Bischof

Bischof Oster: Die Einheit bewahren!

Redaktion am 16.09.2022

DSC7012 Bild: Synodaler Weg / Maximilian von Lachner

Die vierte Synodalversammlung des Synodalen Weges in Deutschland ist am 10. September 2022 in Frankfurt zu Ende gegangen. Mit der Ablehnung des Grundtextes zur Sexualethik am ersten Sitzungstag waren grundlegende Differenzen auf dem Synodalen Weg noch mehr als bisher zutage getreten. Der Chefredakteur des Passauer Bistumsblattes, Wolfgang Krinninger, hat mit Bischof Dr. Stefan Oster SDB gesprochen.

Herr Bischof, für den außen­ste­hen­den Beob­ach­ter ging es bei der letz­ten Syn­odal­ver­samm­lung hoch her. Zwi­schen­zeit­lich schien das Aus des Pro­zes­ses nahe. Wie haben Sie selbst die Tage in Frank­furt erlebt? Was ging in Ihnen vor?

Ich hat­te mich ja schon im Vor­feld öffent­lich kri­tisch mit The­men und Ver­fah­ren des Syn­oda­len Weges aus­ein­an­der­ge­setzt. Dass unse­re Kir­che Refor­men braucht, ist unbe­strit­ten. Aber dass es auf die­sem Weg gut geht, fra­ge ich an – ohne damit sagen zu wol­len, die bespro­che­nen The­men sei­en nicht wich­tig. Daher: Als einer, der offen kri­tisch ist, war ich natür­lich in deut­li­cher Min­der­heit – und das lässt einen die Ver­samm­lung schon spü­ren. Emo­tio­nal, atmo­sphä­risch und ver­fah­rens­tech­nisch. Daher: Wenn ich ehr­lich bin, waren die Tage doch ziem­lich anstrengend.

Was waren Ihre Ängs­te, Ihre Hoffnungen?

Ängs­te habe ich kei­ne, Befürch­tun­gen schon. So wie es jetzt aus­sieht, geht der Weg bei eini­gen The­men in die offe­ne Kon­fron­ta­ti­on mit dem Lehr­amt – und in den Abschied von aus mei­ner Sicht wesent­li­chen Inhal­ten des christ­li­chen Men­schen­bil­des und Kir­chen­ver­ständ­nis­ses. Mei­ne Hoff­nun­gen wären, dass wir die Ein­heit bewah­ren – auch wenn es so aus­sieht, dass die Dif­fe­ren­zen in der Bischofs­kon­fe­renz und unter den Gläu­bi­gen eher pro­fi­lier­ter wer­den und das Gemein­sa­me immer weni­ger aufscheint.

Dass unse­re Kir­che Refor­men braucht, ist unbe­strit­ten. Aber dass es auf die­sem Weg gut geht, fra­ge ich an…”

Bischof Dr. Stefan Oster SDB

In einem jüngst erschie­ne­nen Bei­trag in der inter­na­tio­na­len Zeit­schrift für katho­li­sche Theo­lo­gie Com­mu­nio“ haben Sie deut­li­che Kri­tik am Pro­ze­de­re und der Atmo­sphä­re der bis­he­ri­gen Syn­odal­ver­samm­lun­gen geäu­ßert. Sehen Sie sich in die­ser Kri­tik bestä­tigt? Und haben Sie in Frank­furt Reso­nanz auf Ihren Bei­trag erhalten?

Ja, was Syn­oda­li­tät“ angeht, so wie es Papst Fran­zis­kus ein­ge­bracht hat, sehe ich mei­ne Kri­tik mehr als bestä­tigt. Es ging in Frank­furt nach mei­ner Wahr­neh­mung viel mehr um poli­ti­sche Pro­zes­se, um Tak­tik, um Suche nach Alli­an­zen als um ein gemein­sa­mes Hören auf­ein­an­der. Und dabei waren auch noch sehr viel Emo­tio­na­li­tät und Pole­mik im Spiel. Auf mei­nen Com­mu­nio-Arti­kel habe ich viel Zustim­mung bekom­men. Und tat­säch­lich auch nach der Syn­odal­ver­samm­lung von vie­len Men­schen, die sich bedankt haben.

Als das Grund­satz­pa­pier zur Erneue­rung der katho­li­schen Sexu­al­mo­ral durch­ge­fal­len war, flos­sen Trä­nen und Ange­hö­ri­ge sexu­el­ler Min­der­hei­ten ver­lie­ßen unter Pro­test die Mes­se­hal­len. Kön­nen Sie die­se Reak­tio­nen nach­voll­zie­hen? Was ant­wor­ten Sie die­sen Menschen?

Ja, natür­lich kann ich das ver­ste­hen. Mich beschäf­ti­gen die­se Fra­gen ja auch schon lan­ge – auch im per­sön­li­chen Gespräch mit quee­ren Per­so­nen, wie­der­ver­hei­ra­tet-geschie­de­nen Per­so­nen und vie­len ande­ren, die sich durch kirch­li­che Leh­re aus­ge­schlos­sen füh­len. Und mei­ne Erfah­rung ist: Wenn ich nun z.B. über que­e­re Men­schen und die kirch­li­che Posi­ti­on dazu in einem all­ge­mei­nen Sinn spre­chen wür­de, wür­de ich im Grun­de immer miss­ver­stan­den wer­den und ver­let­zen. Es ist mir daher ein Grund­an­lie­gen gewor­den, Men­schen per­sön­lich ken­nen­zu­ler­nen, ein­fach Hören­der zu sein. In sol­chen oft tie­fen Gesprä­chen ler­ne ich, was Men­schen bewegt, was ihre Anlie­gen und Nöte sind und ihre Sicht auf die aktu­el­le Situa­ti­on. Und ich kann für mich sagen, dass wir im Blick auf unse­re Leh­re des­halb auch Ver­tie­fung brau­chen und mehr Unter­schei­dung und den Blick auf den Ein­zel­nen. Aber in wesent­li­chen Grund­über­zeu­gun­gen glau­be ich immer noch, dass die Kir­che das Rich­ti­ge lehrt.

DSC6350 Bild: Synodaler Weg / Maximilian von Lachner
Bischof Stefan Oster SDB im Gespräch mit Teilnehmerinnen der vierten Synodalversammlung des Synodalen Weges.

Sie gehö­ren zu den Bischö­fen, die klar und offen vor Brü­chen mit der über­lie­fer­ten Leh­re der Kir­che war­nen. Sehen Sie die­se Brü­che bereits in den bis­her ver­ab­schie­de­ten Texten?

Ja, natür­lich. Es wird ja in min­des­tens zwei Tex­ten aus­drück­lich eine Revi­si­on des Kate­chis­mus und des Kir­chen­rechts gefor­dert: Was vor­her rich­tig war, soll jetzt falsch sein oder umgekehrt.

Nach Mei­nung vie­ler ent­spricht die lehr­amt­li­che Sexu­al­mo­ral nicht mehr dem For­schungs­stand der Human­wis­sen­schaf­ten. Was ent­geg­nen Sie denen, die befürch­ten, die Kir­che wer­de an mora­li­scher Auto­ri­tät ver­lie­ren, wenn sie auf ihrer Leh­re beharrt?

Das stimmt natür­lich, dass wir den Dia­log mit den Human­wis­sen­schaf­ten brau­chen. Und mir ist z.B. in der Begeg­nung mit trans­se­xu­el­len Per­so­nen wirk­lich viel erläu­tert wor­den. Auch aus ande­ren Berei­chen des gro­ßen The­men­fel­des Sexua­li­tät. Ich ler­ne hier immer wie­der neu dazu. Zugleich dür­fen wir im Glau­ben aber auch nicht ver­nach­läs­si­gen, was wir aus der Offen­ba­rung ler­nen. Und das geht mir zu oft unter. Zum Bei­spiel sagt uns Pau­lus, dass es dar­um geht, mit Chris­tus neue Schöp­fung“ zu wer­den. Oder laut dem Jesus des Johan­nes-Evan­ge­li­ums geht es dar­um, neu gebo­ren“ zu wer­den. Das heißt also: Der Glau­be an Chris­tus kann zu tief­grei­fen­der Ver­än­de­rung der Über­zeu­gun­gen eines Men­schen im Blick auf die Welt und auf sich selbst füh­ren – bei jedem Men­schen, unab­hän­gig von Her­kunft, Geschlecht, sexu­el­ler Ori­en­tie­rung. Bei jedem. Und die­ser Geburts­vor­gang“ bedeu­tet – davon bin ich über­zeugt — eine neue Art der Frei­heit, ein neu­es Ler­nen zu lie­ben, eine neue Iden­ti­tät als Kind Got­tes, ein Leben aus der Ver­ge­bung der Sün­den. Alles das und mehr kommt aus dem Leben des Glau­bens und kann des­halb qua Metho­de und Inhalt von kei­ner der Human­wis­sen­schaf­ten je erfasst wer­den. Es liegt tie­fer. Das heißt nun: Natür­lich schau­en wir auf die Welt, wie sie ist und auf die Ergeb­nis­se der Wis­sen­schaf­ten. Aber wenn wir das iso­liert tun, ohne die Augen des Glau­bens, dann kann es sein, dass Wis­sen­schaf­ten nur das erzäh­len, was sie ohne­hin in mensch­li­cher Lebens­welt vor­fin­den. Aber nicht das, was der Mensch in Chris­tus sein kann und sein soll. Wie könn­te man das, was wir Hei­lig­keit“ eines Men­schen nen­nen, also sein tie­fes Leben aus Got­tes rea­ler Gegen­wart je human­wis­sen­schaft­lich“ erfas­sen? Und zur zwei­ten Fra­ge: Ob die Kir­che an mora­li­scher Auto­ri­tät ins­ge­samt in die­ser Gesell­schaft ver­liert, wenn sie bei ihrer Leh­re bleibt, ist natür­lich beden­kens­wert, aber letzt­lich geht es doch tie­fer um die Fra­ge, was vor Gott wahr ist? Und das ist nicht ein­fach eine Sache von Mehr­hei­ten in libe­ra­len Gesell­schaf­ten. Und selbst­ver­ständ­lich sehe ich auch, dass die Kata­stro­phe des sexu­el­len Miss­brauchs und das dar­aus fol­gen­de Leid vie­ler Men­schen unglaub­lich an unse­rer Glaub­wür­dig­keit in die­sen Fra­gen zehrt. Natür­lich wird damit auch die Chan­ce, unse­re Leh­re plau­si­bel zu erklä­ren und zu leben, für vie­le Men­schen fast ver­un­mög­licht. Zudem: Wenn wir die Leh­re gar nicht mehr oder ver­kürzt kom­mu­ni­zie­ren, als blo­ße Moral­vor­schrift etwa, wird sie von den Men­schen kaum ver­stan­den und kann tat­säch­lich Lei­dens­ge­schich­ten pro­du­zie­ren. Das heißt für mich: Natür­lich müs­sen wir offen und ein­la­dend sein für alle Men­schen jed­we­der Ori­en­tie­rung. Annah­me ist immer das ers­te. Und dann müs­sen wir ein­fach gemein­sa­me Wege suchen, das Gespräch suchen, wie es gehen kann – auch vor dem je eige­nen Gewis­sen und mit der je eige­nen Lebens­ge­schich­te. Ein­fach eine Per­son unge­se­hen als Sün­der“ abstem­peln, ist doch längst kein Weg mehr. Wir haben in die­sem Anlie­gen in unse­rem Bis­tum auch schon ver­gan­ge­nes Jahr eine Stel­le für die Arbeit in der Que­er-Pas­to­ral aus­ge­schrie­ben – und die­se inzwi­schen auch seit eini­gen Mona­ten schon besetzt.

Ich hof­fe wei­ter um ein Suchen und Rin­gen nach Einmütigkeit.”

Bischof Dr. Stefan Oster SDB

Bei der Voll­ver­samm­lung der Deut­schen Bischö­fe wer­den der Syn­oda­le Weg und die Vor­be­rei­tung des Ad-limi­na-Besuchs der deut­schen Bischö­fe im Novem­ber in Rom wich­ti­ge The­men sein. Wird es nach Ihrer Mei­nung gelin­gen, eine gemein­sa­me Posi­ti­on zu finden?

Ich hof­fe es: Ich tu mich aller­dings schwer, es mir vor­zu­stel­len, da die Posi­tio­nen aus mei­ner Sicht inzwi­schen kaum mehr ver­söhn­bar schei­nen. Eini­ge Bischö­fe haben in Frank­furt ja sehr deut­lich signa­li­siert, wie sie wei­ter­ge­hen und was sie – so wört­lich – schon umset­zen“ wollen.

Wie geht es jetzt wei­ter? Und was ist ihr Wunsch für den wei­te­ren Ver­lauf des Syn­oda­len Weges?

Ich hof­fe wei­ter auf ein Suchen und Rin­gen nach Ein­mü­tig­keit – ich selbst möch­te mei­nen Bei­trag dazu leis­ten. Aber ich fürch­te, dass sich der Weg der Kir­che in Deutsch­land in die Selbst­sä­ku­la­ri­sie­rung wei­ter fort­setzt. Per­sön­lich wer­de ich wei­ter ver­su­chen, in allem Frei­mut und hof­fent­lich gedul­dig und demü­tig das Evan­ge­li­um von der Ret­tung des Men­schen durch Jesus Chris­tus zu ver­kün­den – und dabei selbst immer auch Hören­der und Suchen­der blei­ben. Dabei will ich auch – wie ich es ver­spro­chen habe – in der Ein­heit mit dem Hei­li­gen Vater und der von ihm bezeug­ten Leh­re blei­ben. An die­sem Dienst und dem Weg mit den Men­schen habe ich auch wirk­lich Freu­de. Frei­lich: Lehr­ent­wick­lung hat es immer gege­ben. Aber in die­sen Fra­gen, die Sie hier stel­len, geht es um so etwas wie die Schöp­fungs­ord­nung. Ich kann mir vor­stel­len, dass ein neu­es Kon­zil auch die­se Fra­gen ver­han­delt — und da wür­den sie auch hin­ge­hö­ren. Aber ich mei­ne, dass sich dann auch zei­gen wür­de, dass die Kir­che in wesent­li­chen Grund­pfei­lern trotz­dem kei­ne Mög­lich­keit zur Ver­än­de­rung hat. Zur Dif­fe­ren­zie­rung schon, zu pas­to­ra­len Zugän­gen auch. Aber ich mei­ne, wesent­li­che Kern­for­de­run­gen, die der Syn­oda­le Weg zur Dis­po­si­ti­on stellt, könn­te auch ein Kon­zil nicht ver­än­dern. Alles ande­re wür­de mich sehr über­ra­schen. Sehr gespannt bin ich übri­gens dar­auf, was bei unse­rem Ad-limi­na-Besuch im kom­men­den Novem­ber pas­sie­ren wird, wenn wir als gan­ze Bischofs­kon­fe­renz beim Papst sind.

Inter­view: Wolf­gang Krinninger

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