Dabei wur­de auch deut­lich, dass kei­ne der genann­ten Grup­pen in sich homo­gen wäre. Eben­so deut­lich wur­de, dass das Wort evan­ge­li­kal“, das in unse­rem Land schnell nega­tiv mit Bibel­fun­da­men­ta­lis­mus asso­zi­iert wird, ein brei­tes Spek­trum hoch­dif­fe­ren­zier­ter, oft auch theo­lo­gisch anspruchs­vol­ler Model­le ent­hält, ähn­lich wie bei dem Begriff cha­ris­ma­tisch“. Dabei gibt es auch mög­li­che Fall­stri­cke, gefähr­li­che Spi­ri­tua­li­sie­run­gen, theo­lo­gi­sche Ver­ir­run­gen und ähn­li­ches – ins­be­son­de­re auch in beweg­ten Zei­ten wie der aktuellen. 

Die enga­gier­te Dis­kus­si­on auf den Vor­trag Sand­lers zeig­te jeden­falls, dass die oft gra­vie­ren­den Unter­schie­de den Wunsch nach mehr Mit­ein­an­der nicht zunich­te machen. Gemein­sam – so der Ein­druck vie­ler – ist in jedem Fall der Wunsch aller, Men­schen zu hel­fen, auch heu­te mit Chris­tus in Berüh­rung zu kommen. 

Daher war dann auch die Fra­ge: Gibt es Model­le mis­sio­na­ri­schen Kir­che-seins, die wir ein­an­der zei­gen kön­nen? Für die katho­li­sche Kir­che hat­ten die Teil­neh­mer hohes Inter­es­se an den Initia­ti­ven der HOME Base in Pas­sau mit Jün­ger­schafts­schu­le, Gebets­haus und sozia­lem Enga­ge­ment. Und an der an der Uni­ver­si­tät Pas­sau ange­sie­del­ten, aus Ame­ri­ka kom­men­den Bewe­gung FOCUS, wo soge­nann­te Focus-Mis­sio­na­re Stu­die­ren­den in die Freund­schaft mit Chris­tus füh­ren wol­len. In bei­den Initia­ti­ven wur­de deut­lich, wie die Qua­li­tät von geleb­ten Bezie­hun­gen Vor­aus­set­zung ist, um ande­ren deut­lich zu machen, wie sehr die Begeg­nung mit Chris­tus ein Leben berei­chern und erfül­len kann.

Aus dem brei­ten evan­ge­li­schen Kon­text wur­den zwei Pro­jek­te vor­ge­stellt. Armin Beck von Alpha-Deutsch­land zeig­te auf, wie gut es mög­lich ist, mit Alpha-Kur­sen Men­schen nie­der­schwel­lig zu errei­chen – und sie den­noch in den Glau­ben zu füh­ren. Stef­fen und Sibyl­le Beck, bei­de Lei­ter des ICF (Inter­na­tio­nal Chris­ti­an Fel­low­ship) Karls­ru­he, ver­deut­lich­ten ihrer­seits, wie sie sich aus ursprüng­li­cher Unzu­frie­den­heit mit zu star­ren kirch­li­chen Struk­tu­ren einer Frei­kir­che anschlos­sen um dort die Mög­lich­keit zu haben, eine kirch­li­che Gemein­schaft zu grün­den, die vor allem jun­ge Men­schen von heu­te errei­chen kann, durch krea­ti­ve Got­tes­dienst- und Gemein­schafts­for­men und mit dem wich­tigs­ten Ziel, sie durch die Berüh­rung mit Jesus zu ret­ten“, wie sie sag­ten. Auch das Gespräch dar­über lös­te die Fra­ge aus: Geht es den eta­blier­ten evan­ge­li­schen und katho­li­schen Kir­chen wirk­lich noch um Ret­tung“? Was hie­ße Ret­tung in die­sem Kon­text“? Und wenn es nicht mehr um Ret­tung geht“: War­um schei­nen dann oft die­je­ni­gen Kräf­te stär­ker zu sein, die sich eher um Selbst­er­halt als um Evan­ge­li­sie­rung kümmern? 

Wir ste­hen in den unter­schied­li­chen Kon­fes­sio­nen vor den glei­chen Her­aus­for­de­run­gen, wie wir heu­te Glau­ben in unse­re Gesell­schaft transportieren.”

Siegfried Winkler

Wir ste­hen in den unter­schied­li­chen Kon­fes­sio­nen vor den glei­chen Her­aus­for­de­run­gen, wie wir heu­te Glau­ben in unse­re Gesell­schaft trans­por­tie­ren“, so Sieg­fried Wink­ler, 2. Vor­sit­zen­der der Evan­ge­li­schen Alli­anz Deutsch­land. Um so wich­ti­ger ist es, sich gemein­sam aus­zu­tau­schen, wie Kir­che der Zukunft gestal­tet wer­den kann. Wir müs­sen uns vor den Hin­ter­grund der Fra­gen, die unse­re Gesell­schaft bewe­gen, neu fra­gen, was Kir­che ist, wie sie sich ereig­nen muss und was ihre Rele­vanz für die Men­schen von heu­te ist. Und da sind wir mit­ein­an­der ver­bun­den und kön­nen eine Men­ge von­ein­an­der lernen.“

Die Teil­neh­men­den zeig­ten sich ange­tan von einem Tref­fen, bei dem sich erst­mals auch meh­re­re katho­li­sche Bischö­fe auf die­ses brei­te Spek­trum von Kir­che und Glau­bens­ge­mein­schaf­ten ein­ge­las­sen haben. Ins­be­son­de­re die geschwis­ter­li­che Atmo­sphä­re und das gemein­sa­me Gebet wur­den von den meis­ten dank­bar erwähnt. Aller Vor­aus­sicht nach wird es im nächs­ten Jahr ein Fol­ge­tref­fen geben. Als the­ma­ti­sche Fra­ge wur­de unter ande­rem vor­ge­schla­gen: Wie kann man heu­te Christ blei­ben?“ Bischof Ste­fan Oster bedank­te sich für das Kom­men von so vie­len Ver­ant­wort­li­chen, die teils von weit her ange­reist waren – und sprach die Hoff­nung aus, dass auch die­ses Tref­fen ein Schritt zu der Ein­heit gewe­sen sein möge, die Chris­tus für alle wünscht, die an ihn glauben. 

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